Am Samstag stellte Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit dem Krisenstab der Stadt Köln einschneidende Regelungen zum Umgang mit dem Corona-Virus vor. Im Interview mit Michael Fuchs spricht sie über Einschränkungen im öffentlichen Leben, Auswirkungen auf Betriebe und Hamsterkäufe.
Frau Reker, wie schlimm ist die Lage wirklich?
Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation, wie sie, glaube ich, noch keiner von uns erlebt hat. Aber für Panik besteht nach wie vor kein Grund. Wir ergreifen in Köln alle Maßnahmen, wie zum Beispiel die Feiertagsruhe in Vergnügungsbetrieben, um die Ansteckungsgefahr, die bei Covid-19 hoch ist, zu minimieren. Und trotzdem wissen wir, dass sich viele von uns infizieren könnten. Aber das darf eben nicht in dem Maße gleichzeitig geschehen, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Das Gesundheitssystem muss weiterhin funktionieren und handlungsfähig bleiben.
Wie wird dafür gesorgt?
In Köln sind wir gut vorbereitet. Wir haben das Infektionsschutzzentrum in 20 Stunden aufgebaut. Da hat ein Anruf von mir aus Berlin genügt. Das zeigt: Die Strukturen funktionieren. Ich war an diesem Tag beim Bundesgesundheitsminister. Wir haben gemeinsam überlegt: Wo führt das hin, was ist zu tun? Ich bin froh, dass wir als größte Stadt in NRW hier hervorragend mit den Bundesbehörden zusammenarbeiten. In Köln sind es viele Akteure, die Hand in Hand arbeiten – Gesundheitsamt, Kassenärztliche Vereinigung, Uniklinik, Kliniken der Stadt Köln und andere. Aus meiner Zeit als Gesundheitsdezernentin habe ich langjährige, vertrauensvolle Kontakte im Gesundheitswesen, die jetzt von großem Wert sind. Da geschehen Dinge auf Zuruf.
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Am Samstag haben Sie die Regelungen weiter verschärft. Was war der Grund dafür?
Es muss uns gelingen, die Infektionsketten zu durchbrechen. Über allem steht die Ansteckungsgefahr, die Erkrankung darf keine steile Kurve nach oben nehmen. Im Moment tut sie das noch nicht. Aber auch das kann sich morgen ändern.
Können Sie heute guten Gewissens sagen, Sie haben die Lage im Griff?
Ja. Und wir tun alles dafür, dass es so bleibt. Und zwar wirklich rund um die Uhr. Dafür gebührt allen Menschen, die sich hier unglaublich stark engagieren, ein ganz großer Dank.
Sollten sich die Bürger Vorräte anlegen?
Es gibt Vorgaben für Krisenlagen, dass man einen gewissen Vorrat an Grundnahrungsmitteln wie Nudeln oder Reis im Haus haben sollte. Das kann man immer empfehlen. Auf Hamsterkäufe sollte man aber tunlichst verzichten, um nicht künstlich Engpässe zu verursachen. Frische Lebensmittel, Hygieneartikel oder Massen an Konservendosen zu bunkern, ist überhaupt nicht notwendig. Ich habe mich beispielsweise bei Lionel Souque (Vorsitzender der Rewe-Group, Anmerkung der Redaktion) informiert, wie die Versorgungsketten sein werden. Ich kann sagen: Die Grundversorgung ist sicher gewährleistet. Es wird nicht jede Sorte Erbsen und Möhren in jedem Supermarkt zu jeder Zeit vorrätig sein. Aber jetzt, wo auch die Sonntagsbelieferung möglich ist, wird ständig aufgefüllt.
Wie lange wird diese Ausnahmesituation dauern?
Sie wird sicher noch Wochen dauern. Ich bin optimistisch und hoffe, dass sie nicht Monate dauern wird. Klar ist: Die Einschränkungen, die wir den Menschen abverlangen, werden vorübergehend sein. Es geht jetzt darum, freiwillig zu sagen: Ich unterstütze durch mein Verhalten, dass das Gesundheitswesen für alle funktioniert.
Planen Sie weitere Schritte? Werden irgendwann auch Restaurants und Gaststätten geschlossen?
Man sieht ja, wie das in anderen Ländern gemacht wird. Das hat mit dem Anstieg der Infektionszahlen zu tun. Immer wenn die Kurve steil ansteigt, muss das Gesundheitssystem vor Überlastung geschützt werden, und das kann man nur, indem man die Ansteckungsmöglichkeiten unterbindet. Wenn es notwendig ist, würden wir auch Gaststätten schließen. Wir sind in einer dynamischen Lage, die tägliche Entscheidungen erfordert. Zurzeit planen wir im Rechtsrheinischen ein zweites Infektionsschutzzentrum.
Vielen Betrieben drohen massive Verluste. Wie will die Stadt ihnen helfen?
Es ist absehbar, dass wir starke Einbußen erleben werden beim Rückgrat unserer Wirtschaft – den Handwerksbetrieben, denen kleinen und mittelständischen Unternehmen. Da reicht es nicht zu sagen, man stellt die Liquidität sicher. Wir haben niedrige Zinsen, das ist nicht das Problem. Es geht um konkrete Unterstützung der Betriebe. Bei unserer Wirtschaftsförderung haben sich schon 1500 Firmen gemeldet. In der Finanzkrise gab es die Bankenrettung. In der jetzigen Lage wird sich Köln als Millionenstadt beim Bund dafür einsetzen, dass Hilfsprogramme aufgelegt werden.
Wird Köln Firmen die Gewerbesteuer stunden?
Wir haben auch die Wirtschaft und die Kultur im Blick. Alles, was wir tun können, müssen wir tun, und zwar jetzt. Dazu gehört, dass die Stadt bei Betrieben, die wegen der Corona-Pandemie in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten drohen, die Gewerbesteuervorauszahlungen auf Antrag aussetzt oder reduziert. Bei allen Steuerarten besteht für Firmen in Notlagen die Möglichkeit, dass das Steueramt ihnen die Steuern stundet und keine Zinsen berechnet. Bei drohenden Vollstreckungsmaßnahmen kann die Aussetzung beantragt werden.
Trifft die Krise Köln als Event- und Kulturstadt besonders hart?
Ich denke, schon. Die großen Institutionen wie Bühnen, Philharmonie, Museen oder Lit.Cologne leiden sehr, daneben trifft es auch besonders die freie Szene, für die das teils existenzbedrohend sein kann.
Sie haben für Zusammenhalt geworben. Wie, denken Sie, werden die Kölner mit der Krise umgehen?
Ich bin überzeugt: Genauso wie die Kölner nicht nur von Integration singen, sondern das auch machen, werden sie auch in dieser Situation an die denken, die besonders betroffen sind und sich verantwortlich verhalten. Wir müssen es schaffen, ohne Ausgrenzung mit der Krise umzugehen. Und ich hoffe sehr, dass der eine oder andere für sich einen Nutzen aus der Entschleunigung ziehen kann.
Wie geht es weiter in der politischen Arbeit? Finden die Sitzungen des Rates und seiner Gremien noch statt?
In dieser Krisensituation werden wir Gremiensitzungen, die nicht unbedingt erforderlich sind, überdenken. Ich gehe davon aus, dass die nächste Ratssitzung am 26. März stattfindet. Möglicherweise wird die Tagesordnung reduziert. Als Verwaltung schlagen wir vor, dass weniger Ratsmitglieder teilnehmen, damit im Saal größere Abstände gewahrt werden können. Ob Ausschüsse stattfinden, entscheiden die Vorsitzenden in Abhängigkeit von der Dringlichkeit der zu treffenden Entscheidungen.
Wie wird sichergestellt, dass die Stadtverwaltung handlungsfähig bleibt?
Wir bauen derzeit die technischen Möglichkeiten auf, dass notfalls mehr als 6000 Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten können. Jedes Amt hat seine Aufgaben in drei Prioritäten aufgeteilt – von unverzichtbar über dringend bis aufschiebbar. Das Personal wird technisch so ausgestattet werden, dass die wichtigsten Aufgaben auch im Home Office bearbeitet werden können.
Wie schützen Sie sich selbst?
Ich halte einen gewissen Abstand zu anderen Menschen und fasse niemanden an außer meinen Mann.