AboAbonnieren

Schäbbige SchönheitWie Touristen die Situation rund um den Kölner Dom wahrnehmen

Lesezeit 4 Minuten
Der Kölner Dom.

Der Kölner Dom.

Die Kölnerinnen und Kölner hadern immer wieder mit dem Bild, das die Stadt rund um den Dom abgibt – Touristen sehen die Sache etwas anders - Großer Ärger bei den Stadtführern.

Die Kölner lieben ihre Stadt. Die Kölner hadern mit ihrer Stadt. Seelisch scheint in Köln alles im Gleichgewicht zu sein. Denn Kölle ist für viele Kölnerinnen und Kölner „en Jeföhl“. Doch das Hadern beginnt, wird der Blick gerade im Domumfeld auf die nicht wenigen unschönen Flecken gerichtet wird. Pinkel-Ecken, Drogenexzesse, professionelles Betteln, Obdachlosigkeit - um nur ein paar wenige Probleme anzusprechen. Einen Höhepunkt erreichte das Hadern im vergangenen Jahr, als Kölner Stadtführer gegen die „Verwahrlosung der Domumgebung“ ihre Stimmen erhoben. Baustellen, überquellende Mülleimer und irreführende Absperrungen würden bei Stadtführungen zu vielen negativen Rückmeldungen seitens der Touristen führen.

Gegenmaßnahmen gab es reichlich: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker berief einen Domkümmerer ins Amt. Der geht nun in den Ruhestand. Bleibt noch ein 2023 auf die Agenda gesetzter 10-Punkte-Plan fürs Domumfeld. Mit ihm sollten Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung im Schatten der Kathedrale voranschreiten. Doch was von alledem hat Früchte getragen? Sind die Stadtführerinnen und -führer nun besänftigt? Und das wichtigste: Wie wirkt Köln mittlerweile auf die Besucher, die Touristen?

Bimla Devi und Ruksha Mistry aus England.

Bimla Devi und Ruksha Mistry aus England.

Clara Bellamy aus Frankreich hat es sich auf dem Roncalliplatz gemütlich gemacht. In Ruhe genießt sie ihr Brötchen und blickt direkt auf den Dom. Links neben ihr die Baustelle am Dom-Hotel und rechts neben ihr die Sperrgitter am Römisch-Germanischen-Museum. „Man muss sich auf die schönen Monumente fokussieren“, sagt die 21-jährige schmatzend. Ihr gefällt, was sie sieht, solange man nur geradeaus schaut.

Frontal auf den Dom schauen auch Bimla Devi und Ruksha Mistry aus England, die gerade auf die Bimmelbahn warten. Sie sind ebenso begeistert. „Verglichen mit den Reihenhäusern in Yorkshire ist die Architektur rund um den Dom einzigartig“, berichtet Devi. Sie findet, dass die Mischung aus alten und neuen Gebäuden der Stadt Charakter verleiht. Derweil beschreibt Ashley Dongmo aus Kamerun ihre ersten Eindrücke auf der Domplatte als „antik, lebendig und sehr sauber“.

Ashley Dongmo aus Kamerun.

Ashley Dongmo aus Kamerun.

In puncto Sauberkeit sind sich auch die Vereine Kölner Stadtführer und Guides Köln einig, dass es Verbesserungen gegeben hat. Die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln (AWB) kommen mittlerweile häufiger, um die Domumgebung zu reinigen, und auch die Domtiefgarage wurde vor ungefähr einem Monat gesäubert. Jedoch relativiert die Stadtführerin Ilona Priebe: „Der Anblick rund um den Dom ist immer noch erbärmlich“. Die Vorsitzende von Guides Köln nimmt die vielen Baustellen als besonders störend wahr. Schon mehrmals musste sie ihre Routen ändern, damit die Touristen nicht enttäuscht von der Führung sind.

Trotzdem erhalte sie regelmäßig negative Rückmeldungen, die über zu viel Lärm und Schmutz klagen. Die Meinung teilt auch der Vorstand der Kölner Stadtführer. Die Domumgebung sei „unentspannt, chaotisch und des Domes unwürdig“. Rundgänge seien trotz Audiosystem eine Herausforderung, und den Besuchergruppen falle es oftmals schwer, sich für wenige Minuten zu konzentrieren.

Obdachlosigkeit in der Innenstadt, hier am Breslauer Platz.

Obdachlosigkeit in der Innenstadt, hier am Breslauer Platz.

Im Kontrast dazu steht das Statement von KölnTourismus-Geschäftsführer Jürgen Amann. Er behauptet: „Das Feedback, welches seitens unserer Gäste aufläuft, ist unisono positiv“. Dauerhafte Knipsgeräusche und posierende Menschen scheinen diesen positiven Eindruck zu unterstützen. Der Dom, der Rhein sowie die Altstadt erregen so viel Aufmerksamkeit, dass weniger schöne Ecken in den Hintergrund rücken. Das bestätigen auch Doug und Diane aus den USA. „Solche Probleme gibt es in jeder Großstadt, wir interessieren uns nur für die Sehenswürdigkeiten“, erklärt Diane aus Washington. Anders sehen das die Französin Bellamy und der Niederländer Camiel. Beide finden die Schildergasse unästhetisch und bevorzugen die engen Gassen der Altstadt. Camiel betont: „Es kommt eben darauf an, wo man ist“.

Domumgebung: Lärm, Dreck und Gestank

Neben Lärm und Dreck gibt es noch ein weiteres Problem: Gestank. „Der gesamte öffentliche Raum, vor allem in direkter Domnähe, wird als Urinal missbraucht“, klagt der Vorsitz der Kölner Stadtführer. Mehr öffentliche Toiletten seien demnach wünschenswert. Wünschen würden sich das auch die Touristen Devi und Mistry, die - abseits von dem langen Anstehen an den öffentlichen Toiletten - keine schlechten Erfahrungen gemacht haben.

So kann das Urteil der Touristen über Köln bei ihrem Kurztrip durch die Domstadt vielleicht am besten mit einer Zeile aus dem Lied der Kölsch-Rocker Kasalla, „Stadt met K“, zusammengefasst werden: „Se is kein Modell, äwwer süht joot us“. So kommt Köln zumindest bei den Tagestouristen rüber, die oft nicht die Zeit für den kritischen Blick mitbringen. Bei denen, die von Berufs wegen genauer hinschauen, ist der Wunsch ungebrochen, dass sich das Domumfeld mehr herausputzen muss, um „joot us ze sin“ - ein Modell muss die Stadt ja nicht gleich werden.