Am Sonntag jährt sich der Einsturz des Stadtarchives am Waidmarkt – OB Reker hatte „neue Klarheit“ für diesen Tag versprochen. Doch noch immer noch fehlt die zeitliche Perspektive.
Jahrestag zum Einsturz des StadtarchivsAuch nach 15 Jahren mehr Fragen als Antworten
Es sollte der Tag werden, der etwas Licht ins Dunkel bringt, die Konturen endlich etwas klarer hervortreten lässt. So hatte es Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker jedenfalls vor einem Jahr an der Archiveinsturzstelle am Waidmarkt fast schon trotzig angekündigt. Denn an Spekulationen zu irgendwelchen Terminen wolle sie sich nicht beteiligen. Der nächste Jahrestag werde „mit neuer Klarheit zur Perspektive des Waidmarkts“ begangen werden können. „Ich hoffe sehr bald, den zeitlichen Rahmen nennen zu können.“
Nun ist er da , der nunmehr 15. Gedenktag des Unglücks, das sich tief ins das Fleisch dieser Stadt eingeschnitten hat. Und das einzige, was sich bisher abzeichnet ist, dass es weiterhin keine Klarheit in den entscheidenden Fragen geben wird: Wann ist die Baustelle beendet? Wann werden die Bahnen der Nord-Süd Stadtbahn das sogenannte Gleiswechselbauwerk in rund 20 Meter Tiefe unter dem Waidmarkt passieren können. Wie wird die „Gedenkstätte“ für dieses epochale Unglück und seine Toten konkret aussehen? Fragen, die am Sonntag, 3. März, am Tag des Archiveinsturzes erneut wohl wieder wie ein dunkler Schatten über der offiziellen Gedenkstunde an der Einsturzstelle liegen werden.
Wie ist die Ausgangslage?
Im Laufe des Strafverfahrens gegen Verantwortliche auf der Baustelle haben sich die Stadt Köln und die in einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) zusammengeschlossenen Baufirmen vom Waidmarkt geeinigt, dass die Firmen der Stadt rund 600 Millionen Euro zahlen. Die Stadt rechnete intern mit einer Schadenssumme von über einer Milliarde Euro. Zudem saniert die Arge den Rohbau des Gleiswechselbauwerks unter dem Waidmarkt, auf den das Archiv stürzte, und stellt das Bauwerk fertig, inklusive einer unterirdischen Gedenkstätte. Im Februar 2021 stellte die Arge dafür einen Sanierungsplan vor. „Was wir hier machen, ist meines Wissens nach weltweit ein Novum“, sagt damals Diplom-Ingenieur Dirk Höllermann, Geschäftsführer der Arge. Vor diesem Hintergrund wurde nur eine vage Prognose aufgestellt. Vielleicht 2029 könnte unter dem Waidmarkt erstmals eine Stadtbahnen fahren.
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Was ist bisher am Unglücksort geschehen?
5000 Kubikmeter Schutt liegen in der Baugrube. Zudem wurden damals 2000 Kubikmeter Beton zur Stabilisierung nachgekippt. Nach der Einigung zwischen Stadt und Arge haben Taucher beispielsweise Dachstuhlreste, Baugerüste oder auch Träger nach oben geholt – in mühsamer Handarbeit. Zudem wurden die Wände des Gleiswechselbauwerks begutachtet. Können sie für die Fertigstellung des Bauwerks weiter verwendet werden? Immerhin war wohl eine Schadstelle in einer Seitenwand, entstanden durch Pfusch am Bau, Ursache des Unglücks. Zumindest ließ das Gericht im Zuge des Strafverfahrens durchblicken, dass es zu dieser Einschätzung neigt. So sieht es auch die Stadtverwaltung. Die Arge hingegen erkennt diese Unglücksbegründung offiziell nicht an. Vor Gericht hielt sie Unwägbarkeiten im Untergrund für eine mögliche Ursache. Wie auch immer, die Gutachter kamen zu dem Schluss, die Wände können weiter verwendet werden. In einem weiteren Schritt wurde wieder Kies und 1360 Kubikmeter Beton in das Bauwerk geschüttet und gepumpt.
Warum muss wieder Beton eingebracht werden?
Unter anderem die Zwischendecke in dem Gleiswechselbauwerk muss raus, sie steht der weiteren Sanierung im Weg. Doch auf die Seitenwände drückt das Grundwasser. Damit das Bauwerk ohne stabilisierende Zwischendecke unter dem Druck nicht zusammenklappt, wird erst eine waagerechte Kiesebene eingebracht und darauf Beton gegossen. Das ist auf der untersten Bauwerksebene schon geschehen und wird nun für die mittlere Ebene erfolgen.
Was sind die nächsten Schritte?
Die zweite Großbetonage beginnt am kommenden Freitag. Etwa 300 Betonfahrzeuge werden bis zu 30 Stunden lang rund 2100 Kubikmeter Beton für die Mittelebene liefern. Das dafür nötige Kiesbett wurde größtenteils schon eingebracht. Das Bauwerk wird mit einer Reihe von Maßnahmen weiter ausgesteift. Künftig braucht es nur noch einen kleinen Zugang. Darum kann die Baugrube laut KVB weiträumig „abgedeckelt“ werden. Nach dem ersten Quartal 2025 könnte dadurch wieder Verkehr über den Waidmarkt fahren, aber keine Linienbusse. Nach der „Abdeckelung“ wird das Bauwerk ausgeräumt. Beton, Kies und die Reste des Schutts kommen raus. Eisenverstrebungen werden zur Stabilisierung eingebracht. Das Grundwasser wird abgepumpt. Damit ist die Sanierung beendet und die Fertigstellung des Gleiswechselbauwerks kann beginnen.
Wie wird das Gedenken aussehen?
Die Initiative „Archivkomplex“ forderte, auf der obersten Ebene des Gleiswechselbauwerks eine unterirdische Kulturstätte, die sogenannte „Halle mit dem Knick“, benannt nach ihrer Bauform. Auf Drängen der Stadt ist diese Halle nicht mehr vorgesehen. Laut Verwaltung wäre der Betrieb unter der Erde nur unter hohen Auflagen und Einschränkungen möglich. In die oberirdische Platzgestaltung sollte stattdessen einfließen, was die Initiative für die Halle erdacht hatte: eine kulturelle Begegnungsstätte die Raum zum Gedenken gibt. 4,8 Millionen Euro wurde aus den Baukosten herausgerechnet, die kalkulierten Kosten für die Halle. Das Geld ist für die Platzgestaltung vorgesehen. Die Initiative und die Bürgerinnen und Bürger sollen dabei Mitspracherecht bekommen. Dazu hat eine Projektwerkstatt getagt. „Archivkomplex“ wollte zudem schon vor Fertigstellung des Platzes mit Kulturangeboten starten. Laut der Initiative wurden von ihr nach zahlreichen „Begutachtungen in- und ausländischer Vorbilder“ und nach Gesprächen mit Verwaltungsmitarbeitenden Ergebnisse präsentiert. „Aber was wird aus all diesen in monatelanger Arbeit entwickelten Vorschlägen“, fragt Günter Otten von „Achivkomplex“. „Wir hoffen, dass Oberbürgermeisterin Reker am 3. März sagt, wie es weitergehen wird.“