- Henriette Reker schweigt noch über ihre Entscheidung bezüglich einer zweiten Amtszeit.
- Die Oberbürgermeisterin könnte den Wahlkampf entscheidend beeinflussen.
- Die SPD will sich Ende des Jahres 2019 in Stellung bringen.
Köln – Die Zeit läuft für Henriette Reker. In 62 Tagen tagt der Stadtrat das letzte Mal vor der Sommerpause, der 9. Juli ist ein Dienstag. Spätestens bis dahin will die Oberbürgermeisterin sich erklären, sagen was ist: Tritt sie bei der Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2020 noch mal an – oder nicht? Diese Frist hat sie sich selbst gesetzt, obwohl mancher im Stadtrat sagt: „Umso später, desto besser. Sonst geht der Wahlkampf sofort los.“
Am 15. Februar sitzt Henriette Reker (62) in der Redaktion der Rundschau, es ist der Tag nach einer Ratssitzung, die viele angesichts des Dauer-Zwists als Tiefpunkt empfinden. Hat Reker genug davon? Oder will sie eine zweite Amtszeit? An diesem 15. Februar sagt sie: „Lange kann es nicht mehr dauern. Irgendwann werde ich mich entscheiden, das eine oder andere zu machen. Das wird vor der Sommerpause passieren.“ Ihr Sprecher hat den Termin gerade erst erneut bestätigt. Zuletzt haben sich zumindest die Indizien vermehrt, Reker ist sehr präsent und grätschte der SPD bei ihrer Wunschkandidatin fürs Schuldezernat, Brigitte Meier, dazwischen.
Wahlkampf hängt an Rekers Entscheidung
Es ist eine Frage, an der die Statik eines kompletten Wahlkampfs hängt. Denn 2015 war Rekers Kandidatur ja ein Novum, ein Experiment. Die OB-Wahl fand ein Jahr nach der Kommunalwahl statt, die parteilose Sozialdezernentin vereinte CDU, Grüne und FDP hinter sich, sie lieferten Geld und Ehrenamtliche. Ein ungewöhnliches Trio, doch die Machtperspektive war zu verlockend – und ihr Mut zahlte sich aus. Am 18. Oktober holte Reker 52,66 Prozent der Stimmen, Jochen Ott von der SPD nur 32,02 Prozent.
Doch 2020 wird anders: OB- und Kommunalwahl finden am selben Tag statt. Es werden kaum drei Parteien an einem Stand für Reker werben. „Zunächst geht es darum, die eigene Partei stark zu machen“, sagt einer aus dem Unterstützerkreis von 2015 – zumal zumindest unklar ist, ob CDU, Grüne und FDP Reker noch mal unterstützen. Öffentlich hat das noch keiner verlauten lassen. „Wir warten auf die Entscheidung der OB“, heißt es. Rekers Entscheidung ist der erste Dominostein – das gilt auch für die SPD und ihre Taktik.
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Allerdings kann Reker sich kaum erst alleine entscheiden und danach die Politik fragen. Vielmehr wird sie wohl erst die Lage ausloten und anschließend sagen, ob sie antritt oder nicht.
Hat die OB alle drei Partner ausreichend zufrieden gestellt? Rekers Parteilosigkeit gerät schon mal zum Mühlstein, die OB muss möglichst allen von Zeit zu Zeit ein Zückerchen geben. Und wabert im Hintergrund noch die Stadtwerke-Affäre um die gescheiterte Berufung von Ex-SPD-Fraktionschef Martin Börschel? Reker hatte sich als Aufklärerin präsentiert – manche sagen, inszeniert.
CDU, Grüne und FDP im Stadtrat mit Differenzen
Im Stadtrat waren sich CDU, Grüne und FDP – abgesehen vom Haushalt – nicht immer einig, vor allem in Verkehrsfragen kamen Liberale und Grüne kaum überein. Das gilt auch für Schwarz und Grün, zumindest bei den großen Projekten wie etwa der Ost-West-Achse und der Frage: oben bleiben oder nicht? Schwarz-Grün war nahe an der Handlungsunfähigkeit, schob die Entscheidung auf.
Die Frage wird auch sein, ob Reker einen Amtsbonus hat. 2018 lieferte eine Forsa-Umfrage verheerende Ergebnisse, 61 Prozent der Befragten sprachen sich gegen eine erneute Kandidatur aus.
Und welche Rolle spielen die Grünen? Wollen sie einen eigenen Kandidaten testen? Der momentane Höhenflug in den Umfragen – rund 19 Prozent im Bund – könnte dazu verleiten. Wäre Umweltdezernent Harald Rau (57), zuletzt in Offenburg als OB-Kandidat gescheitert, eine Option? Beim Thema Klimaschutz und Verkehr drängt der Schwabe konsequent auf radikale Reformen, das kommt in der grünen Wählerschaft gut an.
Auch der Name Michael Vesper (67) fällt. Er ist Kölner, war Vizeministerpräsident von NRW und Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes. Solche Gedankenspiele laufen, auch wenn es bei den Grünen offiziell heißt, man wolle die Europawahl und Rekers Entscheidung abwarten, bevor man Diskussionen zum Kommunalwahlkampf beginnt. Mancher Grüner ist unzufrieden mit Reker, wünscht sich einen eigenen Kandidaten, auch um das eigene Profil zu schärfen.
Die Frage nach dem grünen OB
Doch wie realistisch ist die Vorstellung, dass Köln einen grünen OB bekommt? Tatsächlich könnte das geplante neue Wahlrecht dabei eine Rolle spielen. CDU und FDP haben die Stichwahl im OB-Wahlkampf gerade erst abgeschafft – und so vielleicht die Tür für die Grünen oder die SPD weiter aufgemacht als sie glauben. Das sieht auch Frank Bätge von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen so, er sagt: „Wenn Parteien in Sphären von 20 Prozent und mehr liegen, sind ihre Chancen zunehmend realistischer, im ersten Wahlgang zu gewinnen – vor allem, wenn es viele Kandidaten gibt.“Jedoch ist unklar, ob es bei der Abschaffung bleibt, SPD und Grüne im Land wollen vor dem Landesverfassungsgericht klagen.
Aber wo stehen die Parteien aktuell, um ihre Chancen zu bewerten? In der Kommunalpolitik ist das schwierig zu bemessen, die CDU hatte es zuletzt abgefragt, die Zahlen drangen an die Öffentlichkeit. Das Ergebnis: Die CDU hat 27 Prozent, die SPD 23, und die Grünen haben 19 Prozent. Demnach könnte ein eigener Kandidat für alle drei Sinn ergeben. Noch ist es nur ein Gedankenspiel – aber könnte das nicht auch eine Option für die CDU sein? Hochrangige Vertreter halten das für Unsinn. Vor allem: Hätte die CDU einen Kandidaten? Oder anders gefragt: Kann Bernd Petelkau (54) OB? Als Partei- und Fraktionschef hat er den Anspruch darauf. Wahrscheinlicher ist: Tritt Reker an, sind CDU und Grüne wieder dabei.
SPD nominiert Kandidaten Ende 2019
Die SPD will ihren Kandidaten im November oder Dezember offiziell nominieren. Bislang ist kein Zugpferd in Sicht, das den im Umfragetief dahindümpelnden Genossen ordentlich Rückenwind verschaffen könnte. Spekuliert wird etwa über eine Kandidatur von Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes (66). Die Ingenieurin und Ex-Bundestagsabgeordnete ist erste Stellvertreterin der OB – tritt Reker wieder an, könnte es für die SPD besonders reizvoll sein, eine Frau ins Rennen zu schicken.
Der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (66), der 2014 als OB-Kandidat gehandelt wurde, aber Platz für Jochen Ott machen musste, hat abgewunken. Mancher in der SPD hofft dennoch, dass „Nowabo“ es sich noch mal überlegt – ein echtes politisches Schwergewicht. Im Gespräch ist auch sein ehemaliger Kollege, Ex-NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (51). Der Niedersache ist Personalchef bei Thyssenkrupp Industrial Solutions, leitet seit September den Aufsichtsrat der Kölner Stadtwerke. Sobald Reker sich äußert, tickt für die SPD die Uhr. Man dürfe sich nicht zu spät festlegen, der Kandidat werde Zeit brauchen, heißt es.