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Expedition zur KVB-EndhaltestelleAusflug aufs Dorf – Linie 7 nach Zündorf

Lesezeit 4 Minuten
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Zauberhafte Dekorationen zieren Haus und Vorgarten in der Keimergasse 6.

  1. In unserer Serie „Expedition Endstation“ fahren wir die KVB-Bahnlinien bis zum Ende durch.
  2. Vom Neumarkt aus machten sich Diana Haß (Text) und Costa Belibasakis (Fotos) mit der Linie 7 auf nach Zündorf.
  3. Sie stießen auf Eigenwilliges und Liebenswertes.

Köln – Die grünen Sträucher streicheln fast die Straßenbahn, so nahe reichen sie an die Gleise heran – kurz bevor die Bahn die Endhaltestelle erreicht. Dann passieren wir ein paar weiße Einfamilienhäuser und Garagen. Beschaulich, dörflich. Kaum Verkehrslärm dringt ans Ohr beim Ausstieg in Zündorf. Vor dem Kopf der Endhaltestelle beginnen direkt die weiten Felder. In der Ferne fährt ein Bagger. Auf der Straße zwei Radfahrer im Freizeit-Look. Ein alter Mann trägt seinen Rewe-Einkaufskorb nach Hause.

Direkt an der zweigleisigen Haltestelle: Meurers Kiosk. Hier ist Betrieb. Feuerzeuge, Kaffee, und Mineralwasser gehen jetzt am Nachmittag über den Tresen. „Morgens wenn die Leute nach Köln reinfahren, kaufen sie bei uns Kaffee, Zeitungen und Brötchen, abends Feierabendbier“, erzählt Philip Meurer (37). Seine Oma hat vor 68 Jahren den Kiosk gegründet, vor vier Jahren ist er eingestiegen, der Vater – inzwischen 70 – mischt auch immer noch mit.

Jeden Tag am Kiosk

„Der Kiosk von Meurer war schon in meiner Kindheit der Anlaufpunkt hier“, lacht Claudia Kähler. Sie sammelt ihren Sohn Jonny (11) ein, um mit ihm im Ort zum Arzt zu gehen. Die Zündorfer haben alles, was sie brauchen, im Ort: Ärzte, Apotheke, Geschäfte, Friseure, jede Menge Versicherungsvertreter.Doch für Jonny und seine gleichaltrigen Freunde Malte und Timon zählt momentan vor allem der Kiosk. „Wir sind in den Ferien jeden Tag hier.

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Kiosk Meurer, Gartenweg 1, unmittelbar an der Haltestelle, geöffnet von 6.00 bis 18.30 Uhr.

Der Kiosk ist sehr gut ausgestattet“, erzählt Jonny. Stangeneis, bunte Tüten, Kaugummis, Fortnite-Sammelbildchen – die Jungs schwärmen für das Angebot. Und für ihren Heimatort: „Hier in Zündorf kann man schon sehr viel machen. Wir gehen schwimmen, spielen in der Groov und auch der Minigolf ist super“, erzählt Timon (11). Sein Gymnasium ist direkt am Ort. Wenn er Schulmaterialien vergessen hat, kann er sich auf die Schnelle im Kiosk eindecken.

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Die drei vom Kiosk: Malte, Jonny und Timon (v.l.) schwören auf das Angebot bei Meurer. In den Sommerferien geht hier viel Taschengeld für Stangeneis, Süßigkeiten und Kaugummi drauf.

Die Zündorfer lieben ihren Ort. Zumindest die, die wir treffen. „Hier wohnt man im Dorf und ist trotzdem schnell in der Stadt“, erklärt Brigitte Hover, die im Kiosk arbeitet. Mit Stadt meint sie übrigens nicht nur Köln, sondern auch Siegburg und Troisdorf. Die Groov, die idyllische Halbinsel im Rhein, lieben die Zündorfer selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich meiden sie sie – zumindest am Wochenende. „Da geht am Wochenende so gut wie kein Zündorfer hin“, lacht die Kioskangestellte. Viel zu voll sei es. Sagt sie und wirft einen Blick auf die Bücherkiste auf der Kioskauslage. 30 Cent kostet hier ein Second-Hand-Buch. „Die Kiste gibt es hier schon ewig“, sagt Kioskbesitzer Meurer.

Ausflügler in Badehose in der Ortsmitte

Bücher aus erster Hand gibt es bei Monika Bouya in der Wahner Straße. Die Bibliothekarin hat hier 2012 eine der wenigen rechtsrheinischen Buchhandlungen eröffnet. Der geräumige Laden ist gut bestückt – mit Literatur für alle Altersstufen und Lebenslagen, Spielen, Geschenken, Karten und Kalendern. Viele Käufer kennt Monika Bouya mit Namen. Als aktuelle Urlaubslektüre empfiehlt die 51-Jährige „Ein Wochenende“ von Charlotte Wood.

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Die Bücherfee: Monika Bouya hat Bibliothekswesen studiert und  führt den einzigen Buchladen am Ort.

Nicht zum Lesen, sondern zum Schwimmen im Rhein, haben Martin Krahl und sein Sohn Jonas ihren heutigen Urlaubstag genutzt. Die Rösrather kommen uns auf der Keimergasse entgegen. Jonas ist gut gelaunt – und nur mit Handtuch und Badehose bekleidet. In seinem Aufzug wirkt er hier komischerweise nicht fehl am Platz. Was in der Schildergasse Aufsehen erregen würde, juckt unter den Zündorfern niemanden. Im Dorf scheint man entspannt – und engagiert. So wie Norbert Quadt.

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Der 68-jährige „Ur-Zündorfer“ wohnt auch in der Keimergasse. Nummer 4. An seiner privaten Gartenmauer überrascht ein kleines Schaufenster die Passanten. Es enthält das Buchcover einer Biografie über Jens Spahn, ein paar Masken und einige kleine europäische Flaggen. „Hier häng ich rein, was mir gerade wichtig ist“, erklärt der Rentner offen und fröhlich. Oft stellt er private Dinge in seinem Schaufenster aus. „Aber der Spahn, der hat mir imponiert jetzt in der Krise.“

Fischerhäuschen, 80er-Jahre-Schick und Shishabar

Der Rentner wohnt direkt neben seiner 78-jährigen Schwester. Ihr Haus und Vorgarten mit all den kleinen dekorativen Figürchen und Verzierungen stechen ins Auge. Doch es ist lange nicht das einzige Sehenswerte in diesem liebenswerten Flecken, in dem sich offenbar viele Menschen ihre Eigenarten bewahrt haben.

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Mann mit Mission: Norbert Quadt nutzt einen Schaukasten auf seiner Mauer in der Keimergasse für perönliche Botschaften.

Auf dem rund zehnminütigen Weg von der KVB-Endhaltestelle Richtung Groov prasselt eine Vielzahl unterschiedlicher Eindrücke auf die Besucher ein. Wir passieren individuell gestaltete alte Fischerhäuschen ebenso wie 80er-Jahre-Schick in Kacheloptik. Eine leerstehende Shishabar wirkt traurig und verstaubt, die italienische Trattoria schräg gegenüber gepflegt und einladend.

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St. Michael heißt die Kirche am Friedhof Niederzündorf. In Oberzündorf gibt es einen weiteren Friedhof.

„Zündorf hat alles“, sagt Chrisovalantis Gertsos. Er betreibt das Hotel Haus Kürten, direkt neben der Endhaltestelle. Vor allem Monteure nutzen die sieben Zimmer. „Ihnen gefällt die Nähe zum Flughafen“, sagt Gertsos. Seine Eltern kamen vor vielen Jahrzehnten aus Griechenland – und blieben. Inzwischen haben er und sein Bruder hier Familien gegründet.

„Weg will ich von hier auf keinen Fall“, sagt Gertsos. Muss er auch nicht. Überquert man die verkehrsreiche Hauptstraße Richtung Groov, stößt man direkt auf zwei Kirchen: erst St. Mariae Geburt, dann St. Michael. Dort liegt gepflegt und malerisch vor grüner Kulisse der Friedhof Niederzündorf. Endstation. Aber eine schöne.