Köln – Nachmittags um 15 Uhr ging gar nichts mehr. Erstmals an einem Sessionsauftakt mussten Polizei und Ordnungsamt in diesem Jahr die Reißleine ziehen: Sie verhängten eine „Personensperre“ für die zu diesem Zeitpunkt schon seit Stunden proppenvolle Zülpicher Straße. Sprich: Niemand wurde mehr hineingelassen, obwohl der Andrang natürlich immer noch groß war. Denn die Zülpicher ist nun mal gerade für junge Leute immer noch der Magnet, die Straße, auf der besonders an Karneval abgefeiert wird bis zum Abwinken.
„Die haben ja überhaupt keine Hemungen“
Sehr zum Leid der Anwohner, die alljährlich den traurigen Nebenwirkungen des Fastelovends nahezu hilflos ausgesetzt sind. „Die haben ja überhaupt keine Hemmungen – da vorne liegt sogar ein Haufen!“ Ein Mann, der an der Lochnerstraße auf seinen dort wohnenden Freund wartet, ist sichtlich geschockt von dem, was um ihn herum geschieht: Die schöne Seitenstraße der Dasselstraße, die diese mit dem Rathenauplatz verbindet und in unmittelbarer Nähe zur Zülpicher Straße und dem Kwartier Latäng liegt, wird mitten am Tag und völlig ungeniert von Scharen von jungen Leuten als öffentliche Toilette missbraucht. Nahezu in jeder Einfahrt finden sich alkoholisierte Personen, die sich gerade an einer Wand, im Gebüsch oder über einer Mülltonne hockend erleichtern.
Da ist es schon fast verwunderlich, wie gelassen Anwohner Andreas Arnolds das Treiben kommentiert: „Das war wohl ein Gartenstuhl der Schule“, fährt es fast schon beiläufig aus ihm heraus, als er gerade mit einem Einkauf vom Supermarkt im Arm versucht, nach Hause zu kommen. Er meint damit das laute Knacken im Garten der dort gelegenen Stephan-Lochner-Schule. Wenig später sieht man an dieser Stelle eine in einem Plüschtierkostüm steckende junge Frau dort liegen. Unter lautem Gejohle erhält sie von zwei Freundinnen Hilfe beim Aufstehen.
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„Gefühlt wird es jedes Jahr schlimmer. Hinzu kommt, dass wir diesmal auch noch Samstag haben.“ Damit spricht Arnold die Befürchtungen an, die viele Anwohner aufgrund ihrer Erfahrungen im Vorjahr, als 40 000 Feiernde das beliebte Studentenveedel aufsuchten, im Vorfeld gegenüber der Stadt und den Sicherheitsbehörden äußerten (wir berichteten). „Selbst Freunde, die eigentlich richtige kölsche Frohnaturen sind, meinen, dass es so schlimm ist wie noch nie“, so Arnold weiter. Er beklagt vor allem, dass die Hemmschwellen immer weiter sinken, dass man viel mehr angepöbelt werde als früher. Er sehe darin jedoch ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Weit weniger negativ wird der hohe Andrang natürlich von den meisten Feiernden wahrgenommen. „Die Stimmung ist einfach toll, auch wenn es wirklich sehr voll ist“, so Melanie (21) aus Remscheid. Gemeinsam mit ihren Freundinnen hatte sie sich für ein sportliches Gymnastik-Outfit in schreienden Neonfarben entschieden. Und auch Niclas und David, die als Panzerknacker unterwegs sind, haben ihren Spaß. „Hier ist ja die Hölle los“, jubeln die Freunde.
Die Hölle los ist auch im Penny-Markt an der Dasselstraße – sehr zum Gefallen von Emre Bicakcioglu. „Es ist viel, viel mehr los als im letzten Jahr. Da hatten wir ja erst kurz vorher geöffnet, weswegen wohl vielen noch nicht klar war, dass wir hier sind“, so der Bezirksleiter. Probleme mit aggressiven Kunden habe er nicht („Das sind ja überwiegend Studenten, die sind immer friedlich.“). Auf zusätzliche Security-Mitarbeiter verzichtet er an diesem Tag aber dennoch nicht.