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Interview

Kölner Unternehmerin
„Wasserstoff wird in Zukunft eine essentielle Rolle spielen“

Lesezeit 6 Minuten
Köln, RSK, Imgrund-Interview mit Sara Schiffer

Setzt auf Wasserstoff: Sara Schiffer

Sara Schiffer hat die DEVK-Tochtergesellschaft hylane aufgebaut – Mit Bernd Imgrund sprach die 28-Jährige über die Vermietung wasserstoffbetriebener LKW und darüber, was sie sich für die Zukunft von der Politik wünscht.

Mit ihrer Firma hylane (sprich: High Lane) ist die 28-jährige Sara Schiffer gerade ans Rheinufer nahe der Südbrücke gezogen. Noch dominieren Kartons die Büroräume. Aber gearbeitet wird schon auf Hochtouren.

Sie haben mit gerade einmal 28 Jahren eine Firma aufgebaut. Wie kommt man dazu?

Geplant war das nicht! Ich habe schon während des Studiums als Informatikerin bei der DEVK gearbeitet und wurde durch einen glücklichen Zufall dort Vorstandsreferentin. In dem Zusammenhang hatte ich unter anderem mit versicherungsrelevanten Schäden bei Naturkatastrophen zu tun.

So wurden Sie zur Klimaaktivistin?

Ich habe gelernt, dass der Klimawandel akut ist und wir jetzt gegenlenken müssen. Das hat mich dazu bewogen, etwas Nachhaltiges auf die Beine zu stellen und mit hylane eine Vermietung wasserstoffbetriebener LKW aufzubauen.

Hylane ist eine Tochtergesellschaft der DEVK. Wie haben Sie diese Idee ausgerechnet einer Versicherung untergejubelt?

Die DEVK war von Beginn an involviert. Als Investor hat sie schon viele nachhaltige Projekte gefördert und schnell das Gründungskapital zur Verfügung gestellt.

Arbeiten Sie eher 30 oder 60 Stunden pro Woche?

Eher 60 und mehr. Aber es fühlt sich nicht wie arbeiten an. Ich genieße, was wir hier machen dürfen, weil ich sehe, dass wir etwas bewegen können. Immerhin haben wir es hinbekommen, in Deutschland den allerersten wasserstoffbetriebenen LKW zuzulassen. Und inzwischen besteht unsere Flotte aus 122 Fahrzeugen.

Haben Sie als Kind mit Puppen gespielt?

Nicht wirklich. Ich habe mich fürs Geräteturnen begeistert, besonders für den Barren und die Ringe.

Dafür muss man zäh sein.

Das stimmt. Aus dem Sport habe ich Disziplin mitgenommen, die mir auch im Job hilft. Wenn ich mir etwas vornehme, dann bleibe ich dran, bis es geschafft ist.

Sie haben parallel zur Uni Vollzeit gearbeitet.

Ja, das war eine Herausforderung. Meine Eltern haben früh klargestellt, dass sie das Studium nicht zahlen. Also ging das nicht anders.

Wie kamen Sie zum Wasserstoff?

Wir haben Speditionen befragt, worauf sie beim Umstieg von Diesel auf alternative Antriebe Wert legen. Die Batterie, der Akku ist in aller Munde, aber wegen seiner langen Ladezeiten nicht alltagstauglich für solche Firmen. Also haben wir uns entschieden, auf Wasserstoff zu setzen.

Könnten E-Scooter auch mit Wasserstoff betrieben werden?

Das ginge schon, aber man muss sich überlegen, welche Technik wo am sinnvollsten ist. PKW etwa werden nachts eher nicht genutzt und können in der Zeit geladen werden. Bei LKW ist das anders, die sind häufig rund um die Uhr im Einsatz.

Ist Wasserstoff ein Stoff?

(lacht) Das ist ein gasförmiges Element. Wir sind keine Ingenieure, sondern haben uns dem Thema aus Nutzersicht genähert. Natürlich haben wir inzwischen auch entsprechende Fachleute im Team.

Wasserstoff ist farb-, geruch- und geschmacklos. Kann man das Zeug inhalieren?

Das wird schwierig. Wasserstoff ist höchst flüchtig, der geht sofort nach oben hin weg.

Wasserstoff ist Hauptelement des Universums, auf der Erde aber seltener. Wo holt man sich den her?

Es gibt unterschiedliche Produktionswege. Die zurzeit attraktivste Variante ist die Erzeugung aus grünem Strom, weil damit die komplette Nachhaltigkeit garantiert ist.

Ein gewisser Anteil des Wasserstoffes wird heutzutage nicht mit Strom, sondern noch mit Erdgas hergestellt.

Das Netz liefert heutzutage noch eine Mischung aus Grauem (Erdgas) und Grünem (Strom) Wasserstoff. Aus unserer Sicht ist es wichtig, die Nachfrage anzukurbeln und gleichzeitig in Grünen Wasserstoff zu investieren.

Man nimmt sich einen Liter Wasser, also H2O, und entfernt das O, also den Sauerstoff?

Auch da existieren verschiedenste Verfahren, deren gängigstes die Elektrolyse ist. Aber Wasserstoff kann auch mittels Biomasse oder Plastik generiert werden.

Was passiert im Laster?

Der Wasserstoff wird durch die Brennstoffzelle aufgespalten und in elektrischen Strom umgewandelt, der den Elektromotor betreibt. Wasserdampf ist das einzige Abfallprodukt dieses Prozesses.

Wie steht Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Ihrer Branche?

Die Wasserstoffstrategie des Wirtschaftsministeriums ist extrem hilfreich. Man fördert sowohl den Import als auch den Ausbau der deutschen Kapazitäten. Das Gleiche gilt fürs Verkehrsministerium, von dem hylane knapp 40 Millionen Euro für die Transformation hin zu alternativen Antrieben bekommen hat.

Warum wurde zuletzt dennoch die Bundesförderung für LKW mit alternativem Antrieb gestrichen?

Wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum zweiten Nachtragshaushalt 2021. Die 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollten aus der Corona-Hilfe kommen, das wurde für verfassungswidrig erklärt.

Ein schwerer Schlag für Sie?

Nein. Wir halten es ohnehin für wichtig, von Förderung unabhängig zu werden. Wir wollen nicht immer nur die Hand aufhalten, sondern möglichst bald auf eigenen Beinen stehen.

Welches Auto fahren Sie privat?

Einen Toyota Mirai, wasserstoffbetrieben. Und inzwischen habe ich den CCE-Führerschein. Das war meine erste „Weiterbildungsmaßnahme“ bei hylane, ich darf also auch schwere LKW mit großem Anhänger fahren.

Ein Wasserstoff-LKW ist in einer Viertelstunde aufgetankt, seine Reichweite beträgt viele hundert Kilometer. Wie sieht es PS-mäßig aus?

Auch in der Hinsicht ist alles drin. Unsere LKW bewältigen jeden Berg und fahren problemlos über die Alpen.

Und machen die brumm-brumm, wenn man Gas gibt?

Nein, die sind leise. Was viele Menschen nicht wissen: Auch der wasserstoffbetriebene Motor ist ein Elektromotor. Im einen Fall kommt der Strom aus der Batterie, im anderen aus der Brennstoffzelle.

Deutschland ist derzeit europaweit führend auf dem Wasserstoffmarkt. Wie kommt's?

Einzelne Player haben sehr früh angefangen und wurden schnell gut auf diesem Gebiet, nehmen wir etwa H2-Mobility, die schon 2015 damit begannen, ein Wasserstofftankstellen-Netz aufzubauen.

Was ist noch zu tun?

Wie bei den E-Tankstellen ist auch bei denen für Wasserstoff noch viel Luft nach oben. Um europaweit flexibel zu fahren, brauchen wir einen massiven Ausbau des Netzes.

Würden Sie Ihr Unternehmen lieber in China oder den USA weiterentwickeln?

(überlegt lange) Eine schwierige Frage. Ich bin froh, dass wir die Firma von Köln aus führen können. Was mich bezüglich China oder den USA neidisch macht, ist der unternehmerische Ehrgeiz auch der etablierten Unternehmen. Die warten nicht auf Fördergelder, sondern nehmen den Technologiewandel als Chance und legen los.

Warum haben Sie hylane in Köln und nicht etwa in Berlin gegründet?

Ich habe das Gefühl, bei einigen Berliner Start-ups geht es inzwischen um ein bestimmtes Mindset: hippe Umgebung, flexible Arbeitszeiten, Work-Life-Balance. Und das Produkt selbst ist gar nicht so wichtig. Unserem Team geht es um die Sache, wir wollen vorankommen.

Ist die deutsche Bürokratie wasserstofffreundlich?

Die Gesetzgebung muss sich anpassen, einige Regelungen sind einfach absurd. Durch die Tanks hinter dem Fahrerhaus entstehen bei unseren LKW 60 Zentimeter „Überlänge“. Nach den Vorschriften ist das nur bei aerodynamischen, deshalb CO2-sparenden Fahrerhäusern erlaubt. Nun sind unsere Fahrerhäuser zwar nicht aerodynamisch gebaut, aber trotzdem komplett CO2-frei. Wir haben bislang jede Genehmigung bekommen, aber dahinter steckt viel überflüssige Papierarbeit.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von der Politik?

Mehr Offenheit. Wasserstoff sollte als gleichrangige Alternative diskutiert werden. Mich besorgt, dass wir womöglich zu stark auf die Batterie setzen, obwohl jetzt schon abzusehen ist, dass die Stromnetzkapazitäten dafür bei Weitem nicht ausreichen werden.

Sie sind Geschäftsführerin, aber auch Visionärin. Wie wird der Verkehr in 20 Jahren aussehen?

Wenn wir weiter auf diesem Planeten leben wollen, müssen wir bis 2045 klimaneutral werden. Für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels gibt es keine andere Option. Aber dafür muss noch extrem viel passieren! Und Wasserstoff wird dabei eine essentielle Rolle spielen.