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Interview mit Kölns OB„Ich halte eine Impfpflicht nicht für das richtige Mittel“

Lesezeit 6 Minuten

Oberbürgermeisterin Henriette Reker steht am Mittwoch im Rathaus, die gebürtige Kölnerin ist noch bis 2025 im Amt.

Köln – Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) spricht im Interview über den schlechten Ruf von Köln nach dem 11.11., ihren Vorstoß zum Muezzin-Ruf und warum Autofahrer in der Kölner Innenstadt Probleme bekommen..

Frau Reker, im Sommer haben Sie gesagt, die Zeit der Lockdowns sei vorbei, wenn nicht noch eine schlimme Mutation komme. Wie beurteilen Sie es?

Es ist klar, dass wir dieses Virus nie ganz loswerden. Wir sind in Köln gut durch die Pandemie gekommen, trotz aller Einschränkungen. Auch die Hospitalisierungsrate ist gut, das ist trotz hoher Inzidenzzahlen ein gutes Zeichen. Durch Omikron verändert sich die Lage: Weg von der reinen Schwere der Erkrankungen hin zu mehr Ansteckungen, das könnte die kritischen Infrastrukturen bedrohen. Das gilt es zu verhindern.

Aus Berlin sind diese Woche schärfere Maßnahmen ab 28. Dezember angekündigt worden. Reichen die Ihnen?

Die Inzidenzen und die Hospitalisierungsraten sind regional sehr unterschiedlich, das muss beachtet werden. Angesicht der aktuellsten Entwicklungen durch die Omikron-Variante werden weitere Maßnahmen notwendig sein. Wir werden jedenfalls unsere Erkenntnisse aus dem Kölner Infektionsgeschehen auch dem Land zur Verfügung stellen.

Auf den ersten Blick ist das überraschend. Vor zwei Monaten wurde Köln ein Larifari-Umgang mit Corona im Karneval und bei Heimspielen des 1. FC Köln vorgeworfen.

Die unschönen Bilder werden wir nicht mehr los, aber die Faktenlage ist eine andere. Nach dem Heimspiel gegen Mönchengladbach gab es in Verbindung mit dem Spiel zehn Infektionen von Kölnern. Und am 11.11. haben sich Menschen nicht beim Straßenkarneval infiziert, sondern in Innenräumen. Die Landesregierung hätte die Kneipen schließen können, das hat sie nicht getan. Wir haben gesteuert, um ein größeres Infektionsgeschehen zu verhindern. Alles, was wir tun, ist mit der Landesregierung abgestimmt.

Henriette Reker: „Impfpflicht ist nicht das richtige Mittel“

Der Eindruck war: Im Frühjahr forderte Reker „No Covid“, jetzt lässt sie 50 000 Fans ins Stadion.

Das Spiel entsprach den Vorgaben der Coronaschutzverordnung des Landes.

Sie sind Juristin. Wie sehen Sie eine Impfpflicht?

Ich halte eine Impfpflicht nicht für das richtige Mittel. Für Menschen, die mit besonders gefährdeten Gruppen zu tun haben, da finde ich das gut. Aber meiner Meinung nach ist eine generelle Impfpflicht ein sehr starker Eingriff in die Persönlichkeit und manche Leute werden auch lieber das Bußgeld zahlen, das nützt uns dann auch nichts. Alle werden wir nicht überzeugen können, man kann ja niemanden zum Impfen abführen.

Braucht Köln ein dauerhaftes Impfzentrum?

Ich würde mir an einer Stelle ein dauerhaftes Impfzentrum für weitere Impfungen wünschen, ja. Es muss nicht so groß wie das frühere Exemplar an der Messe sein, aber ich wünsche mir, dass wir im nächsten Jahr ein solches Zentrum eröffnen. Wir suchen derzeit einen Standort.

Im Oktober haben Sie ein Pilotprojekt zum Muezzin-Gebetsruf gestartet, das viele emotionale Diskussionen nach sich zog. Ihre Ankündigung kam sehr unvermittelt.

Für mich war das eine natürliche Entwicklung, zumal wir schon länger als ein Jahr mit den Moscheegemeinden gesprochen haben. Es sollte anlässlich des 60-jährigen Bestehens des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens starten. Ich will damit den fast hunderttausend Musliminnen und Muslimen ein Zeichen von Wertschätzung und Achtung übermitteln. Und wir haben das Modellprojekt erst einmal gestartet und damit die Diskussionen eröffnet.

Muezzin-Ruf ist woanders längst Realität

Hätte nicht der Rat vorher darüber diskutieren müssen?

Ehrlich gesagt, ist das für mich selbstverständlich. Anderswo ist es längst Realität.

Bislang gibt es zwei Anträge zum Muezzinruf.

Ich habe mit mehr gerechnet, das gebe ich zu. Warum es noch nicht mehr sind, weiß ich noch nicht. Einige Gemeinden haben sich zurückgezogen, nachdem sie die Diskussion erlebt haben, die ja nicht immer schön war.

Wie haben Sie es erlebt?

Ich habe damit gerechnet, dass es nicht jeder und jedem gefällt. Aber es ist doch nicht der Untergang des Abendlandes, wenn Menschen von ihrem Grundrecht Gebrauch machen und einmal in der Woche fünf Minuten in einer angemessenen Lautstärke zum Gebet gerufen wird.

Zur Person

2025

endet die zweite Amtszeit von Oberbürgermeisterin Henriette Reker (65, parteilos). Sie ist seit 2015 im Amt. Ihre Unterstützer sind Grüne und CDU. Im Stadtrat bilden Grüne (26 Sitze), CDU (20) und Volt (4) ein Bündnis mit einer Mehrheit, es versammelt 50 der 90 Sitze auf sich.

59,27

Prozent der Stimmen hat Reker bei der Stichwahl am 27. September 2020 gegen Andreas Kossiski (SPD) auf sich vereint. (mhe)

Ich kann auch die Vergleiche mit der Türkei nicht verstehen und den Hinweis, dass dort die Kirchenglocken nicht läuten. Wir leben nicht in der Türkei, sondern in einem freien Rechtsstaat mit einem Grundgesetz, das für alle gilt. Ich glaube auch nicht, dass ein ausgeübter Gebetsruf noch zu großen Verwerfungen führt.

Im Fokus steht vor allem die Ditib-Zentralmoschee in Ehrenfeld. Die Ditib hat viele Versprechungen gebrochen, bei der Eröffnung sollten Sie zunächst nicht reden dürfen, am Ende war es eine geschlossene Veranstaltung. Es gibt Stimmen, die es als ungerecht empfinden, dass die Ditib mit dem Gebetsruf belohnt werde.

Mir geht es um die Menschen, die betroffen sind. Diese Menschen sind doch ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Und wenn wir sie nicht wertschätzen, dann fallen die zurück in ihre eigene Kultur. Das müssen wir leider immer wieder erleben.

Wann werden die Anträge genehmigt?

Ich rechne mit dem Frühjahr.

FC-Ausbaupläne: „Glaskar, dass im Grüngürtel nicht mehr gebaut wird“

Bei den Ausbauplänen des FC Köln ist die Situation verkantet. Glauben Sie, der FC zieht wirklich nach Marsdorf?

Also nach dem Ausrufen des Klimanotstandes war glasklar, dass im Grüngürtel nicht mehr gebaut wird. Ob man das nun gut oder schlecht findet. Das wird politisch in unserer Stadt nicht mehr getragen.

Wie geht es denn jetzt weiter in der Angelegenheit?

Wir prüfen, was sich in Marsdorf verwirklichen lässt. Mir wäre es auch lieber, das wäre schon geschehen, um Zeit zu sparen. Der Verein hat nicht viel Zeit, das ist auch mir klar. Aber klar ist, es wird ein Kompromiss sein, den alle eingehen müssen. Es hat doch keinen Sinn, sich etwas zu wünschen, das unrealistisch ist.

Also neue Plätze in Marsdorf und das Nachwuchsleistungszentrum am Geißbockheim?

Ich weiß gar nicht, ob es am Ende Marsdorf sein wird.

Was denn sonst?

Naja, es gibt ja auch noch andere Flächen in der Stadt. Da suchen wir auch wieder und prüfen. Es gibt nächstes Jahr eine Lösung in der Frage. Das muss es auch, irgendwann ist es einmal gut.

„Die Kölschen fahren mit dem Auto Zigaretten holen“

Das Ratsbündnis will das Parken neu regeln, es fallen Parkplätze weg. Wie wollen Sie die Bürger mitnehmen?

Auch das ist eine Frage der Realität. Mitten in der Innenstadt zu wohnen und in der Straße einen Parkplatz zu finden, entspricht nicht mehr unserer Lebenswirklichkeit. Und zwar nicht nur in Köln, sondern auch in anderen Millionenstädten. Die Kölschen sind daran nicht gewöhnt, die fahren mit dem Auto ja Zigaretten holen, ich weiß das. Ich bin hier groß geworden. Wir können nicht beides haben: Eine lebenswerte, begrünte Innenstadt und gleichzeitig genug Parkplätze in der Straße. Das wird nicht gehen.

Wer in der Innenstadt lebt sollte sich gut überlegen, ob er ein Auto hat?

Das tun die Menschen ja heute schon. Für die jungen Leute ist das auch ein kleineres Problem.

Wie feiern Sie denn Weihnachten?

Mit guten Freunden in Nippes, wir feiern wie jedes Jahr zu viert.