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Kölns OB Reker im Interview, Teil 1„Man kann nicht Klimanotstand ausrufen und den Grüngürtel bebauen“

Lesezeit 7 Minuten
Die Oberbürgermeisterin gestikuliert im Gespräch mit der Rundschau mit den Händen.

Die Oberbürgermeisterin gestikuliert in Gesprächen gern und viel mit den Händen. Kurz nach ihrem 66. Geburtstag traf sich Henriette Reker zum Jahresgespräch mit der Rundschau.

Viele Großbaustellen und Herausforderung anderer Art hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). Mit ihr sprachen Jens Meifert, Ingo Schmitz und Moritz Rohlinger. Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie am Donnerstag.

Zum Beginn eine Frage zu einem aktuellen Ereignis: Stadträtin Nicolin Gabrysch hat sich in der Ratssitzung am Rednerpult festgeklebt. Wird das Folgen haben?

Sie ist eine junge Mutter und einfach enttäuscht, dass zu wenig im Klimaschutz getan wird, ihrer Meinung nach. Festkleben ist ja ein Akt der Hilflosigkeit. Aber wenn an dem Pult ein Schaden entstanden ist, dann muss sie das bezahlen. Aber ich finde, ehrlich gesagt, haben wir ganz andere Schwierigkeiten.

Eine gute Überleitung. Die Problem-Liste ist tatsächlich sehr lang: Zu viele Großbauprojekte, der Straßenkarneval zum Sessionsauftakt, die hohen Flüchtlingszahlen, und, und, und… Sind das zu viele Probleme?

Also ich glaube, dass alle Kommunen an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angekommen sind. Wenn man dann kein Bundesland wie beispielsweise Hamburg ist, dann benötigt man besonders die Hilfe von Land und Bund.

Land und Bund bringen Ihnen aber auch Probleme, oder?

Sie machen zumindest Versprechungen, wie zum Beispiel den Bau von 400 000 Wohnungen. Das ist richtig gemeint, aber wir müssen es dann in den Kommunen umsetzen. In Köln kumulieren sich Chancen, aber auch Risiken. Das ist in Metropolen so und wird häufig verkannt. Mir geht das auch oft so, dass ich meinen Fokus auf Dinge richte, die nicht funktionieren, anstatt auf solche, die funktionieren.

Was funktioniert denn?

Erst vergangene Woche habe ich gelesen, dass sich jede Stadt einen Breitband-Ausbau wie unseren wünschen würde. Wir sind in einem Jahrzehnt der Modernisierung, das war ja auch meine Motivation. Es muss anders werden, damit es besser werden kann. Wir müssen 54 Schulen bauen, wir managen aktuell parallel 24 Schul-Baustellen.

Apropos bauen: Sie haben vor einem Jahr im Rundschau-Interview gesagt: „Dies ist das Jahr 2022. Bis Ende des Jahres müssen wir die Sache mit dem FC geregelt haben. Das Thema muss jetzt vom Tisch.“ Es bleibt nicht mehr viel Zeit...

Das stimmt, aber es kommt vom Tisch. Wenn es nach mir geht: um den Jahreswechsel.

Und dann zieht der FC nach Marsdorf?

Das werden wir sehen. Ich meine, das mit dem FC war im Grunde eigentlich klar. Man kann ja nicht den Klimanotstand ausrufen und den Grüngürtel bebauen. Das passt nicht zusammen.

Und diese Botschaft ist jetzt beim Club angekommen?

Ich glaube, ja.

Wenn die Sache klar war, warum gibt es dann in dieser Stadt immer eine Debatte, die nach außen eine unglückliche Wirkung hat?

Dass ich meine Meinung geändert habe, hat man immer diskutiert. Ich glaube, das ist die Kehrseite von „liebe deine Stadt“. Ich glaube, dass sich die Kölnerinnen und Kölner mehr als andere für ihre Stadt interessieren. Dadurch diskutieren sie aber auch bei allen Themen intensiv mit.

Hat der FC zu lange politische Signale ignoriert?

Also ich bin nicht angetreten, um den FC zu verteidigen, aber er hat mit dem Ratsbeschluss damals ein Signal bekommen, an das er geglaubt hat. Nach der Kommunalwahl war die Mehrheit eben eine andere.

Jetzt hat der Club betont, dass er am Ausbau im Grüngürtel festhalten will.

Ich verstehe den FC so, dass ihm eine andere Botschaft wichtig ist. Nämlich, dass eine Bebauung des Grüngürtels theoretisch rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Aber der Ausbau ist von der Stadt nicht gewollt. Punkt.

Kommen wir zum Straßenkarneval, einem Thema, auf das sich die Leute eigentlich freuen. Aktuell kommt eher das Gefühl auf, dass wir im Krisenbewältigungsmodus sind, das muss Sie doch traurig stimmen, oder?

Unsere Aufgabe ist es, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und das werden wir auch tun, wenn es um den Straßenkarneval geht. Wir machen jedes Jahr etwas anders am Elften Elften und lernen jedes Jahr, was funktioniert hat und was nicht. Niemand hat hier ein Patentrezept.

War es denn ein Fehler, in diesem Jahr nicht schon eine zweite Bühne aufzubauen?

Wer soll die zweite Bühne denn aufbauen? Wir haben keinen Veranstalter gefunden. Die Stadt veranstaltet schließlich nicht den Karneval, das muss schon das Festkomitee oder ein anderer Veranstalter machen. Die Stadt muss für Sicherheit und Ordnung sorgen.

Aber das hat nicht funktioniert, wie die KVB gezeigt hat.

Manches hat funktioniert. Der KVB blieb nichts anderes übrig in dieser Situation, als den Betrieb einzustellen.

Offenbar löste der Sessionsauftakt nur noch bei Jugendlichen viel Begeisterung aus.

Doch. Wenn ich in das Präsidium des Städtetags komme, heißt es immer: ‚Der Elfte Elfte bei euch war wieder toll.‘ Die Anwohner sagen das allerdings nicht, das kann ich auch nachvollziehen. Die müssen wir schützen, so gut es geht und das ist verhältnismäßig gut gelungen. Es waren einfach zu viele Menschen auf zu kleiner Fläche.

Es geht aber ja nicht nur um die Anwohner. Die Bilder, die wir alle gesehen haben. Würden Sie nicht sagen, dass das nicht Karneval ist, wie wir ihn verstehen?

Nein! Aber das haben wir doch auch gar nicht zu entscheiden. Es ist auch nicht der Karneval, wie ich ihn verstehe. Aber die jungen Leute wollen genau das. Die wollen einfach nur zusammen sein. Ich bin ja da gewesen.

Die Jugendlichen trinken sich teilweise um Sinn und Verstand. Der ehemalige Polizeipräsident, Jürgen Mathies, hat einst gesagt, man dürfe so etwas nicht einreißen lassen. Ist das nun die Konsequenz davon, dass man es Jahre lang hat schleifen lassen?

Was haben wir denn schleifen lassen?

Man hat sie einfach kommen und machen lassen.

Aber wo wollen Sie denn die Grenze ziehen? Dürfen die Jugendlichen nicht nach Köln kommen? Wir haben keine Möglichkeit, ein Alkoholverbot, geschweige denn ein Alkoholverkaufsverbot zu verhängen. Die Jugendlichen bringen sich ihre Getränke ja selbst mit.

Aber dann sind wir in letzter Konsequenz ja machtlos und es wird in den nächsten Jahren nur noch schlimmer werden, weil die jungen Leute eben genau das so gut finden, oder?

Die jungen Leute möchten den Sitzungskarneval, der vielen anderen gefällt, nicht. Die feiern ihre Art von Karneval. Wir müssen dafür sorgen, dass sie das so sicher wie möglich tun und niemand zu Schaden kommt.

Was halten Sie denn von den Angeboten, die der Runde Tisch nun für den nächsten Elften Elften diskutiert hat?

Ich finde, man muss es immer wieder anders machen, damit es besser werden kann. Wenn das Festkomitee einen Zug organisieren will, dann sollte man den Gedanken wirklich aufgreifen und wir werden gucken, was wir als Stadt beitragen können.

Zeit für einen Themenwechsel: Wie steht es um die Verwaltungsreform? Sie sagen, der Weg ist richtig, aber das Tempo stimmt nicht.

Genau so ist das.

Woran liegt das? Sie könnten das Tempo ja bestimmen.

Nur dadurch, dass man etwas bestimmt, wird es nicht unbedingt auch eingehalten. Das liegt daran, dass so ein Apparat mit fast 22 000 Mitarbeitenden in der Kernverwaltung wie ein großer Dampfer ist. Nur weil man etwas bestimmt, geht das nicht bis ins letzte Amt oder in die letzte Abteilung über. So eine Kulturänderung muss auch auf eine Veränderungsbereitschaft treffen. Wenn man in einer Behörde groß geworden ist, in der man keine Fehler machen durfte, müssen die Mitarbeitenden erst langsam lernen, dass sie jetzt welche machen dürfen.

Das heißt, die Mitarbeitenden sind nicht bereit für so eine große Umstellung?

Doch, aber erst nach und nach. Sie müssen lernen, das sie viel erfolgreicher sind, wenn sie Projektmanagement anwenden. Und es kommen mit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg auch immer wieder äußere Faktoren hinzu. Ich bin sehr stolz auf die Mitarbeitenden, dass die die Reform trotz allem weitergeführt haben.

Haben Sie denn bereits aus Fehlern gelernt?

Uns gelingt die Unterbringung der Geflüchteten vor allem deswegen, weil wir 2015/16 gelernt haben, wie es geht. Ich habe damals gesagt, wir benötigen einen Puffer von mindestens 1500 Plätzen. Wenn die voll sind, muss man akquirieren. Genau so machen wir es im Moment.


Teil 2 des Interviews

Am Donnerstag lesen Sie in unserer Printausgabe und online den zweiten Teil unseres Interviews mit Henriette Reker, in dem wir sie vor allem nach ihren Plänen für die restliche Amtszeit befragt haben.