Seit Freitagabend gilt das neue Verweilverbot am Brüsseler Platz. Wir waren vor Ort.
Brüsseler PlatzOrdnungsamt kontrollierte erstmals Verweilverbot - Demo von „Die Partei“
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Mitarbeitende des Ordnungsamtes hatten am Brüsseler Platz einiges zu tun: Auch diese Nachtschwärmer wurden weggeschickt.
Copyright: Nabil Hanano
Die Atmosphäre am Brüsseler Platz war am Freitagabend äußerst ungewohnt: Das Ordnungsamt patrouillierte mit zahlreichen Einsatzkräften an dem beliebten Treffpunkt im Belgischen Viertel. Denn seit Freitagabend gilt freitags, samstags und an Abenden vor Feiertagen auf dem Brüsseler Platz ein Verweilverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Kein längeres Stehenbleiben, Sitzen oder Feiern mehr am „Brüsseler“. Es war am Wochenende unübersehbar: Die Stadt setzt die neue Allgemeinverfügung, die eine Maßnahme nach einem Gerichtsurteil ist (wir berichteten mehrfach), strikt um.
Immer wieder wurden am Freitag kleine Grüppchen sehr zügig vom Ordnungsamt des Platzes verwiesen, in einigen Fällen gab es Diskussionen. Freundlich, aber sehr bestimmt wurden die neuen Regelungen von den Mitarbeitenden ausgesprochen. Eine Bilanz des Wochenendes konnte die Stadt am Sonntag auf Nachfrage noch nicht liefern, ein erstes Fazit soll am heutigen Montag veröffentlicht werden. Bei wiederholten Verstößen wird ein Bußgeld fällig. Jedoch muss für die konkrete Umsetzung von Bußgeldern zunächst eine ordnungsbehördliche Verordnung her. Der Entwurf soll voraussichtlich im März in den politischen Gremien beraten werden – den Delinquenten drohen 100 Euro Bußgeld oder mehr.
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Mit einigen Uneinsichtigen mussten die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes diskutieren.
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Nicht alle hatten die Einführung des Verweilverbotes mitbekommen
„Das ist nicht das Köln, welches ich kenne und liebe. Es ist unmöglich für die Kultur der Stadt. Ich habe Sorge, dass das lebendige Viertel hier dadurch kaputt geht.“ Die Ansicht von Marie (20) war am Freitagabend auf dem Brüsseler Platz keine Einzelmeinung. Mela und ihr Nachbar Marcel wohnen seit vielen Jahren am Brüsseler Platz und beide stören sich weniger an der Lautstärke, als an der „Inkonsequenz“ der Stadt, wie Mela betont: „Jahrelang wurde bei Schlägereien und anderen schwerwiegenden Vorfällen zu spät reagiert – nun wird völlig überzogen gehandelt.“ Der Lärmpegel sei weniger schlimm, nur in Ausnahmefällen habe es sie gestört.
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Nicht alle hatten die Einführung des Verweilverbotes überhaupt mitbekommen. Leon aus Nippes war völlig baff angesichts der Neuerungen. Seine Freundin Valeria klärt ihn über die neuen Gegebenheiten auf. „Wir finden das zum einen nachvollziehbar, zum anderen schade für Köln, und vor allem eine große Belastung für die Gastronomie“, erklärt sie. Denn nicht nur Nachtschwärmer sind von dem Verbot betroffen. Auch die Gastro-Betriebe am Brüsseler Platz müssen ab sofort ihre Außenanlagen um 22 Uhr schließen. „Dann dürfen ab 22 Uhr nur noch Gäste der Innengastronomie hinaus, um dort eine Zigarette zu rauchen sowie aufräumendes Personal“, heißt es dazu von Seiten der Stadtverwaltung.
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„Die Partei“ meldete die Demonstration am Samstag an.
Copyright: Nabil Hanano
„Das ist natürlich katastrophal für uns, wir machen uns Sorgen um unser wirtschaftliches Überleben. Im Sommer wird das Ganze wahrscheinlich besonders dramatisch werden“, befürchtet ein Kellner des Lokals „C. C. Kowalski“. Im „ROSA“ ist auch nach 22 Uhr noch viel los, die Kneipe ist mit dem typischen „Brüsseler“-Publikum gefüllt. Servicekraft Josephine Voss hat eine klare Meinung: „Für uns wird das sehr schwierig werden, wir sind nun mal auf die Menschen angewiesen. Das könnte sich hier zu einer Geisterstadt entwickeln.“
Immerhin will die Stadt Köln Alternativen vorlegen: „Der Stadtverwaltung ist bewusst, dass die Gastronomen und Gastronominnen durch die neuen Regeln wirtschaftliche Verluste verkraften müssen. Um sie so gering wie möglich zu halten, soll gemeinsam mit den Gewerbebetrieben überlegt werden, inwieweit die Außengastronomieflächen auf dem Platz neu geordnet und möglicherweise für die Zeiten vor 22 Uhr erweitert werden können“, hieß es kürzlich in einer Pressemeldung der Stadt. Im April soll der Rat darüber entscheiden, ob das Verweilverbot dauerhaft eingeführt wird, anschließend muss die Bezirksregierung es bestätigen. Damit sei nicht vor Mai zu rechnen.
Der zweite Abend mit dem neu eingeführten Verweilverbot verlief dann aber zunächst ganz anders: „Die Partei“ hatte im Vorfeld eine Demonstration gegen das Verbot angemeldet. Der Titel der Veranstaltung: „Anwohner nerven“. Nach einem Aufzug aus Richtung Rudolfplatz versammelten sich am frühen Samstagabend rund 50 Menschen auf dem Brüsseler Platz. Durch die offiziell durch die Polizei genehmigte Demo wurde das Verweilverbot für die Dauer der Veranstaltung ausgesetzt. Anhänger der Partei zündeten ein Lagerfeuer in einer Feuerschale an und machten es sich auf dem Platz gemütlich. Der friedliche, aber zeitweise lautstarke Protest endete gegen halb zwölf. Danijel Gojic, Vorsitzender der Partei, wollte sich am Sonntag nicht dazu äußern, ob es eine Wiederholung geben könnte. Nach der Demo kehrte wieder Ruhe auf dem Platz ein — und das Ordnungsamt drehte seine Runden.