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Karneval auf Zülpicher StraßeGeschäftsleute bekommen keine Entschädigung für Ausfälle an Karneval

Lesezeit 4 Minuten
Die Spuren der Feierei: Blick auf den Friseursalon „Level Up“ am 21. Februar 2024.

Die Spuren der Feierei: Blick auf den Friseursalon „Level Up“ am 21. Februar 2024.

Stadtdirektorin Andrea Blome hatte den Geschäftstreibenden nach dem Straßenkarneval Hoffnung auf Entschädigung gemacht. Jetzt ist klar: Es wird keine Zahlungen geben.

Von den Schäden an ihrem Second-Hand-Laden erfuhr Eva Unverdross im Urlaub. Über die Karnevalstage hatte sie ihr Geschäft auf der Zülpicher Straße wegen des zu erwartenden Andrangs auf der Feiermeile geschlossen und vebrachte die freie Zeit in den Niederlanden. „Auf einem Foto in der Presse haben wir gesehen, dass unsere Markise abgerissen wurde“, erinnert sie sich. Später stellte sich heraus: Auch die Klingelanlage fiel dem jungen Partyvolk zum Opfer. Viele Gewerbetreibende erlebten im Frühjahr ähnliche Vorfälle: beschädigte oder verschmutzte Fassaden oder sogar zerstörte Fensterfronten. Nachdem Stadtdirektorin Andrea Blome sich schnell offen dafür gezeigt hatte, den Betroffenen unter die Arme zu greifen, währte die Hoffnung auf Entschädigung bei den Geschäftsleuten über ein halbes Jahr. Jetzt steht fest: Es wird keine Entschädigung geben.

Die Klingelanlage auf der Zülpicher Straße fiel den Feiernden zum Opfer.

Die Klingelanlage auf der Zülpicher Straße fiel den Feiernden zum Opfer.

Doch der Reihe nach: Eva Unverdross hatte tatsächlich selbst einen großen Anteil daran, dass der Stein möglicher Entschädigungen überhaupt ins Rollen gekommen war. Beim „Stadtgespräch“ von WDR 5 in der Unimensa saß sie am Tag nach Aschermittwoch im Publikum. „Feiermeilen im Ausnahmezustand“ lautete das Thema, zu dem Unverdross sich zu Wort meldete. Sie berichtete von ihrer Wut über Verdienstausfälle, abgetretenen Kacheln von der Hauswand und eine ganze Woche, die sie ihren Laden karnevalsbedingt schließen musste. „Muss man das nicht entschädigen?“, richtete die Moderatorin die Frage an Blome, die sich durchaus offen zeigte. „Damit müssen wir uns beschäftigen“, sagte die Stadtdirektorin. „Wir müssen in den Dialog kommen. Sie müssen uns sagen, was passiert, was gewesen ist. Da müssen Zahlen, Daten, Fakten auf den Tisch.“ Der Mitschnitt ist online weiterhin abrufbar.

Karneval in Köln: Über ein halbes Jahr Stillstand nach dem Dialog

Und tatsächlich entstand ein Dialog. Der ging so weit, dass das Ordnungsdezernat Mitarbeiter bei den betroffenen Läden vorbeischickte und die Schäden begutachten ließ. Den Antrag auf Entschädigung schickte Unverdross schließlich wenige Wochen nach Aschermittwoch an die Stadt. Gut 5000 Euro kamen in ihrer Rechnung zusammen. „Wir hatten wirklich Hoffnung, dass uns geholfen wird“, sagt sie. Doch dann begann das Warten. Und lange Zeit passierte nichts. Bis sie in der vergangenen Woche ihren Briefkasten öffnete und darin endlich eine Nachricht der Stadt fand. Mit einer Absage.

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Auf Anfrage der Rundschau teilt die Stadt mit: „Nach sorgfältiger Analyse und Überprüfung sämtlicher Unterlagen und relevanter Gesetzesvorschriften ist die Stadt Köln zu dem Ergebnis gelangt, dass keine rechtliche Grundlage für die von Gewerbetreibendenden geltend gemachten Ansprüche besteht. Somit sind deren Ansprüche als unbegründet zurückzuweisen.“ Freiwillige Leistungen seien aufgrund der Haushaltssituation der Stadt Köln „leider nicht möglich“. Neun Gewerbetreibende mit einer Gesamtforderung von 37.053,12 Euro hätten sich laut Stadt gemeldet.

Friseursalon „Kastenbein & Bosch“: Fassade beschmiert, Elekronik herausgerissen

Bei den Geschäftsleuten stößt die Nachricht auf Unverständnis. Auch Thiemo Eisner rechnet in den kommenden Tagen mit einer schriftlichen Absage. Eisner ist Betriebsleiter des Friseursalons „Kastenbein & Bosch“ auf der Zülpicher Straße. Feiernde hatten im Straßenkarneval die Fassade des Geschäfts beschmiert, ein Firmenschild zerbrochen und die Elektronik der Leuchtreklame herausgerissen. Knapp 20.000 Euro Kosten listete Eisner in seinem Entschädigungs-Antrag auf. „Die Stadt hätte die Entschädigungsmaßnahmen gar nicht erst ankündigen dürfen“, sagt er jetzt. Was er nicht verstehe: Die Stadt investiere „Unsummen“ in Entlastungsmaßnahmen für die Zülpicher Straße. Damit meint er die Ausweichfläche auf der Uniwiese oder die Bühne auf dem Hohenstaufenring. Die Entschädigungsforderungen seien dagegen Kleinkram, für den aber kein Geld mehr übrig sei.

Thiemo Eisner vor dem Friseursalon „Kastenbein & Bosch“.

Thiemo Eisner vor dem Friseursalon „Kastenbein & Bosch“.

Für viele der Geschäftstreibenden ist aber genau dieser Kleinkram von großer Bedeutung. Das Minus aus Verdienstausfällen der Karnevalstage sei zusammen mit den Schäden so hoch wie die Jahreskosten für einen Auszubildenden, rechnet Eisner vor. Knifflig sei auch die Entscheidung, die Schäden vollständig zu beseitigen oder nicht. Die feiernden Massen kämen schließlich wieder.

Elfter Elfter 2024: „Den Laden komplett verrammeln und aufs Beste hoffen“

Seit 2004 gibt es den Friseursalon, seit 2015 ist Eisner mit dabei und beobachtet die Entwicklung im Karneval auf der Zülpicher Straße mit Sorge: „Es wird immer mehr und immer intensiver. Mit Karneval hat das schon lange nichts mehr zu tun“, sagt er. „Wenn die Stadt sagt, wir könnten an diesen Tagen trotzdem aufmachen, dann ist das lächerlich.“ Allein der Fakt, dass die Stadt Einlassbändchen für Gewerbetreibende und Anwohner verteile, suggeriere, dass nicht jeder Kunde einfach so Zugang zum Viertel habe. Auch abseits der Zülpicher Straße sinken die Umsätze an den Karnevalstagen in vielen Läden, das ist auch Eisner bewusst. „Doch wir können einfach nicht damit kalkulieren, dass wir jedes Mal wieder eine ganze Woche schließen müssen. Wir wollen einfach nicht die Verlierer des Karnevals sein.“

In dreieinhalb Wochen, am Elften Elften, wird die Zülpicher Straße erneut von Zehntausenden, zumeist jugendlichen Feiernden überflutet. Und wieder werden die Geschäftsleute nicht viel gegen den Ansturm ausrichten können. Eisners Vorgehen: „Den Laden komplett verrammeln und aufs Beste hoffen.“