Tanzbrunnen in Köln„Sommer im Garten“ reißt aus Corona-Depression
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Köln – Schlicht „Sommer im Garten“ nannten die Brings-Brüder die erste Konzert-Tournee kölscher Bands nach dem Lockdown. Den Auftakt im Tanzbrunnen für den 3. Juni zu planen, war sicher ein Wagnis. Würden alle der 500 Karten verkauft werden unter den Bedingungen, dass die Besucher nur mit Negativ-Tests reinkommen und die Maske aufbehalten müssen?
Ja, das Risiko hatte sich gelohnt. Innerhalb kurzer Zeit waren die Karten weg, und wie die feierhungrigen Fans kölscher und karnevalistischer Lieder dann im Tanzbrunnen jubelten, mitsangen trotz verknappter Luft hinter den Schutzmasken und am Platz tanzten, das dürfte beste Chancen haben in die Kölner Konzertgeschichte einzugehen.
Lieblingslieder fürs rheinische Herz
Elf Bands hatte Brings-Manager Stefan Kleinehr, Hauptorganisator der Show, zusammengetrommelt. Kabarettist Martin Schopps und Solomusiker J.P. Weber alias „Die Flitsch“ moderierten die schönsten und so lange nicht mehr live gehörten Lieblingslieder fürs rheinische Herz. Der Jubel wollte schon gleich in den ersten Minuten kein Ende nehmen, als Gastgeber Peter Brings Grußworte ins Mikro sprach. „Wie lange haben wir diesen Applaus nicht mehr gehört, es tut so gut“, „Endlich wieder vor echten Menschen spielen, wie haben wir das vermisst“, „Ihr seid wie hunderttausend Stimmen im Chor“ und ähnliche Freudenbekundungen hörte das Publikum von Bands und Moderatoren.
Die Newcomer-Band „Rhythmussportgruppe“ hätte sich kein besseres Debüt im Tanzbrunnen wünschen können, so ging die Menge ab. „Dat ist dat Schöne am Fasteleer, wir haben so viele Talente, die noch kölsch Lieder machen können“, würdigte J.P. Weber, der sich vom Publikum zuvor die Erlaubnis geholt hatte, Kölsch sprechen zu dürfen, den furiosen Einstand.
Nach dem überschwänglichen Mitgehen bei Miljö – die Akustik-Kölschrocker hatten das ausgelassene Feiern bis auf ihren „Wolkeplatz“ getrieben - sorgte sich Martin Schopps sogar ein wenig um das Durchhaltevermögen: „Ihr habt noch neun Bands vor euch, bin gespannt, ob Ihr diesen Stimmungspegel halten könnt“. Die 500 Besucher konnten.
Klüngelköpp rühren zu Tränen
Spätestens bei den Klüngelköpp spielte sich ein, was allen Bands zuteilwerden sollte: Das Publikum sang die Refrains der Hits weiter, als die Musiker zusammenpackten und die Bühne verließen. Die ersten Tränen flossen beim „Wenn am Himmel die Stääne tanzen“. Den größten Erfolg von Cat Ballou „Et jitt kein Wood“ gab es auch im Reggae-Stil. Als die Räuber nach „Für die Iwigkeit“ und „Dat es Heimat“ noch ihren Karnevalsschlager „Wenn dat Trömmelche jeht“ anspielten, schien der Refrain in die Endlosschleife zu gehen.
Die Überraschung war die Spaß-Pop-Band „Big Maggas“ aus Hamburg, die Weber an eine Mischung aus Star Trek und Rolling Stones erinnerte, nicht zuletzt wegen Roboter Horst Elvis auf der Bühne. Schnell wich ein bisschen Skepsis dem Vergnügen. „No Woman No Cry“ nach Bob Marley“, „Marmor, Stein und Eisen bricht“, „Herzilein“ „Ti amo“, „Auf St. Pauli brennt noch Licht“ von Jan Delay und „Time of my Life“, alles leicht parodistisch und schräg, das zündete.
Bläck Fööss ist die Mutter aller kölschen Bands
Ohne Erry Stoklosa, aber mit Bömmel Lückerath, erschienen die Bläck Fööss. Noch immer muss die Mutter aller kölschen Bands, „ohne die wir alle heute nicht hier wären“, so Weber, die große Jubiläumsfeier ihres 50-jährigen Bestehens verschieben. „Achterbahn“ fuhren die Fööss mit dem Publikum, luden ein „Drink doch ene met“ und bekräftigten mit dem „Stammbaum“, dass in Köln kein Platz für Rassismus ist.
Die mallorca-tauglichen, ins Kölsche übertragenen und rockig aufgepeppten Schlager der Rabaue zündeten im Tanzbrunnen etwas weniger gut. Erst mit der im Corona-Jahr 2020 geschriebenen Ballade „Op eimol es alles anders“ traf die Band wieder den Nerv. Doch es waren die Tränen von Kasalla-Frontmann Basti Campmann, den wohl kaum jemand bisher so emotional gesehen hat, der für den Höhepunkt des Sommer-Gartens sorgte. Für die „Stadt met K“ mobilisierte das überwiegend unter 50-jährige Publikum die letzten Reserven nach schon lebhaftem Abtanzen zu „Alle Jläser huh“, um zum Mitsingen auch noch zu hüpfen. Das Lied „Mer sin eins“ nutzte Campmann für den Appell, die Hygieneregeln weiterhin durchzuhalten.
Die Umbaubauphase für die schrille Bläsergruppe „Druckluft“ nutzte J.P. Weber für das Lied „Und mer singe all die Leeder“, leise und ohne Verstärkung auf seiner kleinen Mandoline begleitet. Dass sich daraufhin ein offenbar tief ins Herz getroffene Publikum erhob und applaudierte, rührte auch den für seine freche Schnüss bekannte Musiker zu Tränen. Das Finale war natürlich dem Gastgeber Brings vorbehalten.
„Das Allergrößte ist, dass die Bands ohne Gage gespielt haben“, würdigte Peter das Engagement. Und grüßte auch die vielen, die keine Karten mehr ergattert hatten, aber als Zaungäste dabei waren. Nach „Denn mir sin all all all nur Mingsche“, „Polka, Polka, Polka“ und „Ne Kölsche Jung“ wurden die Kölschrocker natürlich nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen. Das war die Ballade“ Liebe gewinnt“, die so tröstliche Zeilen enthält wie „Wir werden frei, sein, wenn wir uns lieben, es wird vorbei sein mit allen Krisen“.