Ein 16-jähriger Niederländer stellt sich nach der Explosion in der Kölner Disko „Vanity“. Fahndungsfotos führten zur Selbstanzeige.
Fahndungsfotos16-Jähriger stellt sich nach Explosion vor Kölner Disko „Vanity“

In den Scherben des Club-Eingangs sicherten die Ermittler Spuren.
Copyright: Costa Belibasakis
Ein halbes Jahr nach einer Explosion vor dem Eingang der Kölner Diskothek „Vanity“ auf dem Hohenzollernring hat sich ein Verdächtiger gestellt. Der 16 Jahre alte Niederländer war bereits am vergangenen Donnerstag mit einer Anwältin im Polizeipräsidium Köln erschienen, teilte die Polizei am Montag mit. Auslöser dafür seien offenbar die verbreiteten Fahndungsfotos aus einer Videobeobachtung gewesen. „Die Polizei hatte zuvor bereits starke Hinweise auf den Verdächtigen“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Über seine Anwältin habe der Verdächtige zugegeben, an dem Explosionsgeschehen beteiligt gewesen zu sein. Im Übrigen habe er sich auf sein Schweigerecht berufen. Der Jugendliche sei zur Tatzeit noch 15 Jahre alt gewesen und stehe bereits seit einiger Zeit im Fokus der Ermittler, so die Polizei.
Die Beamten überprüfen laut Kölner Staatsanwaltschaft auch, ob der Ort des Brandanschlages möglicherweise eine Verwechslung gewesen ist und im Zusammenhang mit der Explosionsserie eigentlich ein anderes Ziel von den Drahtziehern geplant war.
Explosion in Köln: Haftbefehl erlassen
Gegen den 16-Jährigen habe das Amtsgericht Köln einen Haftbefehl erlassen wegen des dringenden Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, der gefährlichen Körperverletzung und wegen Sachbeschädigung. Das Gericht habe den Vollzug des Haftbefehls gegen Auflagen jedoch ausgesetzt. Dies sei geschehen, weil der Verdächtige noch sehr jung sei und sich zudem freiwillig gestellt habe. Außerdem habe er in den Niederlanden einen festen Wohnsitz. „Wir waren mit der Entscheidung des Amtsgerichtes einverstanden“, ergänzte Bremer. Ansonsten hätte die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt.
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Der Verdächtige muss sich nun jede Woche bei der örtlichen Polizeidienststelle melden. Den genauen Wohnort in den Niederlanden nannten die Ermittlungsbehörden aus Sicherheitsgründen nicht. Bei der Explosion war eine Reinigungskraft am Trommelfell verletzt worden. Die Reinigungskraft hatte sich nach dem Vorfall mit einem Sprung von einer Brücke das Leben genommen. Eine Verbindung zu der Explosion sehen die Ermittler nicht. „Die Obduktion hat keine Hinweise auf eine Fremdeinwirkung ergeben“, sagte Bremer. Ein Todesermittlungsverfahren sei vor der Einstellung.
Köln: Auch für Explosion in der Ehrenstraße verantwortlich
Kripochef Michael Esser geht davon aus, dass junge angeworbene Straftäter auch für die Explosionen vor der Disko „Vanity“ auf dem Hohenzollernring und Tage später vor dem Modegeschäft „LFDY“ an der Ehrenstraße verantwortlich sind. Laut seinen Angaben würden Täter in den Niederlanden auf kriminellen Online-Plattformen Menschen für Sprengstoffanschläge oder andere Straftaten suchen und finden. Das Phänomen nennt sich laut Esser „Violence as a service“ – Gewalt als Dienstleistung. Die Polizei nennt es auch „Verbrechen auf Bestellung“. „Die Täter kennen in der Regel den Auftraggeber und die Hintergründe der Tat nicht und erhalten später über Mittelsmänner eine Entlohnung“, so Esser. Diese Sprenger in der organisierten Drogenkriminalität werden nach Beobachtung der Polizei immer jünger. „Die sind alle 20, 24, 25 Jahre alt. Und das ist neu, das macht mir Sorgen“, sagte der NRW-Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Oliver Huth. „Es gibt da ein Täterspektrum in der organisierten Kriminalität, das sehr jung ist und gleichzeitig absolut brutal. Diese Täter wollen sich schnell in den Markt bringen, in Hierarchien aufsteigen, und dafür sind sie bereit, praktisch jedes Risiko einzugehen. Das macht mir an diesem Kölner Sachverhalt Sorgen.“
Auch die internationale Polizeibehörde Interpol äußerte sich zu dem Phänomen. Die Drahtzieher suchen ihren Nachwuchs gezielt in sozialen Medien und sprechen 13- bis 17-Jährige an. Ob der zur Tatzeit 15-Jährige auch für den Brandanschlag auf das „Vanity“ bezahlt wurde, soll nun ermittelt werden.