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Kölner DomNeues Kunstwerk soll Judenschmähungen etwas entgegenstellen

Lesezeit 4 Minuten
Das Kinderfenster im Kölner Dom

Das Kinderfenster im Kölner Dom bedient zahlreiche antisemitische Klischees. Dem will das Domkapitel nun etwas entgegensetzen.

Die antisemitischen Darstellungen im Kölner Dom: Dass sie unerträglich sind, darüber besteht Einigkeit. Wie mit ihnen umzugehen ist, darüber nicht. Ein Wettbwerb soll das Problem um „Judensau“ und „Kinderfenster“ lösen.

Hakennasen, rote Bärte, Männer, die sich an den Zitzen einer Sau laben. Kein Klischee, keine Schmähung wurde ausgelassen. Stammt die Darstellung der sogenannten Judensau im Chorgestühl noch aus dem Mittelalter, so wurden die antisemitischen Szenen im Kinderfenster erst in den 1960er Jahren angebracht. „Es ist nichts, worauf wir stolz sind“, sagt Markus Frädrich, Sprecher des Doms. Unkommentiert sind die Darstellungen längst nicht mehr. Ein Wendepunkt im Umgang mit ihnen markiert das Jahr 2008. Das Domblatt titelte damals: „Der Kölner Dom und die Juden“. In der Folge wurden unter anderem Broschüren für Touristen aufgelegt, mit denen die Schmähdarstellungen eingeordnet werden. Domführer wurden auf das Thema geschult. Und nun wird eine Idee in die Tat umgesetzt, die in dem besagten Domblatt Reinhard Hopes aufbrachte: Dieser „Kunst“ Kunst entgegenzusetzen.

Diskutiert bis zum Konsens

Der Weg dorthin war länger als gedacht. Zwölf Mitglieder eines interreligiösen Arbeitskreises sind ihn gegangen. Unter ihnen Weihbischof und Domkapitular Rolf Steinhäuser sowie Abraham Lehrer, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland und Vorstand der Synagogengemeinde Roonstraße. 2021 kündigte Steinhäuser den Kunstwettbewerb für 2022 an. Dass es nun doch ein Jahr länger gedauert hat, erklärt Steinhäuser mit der Komplexität eines solchen Wettbewerbs vor diesem historischen Hintergrund. Und vor allem: „Wir haben so lange gesprochen, bis wir Konsens hatten.“

Experten bennenen Künstler

Der Konsens ist nun da, das Verfahren steht. Es besteht im Groben aus drei Phasen. Die Phase Null läuft bereits. In ihr sind acht renommierte Szenekenner aufgefordert, jeweils zwei Künstler zu benennen, die ihrer Meinung nach einen wertvollen Beitrag leisten könnten. Die Kenner werden öffentlich nicht genannt. Sie sollen frei von jeder Beeinflussung agieren können. Die Phase Eins, die eine „Dialogphase“ ist, soll im Dezember starten. Im Gespräch mit den bis dahin 16 ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern soll ausgelotet werden, was wo im Dom denkbar wäre.

Die zweite Phase, die Vertiefungsphase, ist für den April 2024 vorgesehen. Dann soll sich der Künstlerkreis auf vier reduziert haben. Die sollen einen finalen Vorschlag erarbeiten. Der Siegerentwurf würde dann im Herbst 2024 von einer Jury gekürt. In ihr sitzen unter anderem Rabbiner Dr. Jehoshua Ahrens, ehrenamtlicher Direktor des Centre for Jewish-Christian Understanding and Cooperation in Jerusalem, der Schweizer Jesuit und Judaist Pater Dr. Christian Rutishauser, Prof. Dr. Salomon Korn, Architekt und Vorstand der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main sowie Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Was ist erlaubt im Dom?

Haben die Künstler einen unbegrenzten Spielraum? Darauf antwortet Domkapitular Steinhäuser mit einem entschiedenen „Jein“. Der Ausschreibungstext schränkt wenig ein: „Bei den zu wählenden Medien werden keine Vorgaben gemacht. Es soll sich um ein dauerhaftes Werk handeln, das die Eigenschaft des Kölner Doms als Sakralraum und seinen Stellenwert als Bischofskirche und damit als Ort repräsentativer Verkündigung und Lehre respektiert“, steht dort geschrieben. Höchstens ein Fingerzeig ist der Ausschreibung zu entnehmen: „Ein geeigneter Ort könnte das nördliche Querhaus sein. Interventionen im Bereich des Raums des Langhauses werden dagegen kritisch gesehen.“ Tabu ist hingegen das historische Chorgestühl. Darüber hält der Denkmalschutz seine Hand.

Eine halbe Million Euro für den Wettbewerb

„Für den Wettbewerb haben wir mal eine halbe Million Euro eingepreist“, sagt Weihbischof Steinhäuser. Für die Dialogphase soll den Künstlerinnen und Künstlern eine Aufwandsentschädigung von 10.000 Euro gezahlt werden. In der Vertiefungsphase Zwei gibt es ein Honorar von 50.000 Euro. Für die Übertragung der Nutzungsrechte am Siegerexemplar sollen nochmals 20.000 Euro fließen. Bezahlt wird aus der Schatulle des Domkapitels. Das hat als Hausherr und Wettbewerbsausträger auch das letzte Wort bei der Benennung des Siegers.

Kein Schlussstrich, aber Meilenstein

„Ich bin dem Domkapitel dankbar, dass es diesen Weg beschritten hat“, sagt Abraham Lehrer. Er geht davon aus, dass am Ende dieses Weges ein Kunstwerk steht, „das wir so in unserem Deutschland noch nicht hatten“. Mit dem Werk soll auf keinen Fall ein Schlussstrich unter eine Debatte, aber ein neuer Meilenstein im Dialog gesetzt werden. Es könnte nicht weniger als beispielgebend sein, sagt Lehrer mit Blick auf die zahlreichen antisemitischen Darstellungen allein in mittelalterlichen Sakralbauwerken.