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Debatte über SessionsauftaktDürfen wir Karneval in Köln trotz Corona feiern?

Lesezeit 5 Minuten

Bilder wie Tag und Nacht: Der Heumarkt während der Sessionseröffnung am 11.11.

  1. Das Festkomitee plant Veranstaltung mit mehreren Zonen für die Jecken.
  2. Doch können wir feiern inmitten der Pandemie?

Köln – Das Volk nimmt sich den Karneval – ob wir wollen oder nicht. Mit diesen Worten hat Festkomitee-Chef Christoph Kuckelkorn im Rundschau-Interview am Montag die Debatte über die Sessionseröffnung am 11.11. entfacht. Wie berichtet, plant das Komitee für den Heumarkt eine Veranstaltung mit mehreren Zonen für die Jecken. Dort könne man nachvollziehen, wer mit wem da war und somit im Bedarfsfall Infektionsketten unterbrechen. Kuckelkorn verspricht, dass man verantwortungsvoll handeln, notfalls nur eine kleine Feier am Ostermann-Brunnen planen werde. Doch die Frage spaltet: Können wir feiern inmitten der Pandemie? Wo wir gleichzeitig Mallorca-Auswüchse verurteilen? Und vor allem: Lässt sich diese Feier kontrollieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Gibt es ein Vorbild für das Modell?

Ja und Nein. In der Lanxess-Arena haben seit den Lockerungen zehn Veranstaltungen stattgefunden, die dem Prinzip des „Inselfeierns“ folgen: In einer Box dürfen acht Personen Platz nehmen, Kontaktpersonen sind namentlich registriert. „Wir fahren gut mit dem Konzept, auch, weil die Gäste sehr besonnen damit umgehen“, sagt Arena-Chef Stefan Löcher. Bis zu 2450 Personen sollen demnächst in der Arena Konzerten lauschen. Kuckelkorn hatte sich im Rundschau-Gespräch auf dieses Format bezogen. Der Unterschied: Der Elfte im Elften hat sich in den vergangenen Jahren zu einer gigantischen Party unter freiem Himmel entwickelt. Zugangsbeschränkungen? Schwierig. In der Arena soll am Samstag, 14.11., unter dem Motto „Immer wieder kölsche Lieder“ gefeiert werden. Ob die Veranstaltung stattfinden kann, ist offen. Verkauft sind weit mehr als 2450 Karten, es müssten also Karteninhaber ausgewählt werden.

Der Heumarkt während des Corona-Lockdowns im März.

Was sagt die Stadt zu dem Vorstoß?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich wie zuvor NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gegen Großveranstaltungen und damit auch den Straßenkarneval ausgesprochen. Doch was passiert, wenn nichts passiert? Feiern die Leute nicht dennoch? Die Stadt tut sich schwer mit Festlegungen, äußerte sich am Montag auf Nachfrage nicht. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte kürzlich gesagt: „Natürlich gibt es Karneval.“ Die Frage sei aber, wie er gefeiert wird. Für die Mitarbeiter der Ordnungsdienste wäre es ein Kraftakt. Schon jetzt haben die städtischen Mitarbeiter alle Hände voll zu tun, um die Corona-Schutzordnung umzusetzen.

Was denken die Gastronomen?

Sowohl die Interessengemeinschaft Gastro (IG) als auch der Nordrhein-Ableger des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), unterstützen Kuckelkorns Vorstoß. Dehoga-Geschäftsführer Christoph Becker sagte am Montag: „Es nützt nichts, einfach abzusagen. Das hält die Menschen nicht vom Feiern ab, sie kommen dann trotzdem, das hat ja auch der abgesagte Christopher Street Day gezeigt (an der Schaafenstraße musste die Stadt Anfang Juli räumen wegen der vielen Leute, Anmerkung der Redaktion). Man muss schon eine Idee haben, wie man die Leute auffängt und steuert.“ IG-Vorstand Daniel Rabe sagte: „Man sollte versuchen, dass nicht so viele Leute nach Köln kommen.“ Die Insel-Lösungen von Kuckelkorn hält er für denkbar, „das sollte aber dann auch vor den Gastro-Betrieben möglich sein und nicht nur auf den Plätzen“.

Veranstaltungen

Zur Definition von Großveranstaltungen heißt es auf der Internetseite der NRW-Landesregierung:

„Veranstaltungen und Versammlungen mit bis zu 300 Teilnehmern dürfen stattfinden, wenn geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern sichergestellt sind. Außer im Freien ist zudem die einfache Rückverfolgbarkeit sicherzustellen.

Sitzen Teilnehmer während der Veranstaltung auf festen Plätzen, muss – bei Sicherstellung der besonderen Rückverfolgbarkeit – der Mindestabstand nicht eingehalten werden. (...) Bei Veranstaltungen mit mehr als 300 Teilnehmern bedarf es eines besonderen Hygiene- und Infektionsschutzkonzeptes.“

Mit einem Zusatz ist auch der Karneval angesprochen: Große Festveranstaltungen bleiben mindestens bis zum 31. Oktober 2020 untersagt; dazu zählen Volksfeste, Kirmesveranstaltungen, Stadt-, Dorf- und Straßenfeste, Schützenfeste oder Weinfeste.

Ist der Kneipenkarneval überhaupt möglich?

Der Karneval lebt ja nicht nur von der Sessionseröffnung in der Altstadt, sondern auch von den vielen Feiern in den Kneipen. Aber was passiert, wenn die Jecken angetrunken sind? Sind Abstandsregeln in engen Gaststätten nicht unrealistisch, wenn der Alkohol die Leute enthemmt? Möglicherweise hilft dabei ein Pilotversuch in Offenbach, am Samstag findet eine Party mit 250 Vertretern der Veranstaltungsbranche in der früheren Produktionshalle Fredenhagen statt. Morgens wird auf Corona getestet, abends gefeiert – allerdings kostet das Ticket 145 Euro plus Mehrwertsteuer. Die Veranstalter schreiben: „Es wäre wünschenswert, wenn die Tests in naher Zukunft unter 20 Euro liegen würden, das setzt aber eine Subventionierung durch die Politik voraus.“ Ist das also eine Option für den Kölner Kneipenkarneval? Rabe sagte: „Bis zum 11.11. sind noch vier Monate Zeit. Ich glaube, bis dahin wird das mit einem negativen Testergebnis oder einem Scanverfahren gehen.“ Zuletzt hatte Fußball-Bundesligist Union Berlin seine Pläne präsentiert, in einem vollen Stadion zu spielen, wenn die Fans negativ getestet worden sind.

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Allerdings: In Deutschland hatte sich das Virus nach einer Kappensitzung in Gangelt (Kreis Heinsberg) rasend schnell verbreitet. Virologe Christian Drosten hatte dem „Spiegel“ Ende Mai gesagt: „Wir können uns jetzt schon mal darauf vorbereiten, dass es auch im Herbst und Winter noch keine Kongresse und Konferenzen geben wird.“

Was sagen Künstler und Veranstalter?

„Wir sind ehrlich gesagt still schweigend davon ausgegangen, dass der Elfte Elfte so nicht stattfinden wird“, sagt Mike Kremer von Miljö. „Schön, dass es Ideen dafür gibt, wie es vielleicht doch funktionieren kann.“ Für die Band sei es wichtig, dass alle Jecken sicher feiern und keine leichtsinnigen Dinge passieren, aus denen eine Ansteckungswelle resultiert. „Da wird sich das Festkomitee ganz sicher intensiv mit beschäftigen“, sagt Kremer. „Wenn es ein gutes Konzept gibt, das die Sicherheit der Leute garantiert, dann freuen wir uns darauf.“ Die Ostermann-Gesellschaft organisiert die Sessionseröffnung auf dem Heumarkt, ihr Präsident Ralf Schlegelmilch sagte: „Wir können kurzfristig reagieren, aber keiner hat gerade eine Glaskugel und weiß, was in vier Monaten ist.“