Der Soziologe Prof. Dr. Peter Graeff (Universität Kiel) hat im Auftrag der Stadt Köln den Skandal um den Bau der Messehallen 2003-2005 wissenschaftlich untersucht.
Wie berichtet, hält die Kämmerei seine im Februar vorgelegte Studie unter Verschluss.
Eine Veröffentlichung sei „aus Schutz der Persönlichkeitsrechte der im Gutachten angesprochenen Personen nicht möglich“. Mit Graeff sprach Michael Fuchs.
Köln – Sie sind ein Experte für Korruptionsforschung. Hat Sie die Dimension des Kölner Messe-Skandals überrascht?
Was die Komplexität der Prozesse betrifft, war das für mich etwas vollkommen Neues. Es geht hier um ein gigantisches Interessenskonglomerat – ein Knäuel, das sich vermutlich niemals ganz entwirren lässt. Wir konnten vieles davon aufarbeiten, aber einige offene Fragen bestehen noch.
Ich hatte zwei wissenschaftliche Mitarbeiter – einen Juristen und einen Soziologen. Sie wurden aus dem Budget von 116 000 Euro finanziert. Wir haben festgestellt, dass bisherige Studien zum Thema methodisch relativ einseitig vorgegangen sind. Daher haben wir erstmals eine umfassende Methodik angewendet. Wir haben Dokumente gesichtet, Gerichtsakten gewälzt, Medienberichte ausgewertet und Interviews mit Beteiligten geführt. Aus Zeitgründen haben wir gesagt, wir klammern bestimmte Bereiche aus und nehmen dafür andere besonders gründlich unter die Lupe.
Was sind die wesentlichen Erkenntnisse Ihrer Studie?
Dazu möchte ich mich derzeit noch nicht äußern. Ich stelle meine Ergebnisse nächste Woche in Köln im Finanz- und Rechnungsprüfungsausschuss vor.
Aber nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit – obwohl die Politik beschlossen hatte, dass Ihre Studie veröffentlicht werden soll. Ärgert Sie das?
Ich möchte meine Untersuchung unbedingt veröffentlichen. Das war ja ihr Ziel. Allerdings war von Anfang an klar, dass es zunächst eine juristische Bewertung geben würde, ob eine Veröffentlichung möglich ist. In die vorgelegte Fassung haben wir daher erst mal alles aufgenommen. Nun muss man sehen, in welcher Form diese Fassung überarbeitet werden muss, damit die Persönlichkeitsrechte der handelnden Personen gewahrt werden.
Weil die Stadt sonst möglicherweise verklagt würde?
Man kann zum jetzigen Zeitpunkt mögliche Klagen generell schlecht ausschließen.
Wie lange würde es dauern, eine neue Fassung erstellen?
Mit dem Schwärzen einiger Namen wäre es nicht getan. Das dürfte erfahrungsgemäß etwa sechs Monate dauern.
Die Ratsgruppe Gut möchte, dass Sie Ihre Untersuchung in einer öffentlichen Sondersitzung des Stadtrats präsentieren. Sind Sie dazu bereit?
Selbstverständlich.
Zu den handelnden Personen gehörten seinerzeit etwa Sparkassenchef Gustav Adolf Schröder, Bauunternehmer Josef Esch und viele andere. Konnten Sie mit allen Personen Interviews führen, die Sie angefragt haben.
Nicht mit allen. Einige wesentliche Akteure haben abgelehnt. Wir haben auch nicht alle Unterlagen bekommen, die wir wollten.
Wie bewerten Sie die Rolle der Medien in dem Fall?
Berichte über Skandale sind immer etwas anderes als die tatsächlichen Ereignisse – das zeigt sich aus dem zeitlichen Abstand sehr deutlich, auch in diesem Fall. Es wurden teils Vorwürfe erhoben und Verschwörungstheorien entwickelt, die wir nicht bestätigen können.
Könnte sich so ein Skandal wiederholen?
Schwer zu sagen. Vieles wurde damals unter Zeitdruck entschieden, mit Blick auf den drohenden Wegzug von RTL aus Köln. Zeitdruck ist weiterhin ein Thema, aber es gibt heute in der Öffentlichkeit ein anderes Bewusstsein für Korruptionsfälle. Es stellt sich auch die Frage, ob hier nicht etwas Schlechtes zu etwas Gutem geführt hat? Die Messe steht wirtschaftlich sehr gut da, kümmert sich glaubhaft um das Thema Compliance. Davon profitiert die Stadt Köln.