AboAbonnieren

Interview

Serap Güler im Rundschau-Haus
„Wir sind eine Metropole und sollten groß denken“

Lesezeit 8 Minuten
Serap Güler (CDU MdB) war zu Gast an der Stolkgasse im Rundschau-Haus.

Serap Güler (CDU MdB) war zu Gast an der Stolkgasse im Rundschau-Haus.

Die Bundestagsabgeordnete der CDU tritt bei der Bundestagswahl in Porz an. Sie sprach auch über die Nachfolge von OB Henriette Reker.

Sie sind die erste Kandidatin, die die Kölner CDU für die Bundestagswahl in mehr als einem Jahr aufgestellt hat – in einem für sie neuen Wahlkreis. Wie ist diese Findung des Wahlkreiswechsels abgelaufen?

Ich habe ja bereits 2017 für die Landtagswahl in Kalk, Deutz und Innenstadt, die zu diesem Bundestagswahlkreis gehören, kandidiert. Als ich mich dann 2021 entschieden habe, für den Bundestag zu kandidieren, war für mich klar, dass ich nicht gegen einen amtierenden Bundestagsabgeordneten der CDU antrete. Wir hatten drei in Köln mit Karsten Möhring, Gisela Manderla und Heribert Hirte. Der einzige Wahlkreis, der frei war, war eben Köln-Mülheim und Leverkusen. Sonst wäre es schon damals meine Überlegung gewesen, in Porz/Kalk/Innenstadt anzutreten. Dieses Mal hat es gepasst, der Wahlkreis ist frei und ich habe ja dort auch schon das Bürgerbüro.

Derzeit bekommt die Ampel ja nicht nur Kritik ab, das ist Wut und schon fast Hass. Dagegen ist die Stimmungslage für die CDU besser. Wie nehmen Sie das als Kandidatin wahr?

Kritik an dieser Regierung ist meiner Meinung nach vollkommen nachvollziehbar. Dass man eine gewisse Wut spürt auch. Wenn ich mich mit Unternehmern beispielsweise unterhalte, ist da wirklich beides. Hass ist aber ein absolutes No-Go, das ist für mich keine Gesprächsebene.

Läuft den Regierungsparteien denn die Zeit davon?

Es ist nun gut ein Jahr Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl. Ich glaube nicht, dass sich diese Bundesregierung irgendwie noch fängt – also im Sinne davon, dass sie den Streit niederlegt und sich auf die Regierungsarbeit konzentriert. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass das nächste Jahr für die Ampel noch schwieriger wird. Das haben wir jetzt bei den Haushaltsverhandlungen gesehen. Sie müssen sich auf bestimmte Dinge viel schneller einigen. Das hat man jetzt beim Thema Migration gemacht. Die Maßnahmen sind aber eher symbolisch und werden keine Wirkung zeigen, um die irreguläre Migration wirklich zu reduzieren.

Es wird auf jeden Fall jemand, der die Stadt kennt und auch die großen Herausforderungen der Stadt. Der aber auch Visionen in der Tasche hat für diese Stadt, um sie weiter voranzubringen.
Serap Güler, zu dem Kandidaten oder der Kandidatin der CDU fürs OB-Amt

2025 erwarten uns Bundestags- und Kommunalwahlen, die sind stärker abhängig von Personen. Wie sehen Sie die Chancen für die CDU in Köln für nächstes Jahr?

Das Potenzial ist da! Das ist keine Frage, auch wenn es in Köln nach wie vor für die Grünen am besten läuft. Das hat das Europawahlergebnis gezeigt. In der Tat, die Kommunal- und die Bundestagswahlen werden auch Personenwahlen sein. Da kommt es natürlich ganz darauf an, dass wir eben auch die Personen aufstellen, die anziehen und die ihre Punkte setzen können. Ich bin ziemlich sicher, dass uns das gelingt.

Wie weit ist Ihre Vorschlagskommission mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin?

Ich denke mal, im Herbst/Winter sind wir soweit. Dann ist noch ein Jahr Zeit. Wir haben einige Interessenten und wir starten bald mit der nächsten Sitzung. Dann werden wir sehen, was sich da so herauskristallisiert. Es wird auf jeden Fall jemand, der die Stadt kennt und auch die großen Herausforderungen der Stadt. Der aber auch Visionen in der Tasche hat für diese Stadt, um sie weiter voranzubringen.

Was muss der oder die Kandidatin aus Ihrer Sicht in der jetzigen Phase für die Stadt mitbringen? Henriette Reker hat neulich bei uns im Interview gesagt, sie wünscht sich einen jungen Menschen, der die die Kraft hat, die Dinge wirklich anzugehen.

Ich bin nicht sicher, ob die Frage der Durchsetzungsfähigkeit auch eine Frage des Alters ist. Jemand, der eine gewisse Erfahrung mitbringt, politische Erfahrung, Verwaltungserfahrung, Lebenserfahrung, der kann das, auch wenn er nicht zu den Jüngsten gehört. Ich würde das gar nicht vom Alter abhängig machen. Durchsetzungsstärke muss die Person auf jeden Fall mitbringen. Gut wäre, zu wissen, wie man so eine Verwaltung am Ende managt. Wir haben es hier schließlich mit dem größten Arbeitgeber der Stadt – die Stadt selbst – zu tun und das ist kein Zuckerschlecken. Ich glaube, dass die oder der Nachfolger von Reker auch den Willen mitbringen muss, die Verwaltung nicht weiter aufzublasen. Denn eine große Verwaltung steht nicht gleich automatisch dafür, dass Dinge schneller oder besser funktionieren. Ich habe durch meine Verwaltungserfahrung in der Landesregierung eigentlich die Erfahrung gemacht, dass das Gegenteil der Fall ist.

Serap Güler (CDU MdB) war zu Gast an der Stolkgasse im Rundschau-Haus.

Serap Güler (CDU MdB) war zu Gast an der Stolkgasse im Rundschau-Haus.

Wie nehmen Sie die Stimmungslage und die Themen in Köln wahr?

Ich war kürzlich im Mediapark und habe mir den Startplatz angesehen. Ein Start-up-Center, wo mehrere Gründer Büroflächen mieten können oder Co-working-Plätze finden. Dabei wurde klar, dass eines unserer größten Probleme das Thema Genehmigungsverfahren ist. Anträge bleiben viel zu lange in der Bearbeitung liegen. Und bei Digitalprojekten reden wir über eine Branche, in der es wirklich um Schnelligkeit geht, gerade was KI (Künstliche Intelligenz) betrifft. Da müssen wir verwaltungstechnisch in Köln wesentlich besser werden.

Eines der zentralen Projekte von Henriette Reker ist die Verwaltungsreform. Die Sichtbarkeit ist nicht überall gegeben.

Das ist der Punkt. Es ist normal, dass das erst spürbar wird, wenn es am Ende der Kette ankommt. Das dauert und es ist ja nicht so, dass sie diesbezüglich nichts unternommen hat. Das wäre nicht fair und auch nicht richtig, das zu behaupten. Sie hat viele Dinge angestoßen. Aber mir erzählen Unternehmer, dass sie hier z.B. ihre Firmen erweitern wollen, aber dass die Genehmigungen viel zu lange dauern. Und auch wenn sich viele Kommunalpolitiker einschalten, wenn es beispielsweise soziale Projekte sind, wie der Bau einer Kita – ich spreche da aus eigener Erfahrung – und die nach über zwei Jahren immer noch nicht genehmigt ist, dann sind das einfach Dinge, die tatsächlich zum Frust beitragen. Wo mir zunehmend Menschen begegnen, die sagen: Weißt du was, dann fahre ich halt ein paar Kilometer weiter und mache das Geschäft da auf. Weil das in Köln einfach viel zu lange dauert.

Das aktuell politisch heißeste Thema ist wohl die Frage der Ost-West-Achse. Ist das auch Thema in Berlin?

Einzelprojekte sind grundsätzlich kein Thema in Berlin. So muss zunächst der Vorhabenträger, in diesem Fall die Stadt, entscheiden, was er umsetzen möchte. Erst dann werden die erforderlichen Mittel von der Stadt über das Land beantragt. Das prüft daraufhin gemeinsam mit dem Bund die Voraussetzungen für eine Förderung, bevor eine Finanzierung bewilligt wird. Die CDU ist da klar in der Position für den Tunnelbau. Ich glaube, für andere Parteien gilt das nicht. Die SPD scheint in alle Richtungen mitspielen zu wollen.

Meinen Sie, die SPD schielt dabei auf die Kommunalwahl?

Ja, die schielt auf die nächste Wahl. Die Politik vor Ort muss entscheiden. Die CDU ist da klar, Köln ist eine Großstadt, wir sind eine internationale Metropole und ich kann da nur sagen: Think big – wir sollten groß denken. Wir dürfen vor solchen Verkehrsprojekten nicht zurückschrecken, weil sie eine Zukunftsinvestition sind und die Attraktivität einer Stadt erhöhen. Es ist unsere Verantwortung, Entscheidungen für die kommenden Generationen zu treffen.

Hat die Stadt denn noch so viel Zeit für die Entscheidung?

Ich bin seit 2012 in dieser Stadt und mindestens seitdem ist das ein Thema. Das Begleitgremium hat zwei Jahre intensiv beraten und die Entscheidung muss in dieser Wahlperiode, bestenfalls noch in diesem Jahr, getroffen werden. Ich finde es sehr schade, dass es bislang keine Einigung unter den Fraktionen gibt.

Lauter ist die Partei aber ja geworden, seitdem Karl Alexander Mandl den Vorsitz übernommen hat. Sie waren im alten Vorstand und sind auch im neuen. Was für Unterschiede erleben Sie in der Parteiarbeit seit dem Machtwechsel an der Spitze der CDU Köln?

Der ehemalige Parteivorsitzende, Bernd Petelkau, ist ja immer noch Fraktionsvorsitzender. Er hat seine Stärken, genauso wie unser neuer Parteivorsitzender Alexander Mandl. Für die anstehende Kommunalwahl ist das ein gutes Duo. Die Partei ist jetzt insgesamt gut und breiter aufgestellt. Beide müssen jetzt natürlich auch den Rest der Partei mitnehmen. Das funktioniert immer besser.

Macht es die Situation besser, dass Partei- und Fraktionsvorsitz jetzt seit knapp anderthalb Jahren getrennt sind?

Ich glaube tatsächlich, dass es am Ende die richtige Entscheidung war, das voneinander zu trennen. Sie dürfen nicht vergessen: Wir sitzen im Ratsbündnis mit den Grünen. Jemand, der beide Hüte aufhat, kann nicht gleichzeitig Partner sein und die andere Seite parteipolitisch kritisieren. Wenn das auf mehrere Köpfe verteilt wird, und das machen die Grünen ja auch nichts anders, ist es auch einfacher zu sagen: Wir mögen im Rat mit denen gut zusammenarbeiten, aber zum Beispiel bei der Verkehrswende haben wir in vielen Bereichen unterschiedliche Auffassungen. Als Parteivertreterin kann ich viel offensiver auftreten und ich glaube, das merkt man draußen auch.


Zur Person

2021 wurde Serap Güler Mitglied des Deutschen Bundestages. Zuvor war sie Staatsekretärin für Integration im Düsseldorfer Familienministerium. Vor der Bundestagswahl 2025 wechselt sie vom Wahlkreis Mülheim/Leverkusen, in dem sie gegen Karl Lauterbach (SPD) antreten musste, nach Porz.

Güler ist 44 Jahre alt, sie wuchs als Kind türkischer Gastarbeiter auf, ihr Vater war Bergmann. (mft)