Köln – „Ich frage mich, was mit manchen Menschen los ist. Woher kommt diese Wohlstandsverwahrlosung?“ Pastoralreferent Peter Otten ist keiner, der sich wegen jeder Kleinigkeit aufregt. Und schon gar nicht will er den Menschen verbieten, sich unter freiem Himmel zu treffen, ein Bier zu trinken oder etwas zu essen. „Aber so kann es auch nicht mehr weitergehen“, sagt er.
Vor einigen Tagen lag die erste tote Ratte auf dem Vorplatz von St. Agnes. An jedem Wochenende sind quer über den ganzen Platz Essensreste, Flaschen und jede Menge Müll verteilt. Ein Fest für Ratten.
Eingestellte Zusammenarbeit
Von den menschlichen Hinterlassenschaften rund um das Kirchengebäude ganz zu schweigen: In Sommermonaten machen die Schlangen um die Kirche jedem Dixie-Klo auf einem Festivalgelände Konkurrenz. Ansonsten landet auch was im Grünstreifen.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat seine Partnerschaft mit der Gemeinde St. Agnes inzwischen eingestellt. Der hatte im hinteren Bereich einen Naturgarten angelegt mit heimischen Kräutern und Pflanzen. Aber die haben mittlerweile genauso aufgegeben wie die Freiwilligen, die sich um den Garten kümmerten: „Das war niemandem mehr zuzumuten“, sagt Otten.
Forderungen nach Gesprächen
Was den Pastoralreferenten besonders ärgert: „Ich weiß nicht, warum sich immer noch die Mär hält, der Roeckerath-Platz (der Teil des Neusser Platzes direkt vor dem Kirchenportal, d. Red.) sei kirchliches Gelände. Das ist ganz eindeutig städtischer Grund.“ Immer wider würden er und die Mitglieder des Gemeinderates darauf angesprochen, „den Saustall mal aufzuräumen“. Das tun sie zwar regelmäßig. Aber in Eigeninitiative.
„Ich weiß nicht wie oft wir da schon mit dem Besen und anderem zugange waren“, sagt Otten. Aber es sei nun mal städtisches Gelände, und da sei eben auch die Stadt in der Pflicht. Er fordert dringend einen „Runden Tisch“, an dem alle Beteiligten – Gastronomie, Büdchen, Verwaltung, Gemeinde – teilnähmen.
Keine Reinigung am Wochenende
Ein Problem, das auch im Rahmen einer aktuellen Stunde der Bezirksvertretung zur Rede kam. Denn der Platz wird nur unter der Woche gereinigt – von Freitagnachmittag bis Montagmorgen passiert nichts. AWB-Sachgebietsleiter Marco Pagano brachte denn auch nur bedingt gute Neuigkeiten mit in die Sitzung: Natürlich könnten die Reinigungsintervalle auf das Wochenende ausgeweitet werden – aber dafür müsste die Reinigungssatzung geändert werden.
Vor allem müssten die Anlieger für die Mehrkosten aufkommen. Das habe in vergleichbaren Fällen schon für Unmut gesorgt. Möglicherweise aber, so Pagano, könnte man die Intervalle ändern: Statt eines Wochentages eben sonntags reinigen. Einfach mehr Container aufzustellen, davon rät er ab: „Damit lösen Sie das Problem nicht.“
Zusätzliche Reinigungen nur an ausgewählten Plätzen
Einem gemeinsamen Antrag von Grünen, CDU, Volt und FDP zufolge soll die AWB in der nächsten Ratssitzung beauftragt werden, während der „Open-Air-Saison“ zusätzliche Reinigungsleistungen auf „ausgewählten Grünflächen und öffentlichen Plätzen“ zu erbringen. Außerdem soll die Verwaltung mobile Toiletten aufstellen. Sicherzustellen sei auch deren regelmäßige Reinigung. Die Finanzierung erfolge aus dem städtischen Haushalt.
15 Flächen sollen berücksichtigt werden – der Neusser Platz ist nicht dabei. Auch beim Toilettenhäuschen, das wurde im Rahmen der Bezirksvertretersitzung deutlich, haben andere Stellen Vorrang. Im Folgenden die zusätzlich zu reinigenden Flächen und Plätze.
Linksrheinisch Nord: Eigelstein, Wilhelmplatz, Altstadtpromenade, Hans-Böckler-Platz, Helios-Gelände, Vogelsanger Straße und Oskar-Jäger-Straße
Linksrheinisch Süd: Karl-Schwering-Platz, Moselstr., UniMensa, Severinsviertel, Chlodwigplatz, Rivieira Rodenkirchen.
Rechtsrheinisch: Rheinpromenade, Auenweg /Sachsenberg, Kalker Hauptstraße/Postplatz, Poller Wiesen, Porzer Rheinpromenade
Dass die Vermüllung zunimmt und längst nicht mehr nur „Hotspots“ wie den Neusser Platz erfasst, konnte Pagano ebenfalls bestätigen. Praktisch im gesamten Innenstadtbereich bis hinunter zum Rheinufer sei das „Phänomen“, wie es einige Bezirksvertreter nannten, zu beobachten. An die 20.000 Tonnen Müll würden pro Jahr weggeschafft, Tendenz steigend. Köln befindet sich damit im Bundesdurchschnitt ausnahmsweise mal ziemlich weit „vorne“.
Auch das Ordnungsamt sieht sich nur bedingt handlungsfähig. „Wenn an Wochenenden viel los ist, müssen wir Prioritäten setzen. Da gehört der Neusser Platz nicht mehr unbedingt dazu“, erklärte Dienstgruppenleiter Christian Schlünz. Brüsseler Platz, Aachener Weiher, Schaafenstraße, Ringe – über mangelnde Aufgaben kann sich der Ordnungsdienst in der Innenstadt kaum beklagen.
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Einen ärgerte an dem Ganzen insbesondere das Publikum: „Gerade am Neusser Platz ist das doch eigentlich beste Mittelklasse-Klientel“, meinte Bezirksbürgermeister Andreas Hupke. „Wenn die sich zuhause genauso benähmen, würden sie hochkantig rausfliegen.“