Köln – „Dieser CSD ist bestimmt nicht der nackteste und nicht der wärmste aller Zeiten, aber einer der wichtigsten!“ Riesenjubel brandet an der Deutzer Werft auf, als Jens Pielhau, Vorstandsmitglied des Kölner Lesben- und Schwulentags (KLuST), die außergewöhnliche Relevanz der Demo anlässlich des Christopher Street Days deutlich macht. Unter dem Motto „Viele.Gemeinsam.Stark“ wurde der CSD in Köln in diesem Jahr deutlich kleiner begangen als in den Jahren zuvor.
Cologne-Pride-Gala
Die Höhepunkte der Cologne-Pride-Show in der Lanxessarena kamen zum Schluss: Schlagersängerin Michelle und Liedermacherin Kerstin Ott machten ihrem Ruf als Ikonen der LGBTI-Bewegung (lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell/transgender, intersexuell) alle Ehre.Was die Show sonst noch an guter Popmusik aufbot, machte ein bisschen das ausgefallene Straßenfest wett. Allen voran die Band „Buntes Herz“, deren Mix aus kurdisch-arabischen und westlichen Sounds die Arena rockte. Mittendrin am Tamburin Gründervater Ex-Hohn Janus Fröhlich. Schnell merkte die „Hygienebeauftragte“ des Abends, Pam Pengco, dass kaum die Hälfte der erwarteten 1000 Zuschauer kommen würden. Also leitete die Drag-Queen jeden Einzelnen zu Beifallsbekundungen stellvertretend für 1000 Straßenfestbesucher an.Selbstironisch-witzig moderierten das letzte Funkenmariechen der DDR, Erika Laste, und Soap-Star Lukas Sauer die Musik- und Comedy-Auftritte. Zu sehen waren die Indie-Pop-Zwillinge Finn & Jonas, der Cover-Trios „Abend mit Beleuchtung“ und „The Frontm3n“, der Comedians Marcel Mann und Tutty Tran sowie der Casting-Show-Finalistin Maria Voskania.In all den Spaß mischten sich bitterer Ernst, als Jens Pielhau vom Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST) eine Delegation aus Kölns Partnerstadt Kattowitz begrüßte. Die Solidarität der Szene sei gefordert, nachdem sich in Polen ein Drittel der Städte und Gemeinden für „LGTBI-frei“ erklärt haben. Das bedeutet: offen feindlich gegenüber Homosexuellen. (uwe)
Statt einer Parade organisierte der KLuST eine Fahrrad-Sternfahrt mit anschließender Kundgebung in Deutz. Statt schrillen Drag Queens kamen die rund 2000 Teilnehmer in Winterjacken, statt Sonnenschein und Partystimmung lagen ernste Worte in der Luft: „Im Grunde ist die diesjährige CSD-Veranstaltung ein Schritt zurück zu den Wurzeln: Wir wollen wie in den frühen Neunzigern aufrütteln und auf die Wichtigkeit des Kampfes gegen Homophobie hinweisen, für Menschenrechte einstehen“, erklärte Hugo Winkels, Vorstandsmitglied von KluST an der Deutzer Werft, an der kein Alkohol ausgeschenkt wurde und angesichts der geltenden Corona-Regeln nur wenig Feierlaune aufkam.
Gäste aller Generationen in Deutz
Neben den Fahrradfahrern, die aus Köln und Umgebung den Weg nach Deutz fanden und von vier verschiedenen Startpunkten ins Ziel eingeradelt kamen, fanden sich auch viele weitere Gäste aller Generationen in Deutz ein, um ein Zeichen für Toleranz zu setzen – alle fünf Gruppen blieben jedoch konstant voneinander getrennt, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Eine Gruppe des 1.FC Köln, unter anderem mit Geschäftsführer Alexander Wehrle hatte die Teilnahme aufgrund der Pandemie-Situation kurzfristig wieder abgesagt.
Winkels mahnte Wachsamkeit an: „Ich habe das Gefühl, dass die Homophobie deutlich schlimmer wird, auch in Köln. Ich spüre Aggressivität, wenn ich mit meinem Partner unterwegs bin. Das war in den 90er Jahren nicht der Fall.“ Rechtes Gedankengut habe in der Gesellschaft ihren Platz gefunden und sei im Ausland wieder stärker vorhanden. Drei Aktivisten aus der polnischen Partnerstadt Kattowitz referierten über die Lage in ihrer Heimat.
„Sichtbar bleiben ist das Wichtigste“
Bürgermeister Andreas Wolter (Grüne) zeigte sich zufrieden mit der Veranstaltung: „Es ist wichtig, um ein Zeichen für Menschenrechte zu setzen. Im nächsten Jahr wollen wir wieder mit Wucht auftreten.“ Auch Ulrich Breite. Geschäftsführer der FDP-Ratsfraktion, und Arndt Klocke, Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag, nahmen an der Demonstration teil.
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Überhaupt überwog die Zuversicht, dass der CSD nicht einfach ausfiel. Winkels stellte fest: „Die letzten Monate waren eine sehr belastete Zeit, viele Entwicklungen machen uns Sorgen. Wir haben sogar mit einer Absage gerechnet. Doch jetzt sind wir richtig stolz: Wir müssen einfach sichtbar bleiben, das ist das Wichtigste.“