In „Tanz im Dunkel“ thematisiert Max Annas das Fortleben nationalsozialistischer Gedanken in der Nachkriegszeit.
Neuer Thriller von Max Annas„Tanz im Dunkel“ thematisiert die Nachkriegszeit in Köln
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Der Autor Max Annas.
Copyright: Michele Corleone
„Barockengel“ — bei dem Wort tauchen erst einmal Bilder von bayrischen Dorfkirchen mit viel Schnitzkunst, Stuck und Gold vor dem inneren Auge auf. Aber Autokenner wissen, es handelt sich um den BMW 501/502, einen Wagen der Oberklasse von BMW. Die von 1952 bis 1964 gebauten Fahrzeuge erhielten den Beinamen wegen der geschwungenen Linienführung.
Auto wird zur Mordwaffe
Hanns Grewenig, Direktor der Deutschen Bank, befürwortete den Bau der Luxuslimousinen und Cabriolets oder auch Coupés in der Nachkriegszeit: „BMW-Wagen sollen die Visitenkarte der deutschen Gesellschaft sein“, zitierte ihn damals das Magazin Der Spiegel. Und dieses Auto wird nun in Max Annas neuem Krimi „Tanz im Dunkel“ zur Mordwaffe.
Ausgerechnet mit der „Visitenkarte“ wird der junge Auszubildende Karl nach einer Demonstration gegen die Wiederbewaffnung überfahren. Den Besitzer des seltenen Autos machen die Teenager Adi, Hagen und Gisela, die auf der Suche nach dem Mörder ihres Freundes Karl sind, schnell aus: Alfred Salz, ein Bonze, dessen Sohn Hakenkreuze auf Mauern im Köln des Jahres 1959 schmiert.
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Ganz viel Lokalkolorit und Atmosphäre fängt Max Annas in seinem Thriller ein. Die Flora kommt ebenso vor wie die Kölner Brauhäuser, dazu entwickelt der Autor einen Plot, der ganz schön spannend ist und gleichzeitig ein lebendiges Bild der Zeit des Wirtschaftswunders abgibt. Die Magie des Rock’n’Roll, der viele Jugendliche damals verfallen waren, kommt zum Tragen.
Karrieren fortgesetzt
Aber Annas belässt es in seinem Krimi nicht bei der Erzählung über Musik von und Filme mit Peter Kraus. Er thematisiert angesichts dieses oft als heimelig beschriebenen Zeitgeists gleichermaßen die Kontinuitäten, die nationalsozialistischen Gedanken, die allen Entnazifizierungsbemühungen der Alliierten zum trotz weiterleben. Juristen, Wissenschaftler, Unternehmer, Publizisten, Ärzte und Offiziere, die bis 1945 dem Naziregime treu ergeben waren, konnten in der Nachkriegszeit ihre Karrieren fortsetzen.
Das noch einmal in Form eines Krimis in Erinnerung zu rufen, macht Annas Buch so wertvoll. Neben Gisela, die gleichermaßen von Hagen und Adi umworben wird, gibt es in dem Buch den Einzelgänger Reinhard Clausen, der auch hinter Alfred Salz her ist. Und anderen Schergen, mit denen er aufgrund ihrer Machenschaften während des Nationalsozialismus noch manche Rechnung offen hat.
Max Annas erzählt das alles unaufgeregt, allerdings ist sein sprachlicher Rhythmus auf Dauer ermüdend und etwas anstrengend. Stakkato macht die Sätze zuweilen prägnant. Aber ein bisschen Melodie hätte dem Ganzen doch gut getan. Es braucht daher etwas Geduld, um sich einzulesen. In 55 Kapiteln sorgt der Autor aber für rasche Szenenwechsel, die mit dem guten Plot für die vielen kurzen Sätze entschädigen.
Max Annas: „Tanz im Dunkel“, Suhrkamp Verlag, 237 S. 17 Euro.