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Neue Schau im Kölner NS-DokFür manche jüdische Karnevalisten blieb nur der Selbstmord

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Rundgang: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit Dr. Henning Borggräfe, Direktor des NS-Dok in der neuen Ausstellung.

Rundgang: Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit Dr. Henning Borggräfe, Direktor des NS-Dok in der neuen Ausstellung.

Im NS-Dok der Stadt Köln eröffnet eine bemerkenswerte Schau. Erstmals wird das Wirken und Leben jüdischer Karnevalistinnen und Karnevalisten in Köln gezeigt. Zum Teil mit dramatischem Ende.

Kurz nur hatte Dr. Henning Borggräfe überlegt, die sechs Monate lang ausgearbeitete Ausstellung „Schalom und Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval“ mit Blick auf die weltpolitische Lage abzusagen. Doch dann hat sich der Direktor des NS-Dokumentationszentrums am Appelhofplatz anders entschieden. „Gerade in dieser Situation ist es wichtig, die Bedeutung der jüdischen Menschen für die Stadtgesellschaft herauszustellen“, betont Borggräfe. Am heutigen Dienstag wird die Schau eröffnet.

Es gibt sie, die Aufnahmen von unbeschwertem Karnevalstreiben, für das der „Kleine Kölner Klub“, Kölns erster jüdischer Karnevalsverein in den 1920er Jahren, und viele andere Protagonisten gesorgt haben, bevor die Nationalsozialisten die Macht ergriffen. Doch auch im Karneval wird die Verfolgung jüdischer Menschen zum mehrheitlich beschlossenen Handlungsmuster. „Nichtarier können nicht Mitglied der Gesellschaft werden“, beschließen die Roten Funken Ende 1935 und nehmen den Ausschluss von Juden in ihre Satzung auf. Das erlebt die gefeierte Büttenrednerin Gerti Ransohoff (Foto) schon nicht mehr, die Frau eines jüdischen Textilhändlers nimmt sich 1932 das Leben, weil sie die Anfeindungen gegen jüdisches Leben nicht mehr erträgt.

Schau beendet das Karnevalsjubiläum

Wenige Tage vor Beginn der neuen Karnevalssession bildet die Ausstellung im NS-Dok den kulturhistorischen Abschluss der Feierlichkeiten zu 200 Jahre Kölner Karneval. Der Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel hat für ungeahnte und unliebsame Popularität der Thematik gesorgt. „Das war der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das Thema so schnell an Relevanz gewinnt“, gesteht Borggräfe. Und auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist beim Rundgang durch die Hallen ganz im Hier und Jetzt. „Jeder antisemitische Angriff ist auch ein Angriff auf unsere Zivilgesellschaft“, stellt sie fest.

Der Straßenkarneval wird dargestellt, das Leben und Wirken jüdischer Künstlerinnen und Künstler, allen voran Kabarettist Hans Tobar und Max Salomon, Gründer und Präsident des 1924 gegründeten jüdischen Karnevalsvereins. „Die Mischung aus Heiterkeit und Ernst war uns wichtig. Herzstück der Ausstellung ist die Galerie mit Bildern und Lebensdaten von 70 Menschen aus dem Karneval“, sagt Kuratorin Dr. Annemone Christians-Bernsee, zugleich Vize-Direktorin des NS-Dok. Unterstützung erhielt sie von Historiker Dr. Marcus Leifeld und Aaron Knappstein, Präsident der Kölschen Kippa-Köpp, dem aktuell einzigen jüdischen Karnevalsverein in Köln.

Appell an Kölner Karnevalsvereine

Noch am Sonntag hatte Knappstein auf dem Roncalliplatz mit 500 Menschen aus Köln für „Solidarität mit Israel“ demonstriert. „Präsenz zeigen ist wichtig. Auch aus dem Karneval heraus passiert das immer noch zu wenig“, bemängelt er. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn wird bei der Ausstellungseröffnung sprechen, der karnevalistische Dachverband hat die Schau finanziell stark unterstützt. „Karnevalisten haben eine besondere Verantwortung, aber auch besondere Möglichkeiten und dass Potenzial für niederschwellige Integration“, stellt Kurator Leifeld fest.

Viele Biografien jüdischer Menschen im Karneval wurden für die Ausstellung erforscht. Die Schau soll ein Prozess sein, darauf legen die Macherinnen und Macher wert. „Wir suchen immer noch familiäre Nachlässe und Fotos, um die Ausstellung anzureichern“, sagt Christians-Bernsee. Bevor im Nationalsozialismus einst Persiflagewagen mit antisemitischen Darstellungen beim Rosenmontagszug durch Köln rollten, waren Jüdinnen und Juden in vielen Vereinen vertreten. Dokumentiert wird auch der Exil-Karneval, den jüdische Familien nach ihrer Flucht in Tel Aviv oder Los Angeles etabliert haben. Noch nach Kriegsende fanden dort Rheinische Abende statt.