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Kölner StadtmuseumWas vom Coronavirus in Köln im Gedächtnis bleibt

Lesezeit 4 Minuten

Begehrtes Gut: eine Klopapierrolle. Fürs Museum relevant ist sie mit dem Hinweis, nicht über Bedarf einzukaufen.

  1. Schon heute macht sich das Kölner Stadtmuseum Gedanken, wie wir die Krise in der Rückschau erleben werden.

Köln – Was werden die Kölner im Jahr 2070 denken, wenn Sie auf die Corona-Zeit schauen? Die heute 18-Jährigen können erzählen von verschobenen Abiturprüfungen, Schlangen vorm Supermarkt und leer gefegten Innenstädten. Aber wie bleibt auch in 100 Jahren diese Krise für die Nachwelt greifbar? Darüber macht sich Stefan Lewejohann jeden Tag Gedanken. „Es ist klar, dass wir einen Einschnitt erleben, das ist geschichtsträchtig.“ Und der soll im Museum eines Tages gespiegelt werden.

Immer auf der Suche nach Objekten

Historiker sind Sammler. Permanent auf Suche nach geeigneten Objekten. „Was wir aus der Corona-Zeit festhalten wollen, ist frei“, sagt der 37-Jährige. Hilfreich sind Objekte aus dem Alltagsleben, weil sie es nachfolgenden Generationen leicht machen, Bezüge herzustellen. Die Aushänge beim Einkauf etwa: „Bitte nur zwei Packungen Nudeln.“ Keine Hamsterkäufe, bitte, nur die haushaltsnotwendigen Einkäufe.

Probestange: Mit einem Stäbchen, das in den Rachen eingeführt wird, werden Menschen mit Corona-Symptomen getestet.

„Die Rationierung von Lebensmitteln kannte ich nur aus Erzählungen meiner Großeltern“, sagt Lewejohann. Und plötzlich bekommen Lebensmittelgutscheine der Nachkriegszeit wie sich auch im Stadtmuseum zu sehen sind, einen sehr aktuellen Bezug, auch wenn die Notsituation eine ganz andere war.

Was in 50 Jahren wichtig sein wird

Nach der jüngsten Ratssitzung, die im Gürzenich stattgefunden hat und damit zweifellos historisch war, hat der wissenschaftliche Mitarbeiter des Museums, sich einen Mundschutz gesichert. Bürgermeister Andreas Wolter von den Grünen hat ihn getragen. Und natürlich sind die „Gesperrt“-Aushänge an den Spielplätzen museumsreif oder vielleicht ein Türschild des Krisenstabs der Stadt Köln, der alle zwei Tage zusammen kommt.

Mundschutz für die Ratssitzung im Gürzenich.

„Wir arbeiten immer mit der Fragestellung: Was wird in 50 Jahren wichtig sein“ sagt der Historiker, der unter anderem die Ausstellungen zum Heumarkt und zum Eigelstein mitkuratiert hat. Damals wurde das komplette Wohnzimmer einer Familie ausgestellt. Es war vor dem Ersten Weltkrieg bestellt worden, wurde danach geliefert, später feierten Generationen dort Familienfeste und saßen zusammen, bevor die Wohnung vor einigen Jahren geräumt wurde. Fürs Museum ein Glücksfall.Auch die Flüchtlingswelle vor rund fünf Jahren war ein einschneidendes Ereignis. Im Stadtmuseum befindet sich das Notizbuch eines Syrers, in dem er Skizzen zum geplanten Bau eines Hauses in der Heimat gemacht hat. Oder die Ereignisse in der Silvesternacht 2015 am Hauptbahnhof: Es war eine Nacht, die das ganze Land verändert hat.

Sicherheitsabstand: Hinweistafel in der Stadt.

Ebenso das Attentat auf Henriette Reker. Mit einer Fahne vom Wahlkampfstand der Grünen wurde der Täter kurze Zeit fixiert, bevor er später festgenommen worden ist. Das Banner ist im Museum.

Rund 300.000 Objekte lagern in den Depots des Stadtmuseums.Dazu kommt die graphische Sammlung, hunderttausende Fotografien und Kupferstiche. Derzeit ist die Ständige Sammlung an der Zeughausstraße geschlossen. Die Umbruchphase mit dem geplanten Umzug ins Interim Modehaus Sauer soll auch genutzt werden, um den Bestand zu digitalisieren und Objekte virtuell erlebbar zu machen.

Konferenztisch aus dem Bankhaus Oppenheim

Greifbar sind aus jüngerer Vergangenheit auch Objekte der Demonstrationen „Pulse of Europe“ und „Fridays for future“. Auch wenn beides Bewegungen sind, die im ganzen Land eine Rolle spielen, sammelt das Museum Kölner Objekte wie Fahnen, Plakate oder Kostüme, die getragen wurden. „Wir sind auf die Mithilfe der Bürger angewiesen“, sagt Lewejohann. Bestes Beispiel eines ausdrucksstarken Objektes: eine Milchtüte aus dem Tschernobyl-Jahr 1986 mit dem Aufdruck: „Genuss unbedenklich.“

Zuletzt hat Lewejohann unter anderem einen Konferenztisch aus dem bankrotten Bankhaus Sal. Oppenheim gesichert, die Leuchtreklame des Café Pascher in Lindenthal sowie Kostüme aus der TV-Serie Lindenstraße. Mutter Beimers Küche war schon vergeben – ans Bonner Haus der Geschichte.

Kölnisches Stadtmuseum, Zeughausstraße 1-3. Das Museum ist derzeit geschlossen. Hinweise auf Objekte aus der Corona-Zeit, die relevant sein könnten, bitte zunächst als Foto per Mail schicken an: ksm@museenkoeln.de

Virtueller Blick ins Museum

Viele Kölner Museen senden aus ihren menschenleeren Ausstellungsräumen digitale Lebenszeichen nach draußen. Das Stadtmuseum hat die Jubiläumsschau 50 Jahre Bläck Fööss bereits virtuell geöffnet.

Mittwochs und freitags stellt ein Mitarbeiter des Stadtmuseums unter der Überschrift „Heimspiel“ zudem ein besonderes Werk aus der Haussammlung vorstellen. Museumsdirektor Dr. Mario Kramp präsentiert den Zuschauern auf Instagram oder Facebook das prachtvolle, zwei Meter hohe Dom-Gemälde des Künstlers Carl Georg Hasenpflug, der dieses Werk im Jahr 1836 präsentierte. Zu dieser Zeit war der Dom jedoch noch eine Baustelle, die Türme fehlten, auch die unmittelbare Domumgebung malte der Künstler nach seiner kühnen Vorstellung. „Eine fromme Zukunftsvision“, lobt Kramp.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter Stefan Lewejohann präsentierte unter anderem den Rinkelbel, eine Kinderrassel die aus dem 18. Jahrhundert stammt. Sie ist aus Silber und mit sechs Glöckchen versehen sowie einem Ebertzahn, der den Kindern das Zahnen erleichtern sollte. In abgewandelter Form findet sich die Rassel heute in jedem Kinderzimmer – auch in dem von Lewejohanns Sohn. Er hatte sie fürs Video schnell griffbereit. (tho/mft)