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Insel der GlückseligenDer Ebertplatz ist endlich wieder öffentlicher Raum

Lesezeit 3 Minuten

Doch, er ist es. Wer den Ebertplatz die vergangenen Jahre erlebt hat, kann kaum glauben, was hier gerade passiert. Im positiven Sinne allerdings.

Köln – Man mag es nicht so recht glauben, aber die Sinne täuschen nicht. Der Ebertplatz hört sich an wie ein gut besuchtes Freibad. Das stete Wasserplätschern im Hintergrund, lautes Kindergeschrei, hier und da etwas Musik und überall Camping-Ausrüstung bis hin zum halben Hausrat – das Betonmöbel aus den 70er Jahren feiert einen zweiten Frühling wie es vor ein paar Monaten niemand für möglich gehalten hätte.

Nicht nur die Pänz haben eine „neue Mitte“: Ganz entspannt ein wenig Raum genießen – auch wenn ringsherum weiter der Verkehr tobt. Manch einer bringt vor lauter Begeisterung gleich den halben Hausrat mit. 

Sogar das permanente Verkehrsrauschen rund um den Platz ist in die zweite Reihe verbannt. Man könnte an eine Insel der Glückseligen glauben – es wirkt, als sei der Platz vor lauter Leben regelrecht explodiert. Und immer wieder die eine, zentrale Frage: „Warum erst jetzt?“

Wohlfühlatmosphäre am Ebertplatz

Wie geht es weiter?

Das Wetter und die Sommerferien tragen einen Teil dazu bei, dass der Ebertplatz wieder zu einem echten Treffpunkt geworden ist. Damit es so bleibt, sind weitere Maßnahmen vorgesehen.

Mit der Umgestaltung des Ebertplatzes soll nach bisherigen Planungen im Jahr 2021 begonnen werden. Vorgesehen ist die Anhebung des westlichen Abschnitts, der als Angstraum gilt.

Der Stadtkonservator hat den Vorschlägen, den Platz unter Denkmalschutz zu stellen, bereits eine Absage erteilt. Einer neuen Gestaltung steht somit formal nichts mehr im Weg. Bis dahin soll der Ebertplatz nicht nur durch den wieder in Betrieb genommen Brunnen belebt werden, ein Café und ein Biergarten sollen außerdem folgen. (tho)

Die 29-jährige Marina versucht, ihren zweijährigen Filius einigermaßen im Auge zu behalten. Was gar nicht so einfach ist im Gewühl. Sie wohnt zwar ganz in der Nähe, „aber den Ebertplatz hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Im Gegenteil, bloß schnell weg“.

Und jetzt? „Auf einmal war das Wasser da. Und all die Leute“, meint sie lachend – und wieder die Frage: „Warum erst jetzt?“

Die Polizei taucht kurz auf, aber anders als früher, als man bei solchen Gelegenheiten automatisch an Razzien und Pöbeleien dachte, hat man jetzt das Gefühl, die Beamten wollten mal eben selbst ihre Füße ins kalte Wasser halten.

Tun sie nicht, aber ihr Lächeln spricht Bände. Ein paar besonders vorlaute Pänz spritzen etwas Wasser gegen den silber-blauen Bulli – das Lächeln bleibt.

Die Menschen haben sich „ihren“ Platz zurückgeholt

Die Zahl der Kleindealer ist geringer geworden, und tagsüber halten sie sich im Hintergrund. Aber sie sind noch da, und spät abends, wenn das Familien-Happening längst ein Ende gefunden hat, wandelt sich das Platzbild wieder etwas – wenn auch kein Vergleich mehr mit früher. Denn selbst dann herrscht wieder Betrieb hier – es wird nicht lange dauern, und die Anwohner begreifen den Platz als ihren Balkon.

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Mittendrin: So viel Wasser mitten in der Stadt gibt’s normalerweise nur im Freibad.

„Früher“, das ist noch gar nicht lange her. Künstler, Aktivisten, Anwohner und Initiativen machten Vorstöße zur Belebung des Platzes, mussten sich aber fühlen wie Don Quichotte bei seinem Kampf gegen Windmühlen. Erst der Tod eines jungen Afrikaners habe den „entscheidenden Handlungsdruck“ ergeben, meinte OB Henriette Reker bei der Eröffnung der Neugestaltung.

Ganz entspannt ein wenig Raum genießen – auch wenn ringsherum weiter der Verkehr tobt.

Ein großes Wort, denn so viel passiert ist rein äußerlich gar nicht. Der Brunnen sprudelt aus allen Rohren, und im östlichen Teil des Platzes wurde von Studenten der RWTH Aachen ein gelungenes Holzpodest gruppiert, das als Sitzfläche und Bühne dient. Außerdem soll ein Baucontainer auf dem Platz als Basisstation für ein Behelfscafé dienen.

Was aber mindestens genauso viel wiegt ist der Einsatz von Gruppen, Künstlern, Aktivisten und Anwohnern, die sich zumindest für diesen Sommer „ihren“ Platz zurückgeholt haben. Und die alle hoffen, dass es kein Strohfeuer bleiben wird.