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Millionen-DealStadt Köln will Nordhallen der Kölnmesse kaufen

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Der Schriftzug der Kölnmesse.

Der Schriftzug der Kölnmesse.

Die Stadt Köln will das Nordgelände der Kölnmesse kaufen. Am 16. Mai soll der Stadtrat den Millionen-Deal absegnen.

Die Stadt Köln will das Nordgelände der Kölnmesse kaufen. Das 163.080 Quadratmeter große Areal gehört der „Grundstücksgesellschaft Köln-Messe 15-18 GbR“, einem früheren Esch-Fonds, an der verschiedene private Investoren beteiligt sind. Die GbR, von der die Messe das Gelände pachtet, ist nach Rundschau-Informationen mittlerweile zu rund 80 Prozent im Besitz der Immobilienfirma RFR Holding GmbH mit Sitz in Frankfurt. Diese wiederum gehört zur US-amerikanischen RFR-Gruppe der beiden deutschstämmigen Immobilien-Investoren Aby Rosen und Michael Fuchs. Weltweit betreut RFR ein Immobilienvermögen in Höhe von rund 16 Milliarden US-Dollar.

2021 hatte RFR einen Großteil der Grundstücksgesellschaft erworben. Als die Stadt Köln davon erfuhr, begann sie, mit RFR über einen Ankauf des Messegeländes zu verhandeln. Anfangs klafften die Preisvorstellungen noch sehr stark auseinander. Dann kam der Krieg in der Ukraine und mit ihm Inflation und steigende Zinsen. Viele Immobilienunternehmen gerieten unter Druck, die Preise sanken. Nun sind sich RFR und Stadt Köln offenbar handelseinig geworden.

Die Stadtverwaltung hat dem Rat vorgeschlagen, am 16. Mai den Kauf des Nordgeländes der Kölnmesse zu beschließen. Es geht nicht um den Kauf von Anteilen an der GbR, sondern um den vollständigen Erwerb der Grundstücke und Gebäude. Stimmt der Rat zu, soll schnellstmöglich die notarielle Beurkundung erfolgen. Der Eigentumsübergang könnte dann bis Mitte dieses Jahres stattfinden. Der Ankauf soll über die eigenbetriebsähnliche Einrichtung „Veranstaltungszentrum der Stadt Köln“ erfolgen. Sie betreibt die Philharmonie, den Gürzenich, die Flora sowie die Rheinterrassen und den Tanzbrunnen. Außerdem befindet sich bereits der größte Teil des südlichen Messegeländes mit den Messehallen 1 bis 5, 10 und 11 sowie dem neuen Kongresszentrum Confex in ihrem Eigentum. Das Südgelände der Messe ist mit insgesamt 226.665 Quadratmetern etwas größer als das Nordgelände.

Wie die Stadt mitteilte, umfasst das zu erwerbende Eigentum neben allen Grundstücken des Messe-Nordgeländes auch sämtliche Aufbauten, insbesondere das Kongresszentrum Nord und die Messehallen 6 bis 9, fünf Verbindungsbauwerke, den Nordeingang, den überdachten Boulevard sowie die Service-Spange vor dem Parkhaus. Wegen der „hohen strategischen und operativen Bedeutung des Messeareals“ für die Kölnmesse und damit letztlich auch für die Stadt Köln als Mehrheitsgesellschafterin der Messe sei „eine Übernahme des Eigentums und damit die uneingeschränkte Verfügungsgewalt von herausragendem Interesse für die Stadt. Auch unabhängig von der Messenutzung ist das Areal wegen seiner zentralen Lage von enormer stadtentwicklungspolitischer Bedeutung.“ Die Kölnmesse gehört zu rund 79 Prozent der Stadt Köln.

Kaufpreis soll 350 Millionen Euro betragen

Nach Rundschau-Informationen beträgt der Kaufpreis 350 Millionen Euro zuzüglich Nebenkosten in Höhe von bis zu 35 Millionen Euro, insgesamt also bis zu 385 Millionen Euro.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte: „Der Ankauf ist in jeder Hinsicht eine gute Investition. Wir holen damit einen wichtigen Baustein des Messegeländes wieder zurück in die Hand der Stadt. Das bietet der Messe langfristige Planungssicherheit, und die Stadt gewinnt die Gestal-tungshoheit über dieses zentral gelegene Grundstück zurück.“

Der aktuelle Pachtvertrag zwischen der GbR und der Messe läuft noch bis zum Jahr 2035. Wenn der Rat zustimmt und der Ankauf klappt, will die Stadt den Pachtvertrag mit der Messe bis 2054 verlängern.

Kölns Stadtkämmerin Dörte Diemert betonte, dass der geplante Kauf den städtischen Haushalt nicht belasten werde. Es würden dafür keine Finanzmittel aus dem städtischen Haushalt benötigt und es müssten dafür auch an keiner Stelle im Haushalt Gelder gekürzt werden. „Wir haben hart verhandelt, um einen guten Kaufpreis zu erzielen, der unter Betrachtung von Vertragslaufzeit, Zinsbelastung und Inflation haushaltsneutral finanziert werden kann“, sagte Diemert. „Die Kölnmesse zahlt zukünftig im Falle des Ankaufs ihre Pacht nicht mehr an einen privaten Investor, sondern an die Stadt. Auf diesem Weg können wir diese strategisch wichtige Investition refinanzieren, ohne dass dadurch der Haushalt der Stadt belastet wird. Das war mir angesichts der schwierigen Haushaltssituation besonders wichtig.“

Ein Schlussstrich unter den Messeskandal

Mit dem Ankauf des Nordgeländes würde die Stadt auch einen Schlussstrich unter den Messeskandal ziehen, der jahrelang die Gerichte beschäftigt hat. 2003 hatte der Stadtrat den Bau der Nordhallen ohne Ausschreibung durch einen Oppenheim-Esch-Fonds finanzieren lassen (siehe Infotext unten). Konkret sah die Gemengelage damals so aus: Stadtspitze und Ratspolitiker wollten den TV-Sender RTL unbedingt in Köln halten. Die Messe brauchte Ersatz für den Verlust der alten Rheinhallen (in die RTL einzog) und wollte ohnehin moderne Hallen. Der Zeitdruck war hoch, die neuen Hallen mussten pünktlich zur Möbelmesse fertig sein. Und mit der Sparkasse Köln und dem Oppenheim-Esch-Fonds und seinen finanzstarken Investoren standen Partner bereit, mit denen die Stadtspitze bereits beim Bau der MMC-Studios in Ossendorf zusammengearbeitet hatte.

Dass die Stadt Köln jetzt zum Zuge kommen kann, dürfte vor allem an der aktuellen Krise der Immobilienbranche liegen, die vielen Investoren bei kreditfinanzierten Projekten Probleme mit der Liquidität bereitet. Die Verhandlungen der Kölnmesse mit der RFR-Gruppe über eine vorzeitige Verlängerung des Pachtvertrags waren zunächst an der Höhe des von RFR geforderten Pachtzinses gescheitert. Auch in den Kaufverhandlungen zwischen Stadt und RFR lag man bei der Preisvorstellung anfangs so weit auseinander, dass die Stadt keine Chance zu haben schien.

Dann wendete sich das Blatt. Die RFR, die vor wenigen Tagen erst eine indirekte Beteiligung am Medienpark in Ismaning bei München verkauft hat, verhandelte auch mit anderen Interessenten über einen Verkauf der Nordhallen und schaltete auch einen Makler ein. Doch letztendlich hat wohl die Stadt Köln das attraktivste Angebot gemacht. Nicht wegen der Höhe des Kaufpreises, sondern weil sie den Kaufpreis schnell auf den Tisch legen kann. Anders als viele Akteure in der Immobilienbranche hat die Kommune derzeit keine Probleme, auf dem Markt Kredite aufzunehmen.

Der Kauf soll sich aus sich selbst heraus finanzieren und sich für die Stadt in deutlich weniger als 30 Jahren amortisiert haben. Die Pacht, die die Messe zahlen muss, beträgt nach Rundschau-Informationen derzeit 24,09 Millionen Euro pro Jahr. Sie soll künftig um die Kosten der von der Messe durchgeführten Gebäudeinstandhaltung reduziert werden - und zwar um 1,53 Millionen auf 22,56 Millionen Euro. Auch in Zukunft soll die Pacht gemäß der allgemeinen Preisentwicklung steigen. Geplant ist ein Vertrag über 30 Jahre mit einer Mindestlaufzeit von 20 Jahren und einem anschließenden Kündigungsrecht für beide Parteien.


Der Kölner Messeskandal

2006 feiert die Kölnmesse die Eröffnung der Nordhallen. Unter dem Druck des drohenden Wegzugs von RTL hat der Stadtrat den Bau 2003 im Schnellverfahren ohne Ausschreibung genehmigt. Auf Vorschlag der Sparkasse Köln finanziert ein Oppenheim-Esch-Fonds das Projekt. 2004 findet die Grundsteinlegung statt. Mit dabei: Bauunternehmer Josef Esch, der 2018 wegen Steuerhinterziehung vom Landgericht Köln zu einer Geldbuße von 100 Tagessätzen zu je 4100 Euro verurteilt wird.

Laut Vertrag soll die Stadt Köln für die Nordhallen 30 Jahre lang 20,7 Millionen Euro Miete jährlich zahlen – viel zu viel, monieren Kritiker. Aufgrund der fehlenden europaweiten Ausschreibung erklärt der EU-Gerichtshof den Vertrag im Jahr 2009 für nichtig, die Miete wird reduziert. 2016 schließen Stadt und Fonds einen Vergleich, der 2018 von der EU-Kommission gebilligt wird. Die Miete sinkt auf zunächst 15,5 Millionen Euro pro Jahr. Den Schaden für den Fonds teilen sich der Fonds und die Stadt. Die Stadt zahlt 57,2 Millionen Euro.

2017 beschließt die Stadt, den Messeskandal wissenschaftlich untersuchen zu lassen. In seiner Studie kommt der Kieler Soziologe und Korruptionsforscher Prof. Dr. Peter Graeff am Ende zu dem Schluss, „dass trotz der Verluste der Stadtsparkasse und der kritischen Prozessabläufe ein erheblicher wirtschaftlicher Erfolg erreicht worden ist“. Die Stadt habe RTL in Köln halten können und den Erfolg der Kölnmesse langfristig sichergestellt. (fu)