Köln – Es gab Zeiten, da hatte Elena Navarini sehr ernsthaft den Wunsch nach karnevalistischer Revolution. "Ich wollte der erste weibliche Prinz sein", erzählt die Kölner Innenarchitektin mit spürbarer Sehnsucht in der Stimme. Wenn die Rationalität wieder Übergewicht gewinnt, sagt sie Sätze wie diesen: "Ein weibliches Dreigestirn kann ich mir nicht vorstellen". Wie das denn gehen solle, wenn eine Frau in Highheels den Bauern verkörpern müsste, fragt sie. "Wenn man ihr den Hut aufsetzt, fällt sie doch direkt um", meint sie amüsiert.
Elena Navarini meint es durchaus ernst mit dem Karneval. Vor zwei Jahren hat sie die "1. Damengarde Coeln" gegründet, das erste Korps für Frauen in Köln. "Eigentlich wollte ich Funk werden, aber das geht ja nicht", bedauert sie. Bis heute sind die Traditionskorps im Kölner Karneval Männerbünde, wie schon im 19. Jahrhundert. "Bis 1936 wurden sogar die Tanzmariechen von Männern gespielt", sagt der Historiker Dr. Michael Euler-Schmidt, stellvertretender Leiter des Stadtmuseums und Roter Funk.
Als das Festkomitee Kölner Karneval vor etwa einem Jahr das Motto dieser Session bekannt gab und verkündete "Mer stelle alles op der Kopp", keimten nicht nur bei manchen Frauen Hoffnungen auf ein Kapitel karnevalistischer Entwicklungsgeschichte auf. "Das Motto war die Vorlage für ein weibliches Dreigestirn", sagt Ursula Brauckmann, Präsidentin der "Colombina Colonia", die vor 16 Jahren als erste Kölner Karnevalsgesellschaft für Frauen gegründet worden war. Beworben hat sich aus ihrer Gesellschaft allerdings niemand. Und Brauckmann stellt klar: "Männliche Dreigestirne finde ich gut. Ich weiß nicht, wie Frauen ankämen."
Keine Bewerbungen von Frauen
Als Revolutionshelfer will sich das Kölner Festkomitee im Jahr 2016 noch nicht versuchen. "Ich bin absolut für ein weibliches Dreigestirn" sagt Festkomitee-Präsident Markus Ritterbach gönnerhaft - bevor er neckisch hinzu fügt: "Aber erst nach meiner Amtszeit." In dieser Session, sagt er, sei einzig "mottobedingt" eine Ausnahme möglich gewesen, doch Bewerbungen habe es keine gegeben.
Sind Frauen im Kölner Dreigestirn also nur noch eine Frage der Zeit oder ein karnevalistischer Sündenfall? "An der Tradition sollte auf keinen Fall gerüttelt werden. Die verkehrte Welt ist ein wichtiger Bestandteil des Karnevals", findet Brauchtumsexperte Günter Schenk, Buchautor und Kulturpreisträger des Bund Deutscher Karneval (BDK). Nicht umsonst sei den Nationalsozialisten gerade ein Mann in der Rolle der Jungfrau ein Dorn im Auge gewesen.
Die Kölner Jungfrau wurde 1938 und 1939 von einer Frau gestellt. In den Augen der NS-Machthaber hatte die Verkörperung der Figur durch einen Mann den Anschein von Homosexualität erweckt. Derlei wurde vom Regime rigoros verfolgt. 1938 trat Paula Zapf aus Köln-Nippes als erste Frau im Trifolium auf, ein Jahr später folgte Else Horion. Es war das letzte Mal, dass eine Frau im Kölner Dreigestirn zu sehen war.
Fünf Jahre ist es her, als der Vorstand der Prinzen-Garde an einem Abend im Dezember in ein Brauhaus geladen hatte, um Neuheiten aus den Reihen des Korps zu präsentieren. Zigarre paffend verlas der damalige Präsident Kurt Stumpf das Ergebnis einer internen Umfrage. Demnach hatten sich 80 Prozent der Gardisten gegen die Aufnahme von Frauen ausgesprochen. Dass die Frage nach einer Aufweichung der eigenen Tradition überhaupt gestellt wurde, musste als eigentlicher Fortschritt akzeptiert werden.
Reker als Tanzmariechen
So dogmatisch wie der Buchautor Günter Schenk sieht Historiker Euler-Schmidt die Geschlechterfrage im Karneval nicht. "Karneval ist ein Brauch, der auf Ereignisse in gesellschaftlichen Strukturen reagiert. Auch innerhalb der Bräuche sind Veränderungen möglich", erklärt Euler-Schmidt. Einen Traditionsbruch könne er nicht erkennen, sollte es irgendwann ein weibliches Dreigestirn geben. Sonst dürfte Oberbürgermeisterin Henriette Reker seiner Ansicht nach im Rosenmontagszug auch nicht in Gardisten-Uniform der Roten Funken mitfahren. "Sie müsste streng genommen Tanzmariechen sein", so Euler-Schmidt.
Nicht nur im Umland, auch in Köln gibt es die Tollitäten in verschiedensten Varianten. Im Porzer Dreigestirn wird die Jungfrau von einer Frau verkörpert, ebenso im Kölner Kinderdreigestirn. In Düsseldorf regiert ein Prinzen-Paar, in Leverkusen ein Prinz. Wie kein anderes Fest könne der Karneval alle Spielarten zwischen den Geschlechtern integrieren", sagt Günter Schenk. Eine ähnlich breite Fläche für die Gender-Diskussion gebe es sonst nirgends in der Gesellschaft. Männer können sich als Frauen verkleiden, Frauen als Männer.
Und vielleicht, sagt er, "vielleicht ist es irgendwann so weit, dass Frauen das Dreigestirn stellen". Die Frage sei schlicht, ob die Frauen dies auch wollen.