Angesichts zunehmender Gewaltbereitschaft in Kölner Krankenhäusern prüfen Kliniken den Einsatz von Bodycams zur besseren Beweissicherung und Deeskalation.
Gewaltsame ÜbergriffeBodycams sind auch in Kölner Kliniken denkbar

Die Notaufnahme am Krankenhaus in Merheim hat immer wieder mit Übergriffen zu tun.
Copyright: Meike Böschemeyer
Bodycams gehören seit Jahren zur Ausrüstung der Polizei, mittlerweile sind auch Zugbegleiter der Deutschen Bahn, Mitarbeitende des Ordnungsamtes und der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) mit ihnen unterwegs. Die sichtbar getragenen Videokameras sollen das Einsatzgeschehen dokumentieren und eine spätere Strafverfolgung erleichtern. Bodycams könnten auch für Klinikmitarbeitende ein Mittel der Gewaltprävention sein, sagte nun, wie kürzlich berichtet, NRW-Innenminister Herbert Reul. In Betracht gezogen wird der Einsatz auch an Kölner Krankenhäusern. „Der Einsatz von Bodycams kann eine weitere Möglichkeit sein, Situationen zu entschärfen und nach Vorfällen zur Beweissicherung hilfreich zu sein, wir beobachten und bewerten die Entwicklung seit einiger Zeit“, sagte Prof. Dr. Axel Goßmann, Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln, auf Nachfrage der Rundschau. Eine aktuelle Entscheidung zum Einsatz dieser Kameras stehe bei den städtischen Kliniken noch nicht an.
Übergriffe von Patientinnen und Patienten oder deren Angehörigen gehört bundesweit für Teile des Krankenhauspersonals zum beruflichen Alltag, insbesondere in der Notfallversorgung: So sind 97 Prozent des Personals in der Notaufnahme schon einmal von Patientinnen und Patienten verbal, 87 Prozent sogar körperlich attackiert worden. Jeder dritte Beschäftigte fühlt sich durch Übergriffe stark belastet. Das schreibt die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) in ihrem neuen Ratgeber für Beschäftigte zu „Gewalt und Gewaltprävention im Krankenhaus“. 2024 wurden in NRW in rund 300 Krankenhäusern 1256 Gewaltdelikte angezeigt, zehn Jahre zuvor waren es nur halb so viele.
Zunehmende Verrohung gegenüber Einsatzkräften
„Die zunehmende Verrohung bis hin zur Gewaltbereitschaft gegenüber Bediensteten der Ordnungsbehörden und den Rettungsdiensten bemerken wir bei den Kliniken der Stadt Köln auch seit einigen Jahren in den Notaufnahmen unserer Krankenhäuser Holweide, Merheim und im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße“, berichtet Geschäftsführer Goßmann. Aber auch auf den Stationen oder an den Empfängen sei eine erhöhte Aggressivität gegenüber dem Personal wahrnehmbar.„ Die Respektlosigkeit bis hin zu Aggressivität gegenüber unseren Beschäftigten der Medizin, der Pflege und anderem Personal nimmt spürbar zu. In diesen Situationen ist es besonders erschreckend, dass unser Personal – das ja in Notsituationen körperlicher Erkrankungen helfen will – grob angesprochen oder sogar körperlich angegangen wird“, so Goßmann weiter.
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Der Einsatz von Bodycams kann eine weitere Möglichkeit sein, Situationen zu entschärfen und nach Vorfällen zur Beweissicherung hilfreich zu sein.
Einen Anstieg grundsätzlicher Gewaltbereitschaft kann auch Hilmar Dehne, Leitender Arzt der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Cellitinnen-Krankenhaus der Augustinerinnen, eindeutig bestätigen. „Wir sehen eine deutlich gestiegene Gewaltbereitschaft unserer Patienten dem Personal in der ZNA gegenüber, bei der häufig die Polizei hinzugezogen werden muss“, so Dehne. Ein Blick auf die Einsätze der Kölner Polizei bestätigt es: Das Erscheinen der Polizei in den Kölner Krankenhäusern ist ganz alltäglich, oft müssen die Beamten gleich mehrfach täglich anrücken. Nicht immer ist jedoch Gewalt der Grund. „Diebstahl, Belästigung, Hausfriedensbruch“, zählt ein Beamter die Einsätze eines einzigen Tages im Severinsklösterchen auf. Die Polizei sucht auch Opfer von Unfällen im Krankenhaus auf oder wird bei einer unklaren Todesursache hinzugerufen.
Uniklinik bietet Deeskalationstrainings an
Nicht nur der Draht zur Polizei ist kurz, einige Krankenhäuser haben auch einen privaten Security-Dienst engagiert. „Die Präsenz von Security-Bediensteten sorgt für eine mögliche Deeskalation und Sicherheit im Vorfeld und das auf dem gesamten Klinikgelände“, sagt etwa Axel Goßmann. Zudem seien die Zugänge der Notaufnahmen der Kliniken nicht mehr offen zugänglich, um die Sicherheit für Patientinnen, Patienten sowie die Beschäftigten zu erhöhen. „Besonders nachts und an den Wochenenden sind viele Betrunkene in den Notaufnahmen, da ist das Klinikpersonal froh um jeden Security“, berichtet ein Recruiter, der Sicherheitsdienstmitarbeitende an Kliniken vermittelt, der anonym bleiben möchte. „Security im Gesundheitswesen ist eine immer weiter wachsende Branche.“
An der Uniklinik Köln wird der Einsatz von Bodycams zwar aktuell noch nicht diskutiert, aber auch dort überprüft man regelmäßig, wie die Sicherheit der Beschäftigten erhöht werden kann. „Nach zunehmenden Angriffen auf Beschäftigte der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik Köln gibt es dort seit rund anderthalb Jahren einen eigenen Sicherheitsdienst. Seitdem hat sich die Situation verbessert“, sagte ein Sprecher der Uniklinik auf Nachfrage. „Seit vielen Jahren bieten wir unseren Beschäftigten zudem Deeskalationstrainings an. Die Teilnehmenden der Seminare lernen dabei, auf körperliche und verbale Gewalt kontrolliert zu reagieren und sich selbst zu schützen.“
Dachverband spricht von „sehr schwerwiegender Schutzmaßnahme“
Auch in Merheim und Holweide werden Maßnahmen im Rahmen des Arbeitsschutzes ergriffen, wie zum Beispiel das Angebot von Selbstverteidigungskursen für das Personal. Ein von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) entwickelte Handlungsleitfaden schlägt neben internen Schulungen weitere Maßnahmen für Klinken vor, dazu gehören etwa Alarmknöpfe, Kameraüberwachung im Wartebereich oder bruchsicheres Glas. Nach Übergriffen gehören auch Seelsorge und Traumabewältigung für das Personal dazu.
„Wenn eine Krankenhausleitung Bodycams bei den Klinik-Beschäftigten einsetzen will, dann ist dies aus Sicht der KGNW im Rahmen der angestrebten Gewaltprävention eine sehr schwerwiegende Schutzmaßnahme, auch um Personalabwanderung zu verhindern“, sagt ein Sprecher der KGNW im Gespräch mit der Rundschau. „Im Gegensatz zu normalen Überwachungskameras verändert ihr Einsatz die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit Patientinnen und Patienten oder deren Angehörigen. Im Falle einer Eskalation müssen sie aktiv entscheiden, wann sie ihrem übergriffigen Gegenüber das Einschalten der Bodycam ankündigen.“ Krankenhäuser sollen laut Innenministerium unter der Berücksichtigung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten transparente Konzepte erarbeiten, wann und unter welchen Umständen die Kameras eingeschaltet werden dürfen. Der Dachverband sei gespannt auf Erfahrungen von Kliniken - auch, ob eine sichtbare Bodycam das Verhältnis zu den Patientinnen und Patienten grundlegend verändere. „Erst mit einer Evaluation lässt sich bewerten, ob der Einsatz empfehlenswert wäre“, heißt es von der KGNW.