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Interview mit Kasalla-Frontmann„Ich hoffe, dass bei AfD-Wählern ein Umdenken einsetzt“

Lesezeit 5 Minuten
Eine Drohnenaufnahme vom Dienstagabend zeigt die beindruckenden Dimensionen der Demo in Köln.

Eine Drohnenaufnahme vom Dienstagabend zeigt die beindruckenden Dimensionen der Demo in Köln.

Kasalla-Frontmann Bastian Campmann spricht über das Zeichen vom Dienstagabend und über die Demonstration am kommenden Sonntag.

Bastian Campmann ist Sänger der Band Kasalla, die Teil der Initiative „Arsch huh“ ist. Am Sonntag wird Kasalla für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Bühne gehen.

Am Dienstagabend hat Köln ein großes Zeichen gesetzt für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Wie habt ihr das in der Band wahrgenommen?

Wir waren Dienstag unterwegs. Wir leben ja gerade in dieser verrückten Parallelwelt, in der wir im Karnevalstreiben auf Tour sind, während draußen solche wichtigen Dinge passieren. Wir hatten Auftritte in der Innenstadt, sind am Heumarkt vorbeigekommen und haben mitbekommen, was dort los war. Als wir dann nachher die Bilder gesehen haben, das hat uns sehr, sehr glücklich gemacht. Auch wenn ich das Wort nicht so mag: Dann ist man sehr stolz auf Köln. Stolz darauf, dass diese Stadt es immer wieder schafft, so eine große Menge Menschen für eine gute Sache zu mobilisieren.

Ist durch das Bekanntwerden dieser Geheimkonferenz, bei der es darum ging, Menschen zu vertreiben, vielleicht so etwas wie ein Wendepunkt entstanden? Mobilisiert sich nun die breite Mitte der Gesellschaft?

Ich hoffe es. Es ist ja zum Glück immer noch so, dass die deutlich größere aber eben auch stillere Mehrheit nicht mit der Politik der AfD konform geht. Hoffentlich hat dieses Treffen von offenkundiger rechtsextremer Menschenverachtung jetzt auch noch die Letzen wachgerüttelt, damit sie nun erkennen, dass dort eine rote Linie überschritten wurde. Ich hoffe auch - selbst wenn das vielleicht naiv ist - dass nun bei denen, die aus Protest und Enttäuschung ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, oder machen wollten, ein Umdenken einsetzt. Auch wenn es immer schwieriger wird, diese Menschen in ihren Blasen zu erreichen.

Sonntag soll nochmals ein Zeichen mit einer großen Kundgebung gesetzt werden, bei der auch Kasalla dabei ist. Was sind Ihre Erwartungen an diese Demonstration?

Wir waren schon ein bisschen überrascht, dass es nun mehrere Demonstrationen an mehreren Tagen gibt. Nach Dienstag könnte ja die Frage aufkommen: Was soll da noch kommen? Aber tatsächlich ist die Demo am Sonntagvormittag für uns eine glückliche Fügung. In der jetzigen Zeit wäre es für uns unter der Woche am Abend nicht machbar gewesen, dass wir uns mit mehreren Bands geschlossen hinter diese Sache stellen und vor Ort sein können. Ich bin auch weit entfernt davon zu sagen, wenn da ,nur' noch 15.000 Menschen kommen ist das eine Enttäuschung. Jede Stimme ist wichtig.

Ist es vielleicht nicht auch gut, wenn der Protest sich über mehrere Tage verstetigt, damit es nicht so wirkt, als hätten sich die Menschen nur einmal aufgebäumt und das war es dann auch wieder?

Absolut. So kann man das sehen. Da ist definitiv was dran.

Was wird am Sonntag auf der Bühne passieren?

Es wird ein gerafftes Programm sein, denn es soll ja nicht ein Konzert werden. Wir werden zwei Lieder von uns spielen. Eko Fresh wird mit uns auf die Bühne kommen. Den haben wir noch mit ins Boot bekommen, so dass wir Jröne Papajeie mit ihm zusammen bringen können. Dann wird es noch ein paar Worte geben. Wir wollen die Dinge, die uns wichtig sind, kommunizieren.

Nun hat Köln am Dienstag wichtige und beeindruckende Bilder in die Republik gesendet, aber dafür ist diese Stadt ja auch durchaus bekannt. Aber wie weit zieht es die Menschen über Köln hinaus auch mit?

Man könnte jetzt sagen: Uns bleibt ja nichts anderes übrig. Wir müssen tun, was wir tun können. Unsere Mittel sind die Worte und die Musik. Und unsere Stadt ist Köln. Hier können wir versuchen, Zeichen zu setzen. Natürlich leben wir in einer Stadt in der das relativ einfach ist. In Görlitz wäre das wohl schwieriger, aber eigentlich noch wichtiger.

Aber erreicht Ihr auch die, die anscheinend so sehr unzufrieden sind mit den bestehenden Verhältnissen, das sie den demokratischen Boden unter den Füßen verlieren?

Auch ich bin gerade vollkommen unzufrieden mit der Ampel-Regierung in Berlin. Die kreist nur um sich selbst und der Bundeskanzler ist unsichtbar. Wahrscheinlich werden am Sonntag auch wieder irgendwelche Politiker dabei sein und Henriette Reker wieder irgendwelche Worte sagen - was ich ehrlich gesagt nicht immer richtig und gut finde. Denn so droht die Veranstaltung in die Falle der Polarisierung zu geraten. Vielleicht müssen wir Demokratie einfach mal wieder neu denken. Sich selbst engagieren. Eine neue demokratische Bewegung in Gang setzen. Aber zu sagen, ich bin mit den jetzigen Verhältnissen, der jetzigen Regierung unzufrieden und darum wähle ich Nazis, das ist, als würde ich mir den Kopf abschlagen, weil ich Kopfschmerzen habe.


Zur Person

Bastian Campmann hat mit seiner Band Kasalla die Karnevalsbühnen im Sturm erobert. Das war vor gut 12 Jahren, doch bis heute hat der Sohn des verstorbenen Räuber-Mitglieds Norbert Campmann jeden Saal gut im Griff. Seit vielen Jahren engagiert sich der 47-Jährige für das Bündnis Arsch-huh, war unter anderem bei den Protesten gegen den AfD-Parteitag im Maritim-Hotel im Jahr 2017 dabei. Die Bedeutung der AfD ist seitdem weiter gewachsen..