- Die Bläck Fööss haben sich in vielen Liedern ausgiebig mit der Historie der Stadt auseinandergesetzt.
- In Hans Knipp fanden sie hierbei einen kongenialen Unterstützer.
- Ein neuer Teil unserer Serie zu den „Bläck Fööss“ in Köln
Köln – Noch immer erinnert sich Bassist Hartmut Priess gut an ein Telefonat mit Hans Knipp, das er irgendwann im Jahr 1973 geführt hat. Zu einer „Melodieskizze“ der Bläck Fööss hatte der introvertierte Liedermacher binnen zwei Wochen einen kölschen Text verfasst und ihn nun mit getragener Stimme in den Hörer gesprochen.
Aus einer frühmittelalterlichen Familienchronik, niedergeschrieben von einem passionierten Hobby-Historiker, hatte Knipp das brutale Schicksal von „Feschers Köbes“ zu einem strophenreichen Lied verarbeitet. „Ich bekam eine Ballade vorgetragen, mir standen die Haare zu Berge. Die Geschichte hatte mich sofort beeindruckt“, schwärmt Priess.
Besonderes Stück Musik
Blutrot habe die Sonne an einem Abend des Jahres 1074 über dem hellije Kölle gestanden, heißt es im dramatischen Finale des imposanten Werks. In einem bizarren Racheakt schickt Erzbischof Anno seine Söldnertruppe los, um den aufsässigen Köbes Fescher zu verhaften und grausam blenden zu lassen. „Se däten däm Köbes et Augeleech nemme, en letzte Tron em Aug' im stund“, heißt es. Die rote Abendsonne habe er schon nicht mehr sehen können.
In jedem Takt des Liedes schimmert mittelalterliche Melodik, Laute und Leier verleihen dem Stück seinen charakteristischen Klang. Mehr als sechs Minuten dauert das Stück, das formal gegen alle Kriterien der Massenkompatibilität verstößt. Mit dieser opulenten Saga arbeiten die Bläck Fööss erstmals Stadtgeschichte musikalisch auf. Und das bereits drei Jahre nach ihrer Gründung, womit deutlich wird, dass die Hinwendung zur Historie nicht bloß eine kompositorische Beschäftigungstherapie gealterter Musiker war.
Bläck Fööss haben eigenes Genre geschaffen
„Ohne die Bläck Fööss hätte es für mich, einem Jungen aus dem Revier, wohl kaum ein Interesse für Kölner Themen und für die Kölner Geschichte gegeben“, resümiert der Historiker Carl Dietmar, Autor der „Chronik Kölns“ und zahlreicher anderer Bücher über die Stadt.
Mit ihrer vertonten Stadtgeschichte hat die Band ein ureigenes Genre geschaffen – keine andere Gruppe beschäftigt sich so stringent und umfangreich mit dem Werdegang ihrer Heimat. „Nicht nur ich war sehr an der Thematik interessiert, auch die übrigen Bandmitglieder haben zu der Entwicklung beigetragen“, erzählt Priess. Die Resonanz der Fans auf die anspruchsvolle Kost sei absolut positiv gewesen.
Nah an der Historie Kölns
Wohl auch, weil sich die Band meist nah an der verbrieften Historie orientiert und nicht den geschichtlichen Schonwaschgang einlegt, der ein romantisch weichgespültes Zerrbild der Wirklichkeit ausspuckt. „Nur beim Lied zur Schlacht bei Worringen geben sie das kölsche Geschichtsbewusstsein wider, obwohl die Bürger damals den Vertrag gebrochen und sich aus reinem Opportunismus auf die Seite des Herzogs von Brabant geschlagen haben“, stellt Carl Dietmar fest.
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Bei den Stücken zur Stadtgeschichte gehört stets der 2011 verstorbene Hans Knipp zu den Autoren, das pazifistische Werk „Unger’m Adler“ entstand aus seiner Zusammenarbeit mit der Gruppe. Ebenso erinnern die Fööss an die mittelalterliche Hexenjagd der Kirche auf Katharina Henot und setzen ihr ein musikalisches Denkmal. „Salve Katharina in memoriam, du bes für uns die Königin. Salve, Salve Regina Katharina, Do läävs en unserm Hätze dren“, singen sie im Refrain.
Band ist Teil der Historie Kölns
„Bei diesen Liedern war Knipp wie ein achtes Mitglied unserer Band“, urteilt Priess und adelt damit den bis zum seinem Tod zurückgezogen lebenden Liedermacher. Beim launigen „Wochenmaat vun Kölle“ singen die Fööss gar einen anspruchsvollen Madrigal-Satz aus der Spät-Renaissance.
Inzwischen sind die Musiker längst selbst zu einem Teil der Stadtgeschichte geworden und werden zum Jubiläum mit einer eigenen Ausstellung im Stadtmuseum gefeiert. Viele ihrer Stücke aus der kreativen Blütezeit in den 1970er Jahren taugen als Dokumente der unumstößlichen und fortschreitenden Stadtentwicklung.
„Roxy“ bedauert Verschwinden der Kinos
In „Die Drei vun d’r Linie 2“ (1975) steht die Rationalisierung von Arbeitsplätzen im Vordergrund, in „Dä kleine Lade“ (1975) trauern die Fööss den Tante-Emma-Läden nach, „Am Arsch der Welt“ (1982) ist der humorvolle Abgesang auf die Wehrpflicht, selbst „Roxy“ (1996) ist ein gesungenes Bedauern über das Verschwinden der kleinen Kinos, die irgendwann den glitzernden Multiplex-Tempeln oder – wie im Liedtext – riesigen Supermärkten weichen mussten.
Doch die erste Zeitrevue der Musiker lässt bis zum Jahr 2005 auf sich warten. Mit „Usjebomb un opjebaut“ präsentieren die Fööss bereits 1995 ein Album, auf dem sie vor allem die Lieder anderer kölscher Musiker präsentieren. „Wir wollten zeigen, wie die kölschen Liedermacher diese schwere Zeit beschrieben haben. Es waren sehr kluge Stücke dabei. Solch ein Repertoire gibt es in keiner anderen deutschen Großstadt“, meint Priess.
Bläck Fööss betreiben großen Aufwand
Der Aufwand für die Band ist enorm, denn fast alle Stücke stammen von fremden Komponisten und müssen eigens für die Show einstudiert werden. Zunächst führen die Fööss dieses Repertoire nur fürs Fernsehen auf, erst zehn Jahre später präsentieren sie im Gürzenich vor Publikum ihre musikalische Reise durch die Nachkriegszeit. Während zittrige Bilder vom zerstörten Köln im Großformat laufen, singt Peter Schütten das titelgebende Lied.
Erst im Jahr 2005 wird die Revue „Usjebomb“ erstmals öffentlich aufgeführt. Die musikalische Geschichtsstunde wird ein großer Erfolg. Zweimal treten die Fööss in der Universität auf, auch beim Dom-Jubiläum 1998 setzen sie auf historische Stücke. Im Jahr 2015 wiederholen sie die Revue „Usjebomb“ – sieben Mal ist die Flora ausverkauft. Nur zwei Jahre später folgt dann die Revue „Was habst du in die Sack“, ein Ausspruch, der dem „Schmugglerlied“ entstammt, einer Persiflage auf die Kontrollen französischer Zöllner zur Besatzungszeit Anfang des 19. Jahrhunderts, gesungen zu einer alten Gassenhauer-Melodie.
Bei dieser Revue schließt sich ein Kreis, denn die Band bittet den Historiker Carl Dietmar mit auf die Bühne. Er darf die Liedtexte einer historischen Analyse unterziehen und den besserwisserischen Akademiker raushängen lassen. „Selbst für diese undankbare Rolle war ich den Fööss dankbar, denn für mich war dies eine Art kölscher Ritterschlag, da mir oft vorgeworfen wurde, die Stadt nicht richtig zu lieben“, erinnert sich Dietmar und schmunzelt.
Heute bedauert es Hartmut Priess, keine Revue zu den 1960er und 70er Jahren konzipiert zu haben. Lieder gibt es in großer Fülle. „Leider haben wir das damals nicht gemacht. Denn es gibt viele Menschen, die an solchen gut erzählten Liedern hängen“, sagt Priess. Vielleicht ist das eine Aufgabe für die neuen Band-Mitglieder.