Kurt Prödel beeindruckt mit seinem Debütroman „Klapper“, einer Geschichte über Jugendliche, die in kleinstädtischen Provinzen zurechtkommen.
Kurt PrödelKölner Autor legt seinen Debüt-Roman „Klapper“ vor
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Der Kölner Autor Kurt Prödel
Copyright: Julia Sellmann
Klapper heißt eigentlich Thomas. Den Spitznamen bekam der nerdige Außenseiter von seinen Mitschülern verpasst, weil seine Gelenke seit dem letzten Wachstumsschub bei jeder Bewegung knackende Geräusche machen. Der knapp 16-jährige lebt in einer namenlosen nordrhein-westfälischen Kleinstadt.
Fassade des reichen Lebensstils
Auf seine Eltern kann er nicht zählen. Die eigentlich überaus liebenswürdige Mutter Conny leidet immer wieder unter depressiven Schüben, Vater Ralf unter massiven Minderwertigkeitskomplexen. Zwar hat er es zum Eigenheim in einer passablen Gegend gebracht, jedoch nur zum kleinsten Haus in der Straße. Das kompensiert er durch die Fassade eines „reichen“ Lebensstils.
Da wird zum Beispiel der Orangensaft von der Discounter-Eigenmarke vor dem Abendessen in eine Kristallkaraffe umgefüllt. Es könnte ja gerade ein Nachbar hineinspähen. Thomas hat die Sommerferien alleine vor seinem Computer verbracht. Am ersten Schultag kommt Bär in seine Klasse — und setzt sich neben ihn. Und sie ist die einzige, die ihn nicht wie einen Außenseiter behandelt.
Bär heißt eigentlich Vivi. Den selbstgewählten Spitznamen trägt sie mit Stolz. Schließlich überragt sie in der neuen Schule selbst die meisten Lehrer. Mit ihrer Familie bewohnt sie ein großes Haus im „richtigen“ Reichenviertel – also da, wo Klappers Vater auch gerne wäre. Bärs Eltern kümmert es nicht weiter, was die Nachbarn denken und lassen die Kinder einfach machen.
Doch hinter der fröhlich-chaotischen Fassade tun sich umso größere Abgründe auf. Dass die coole neue Mitschülerin, die in jeder Hinsicht über den Dingen zu stehen scheint, sich ausgerechnet neben den unbeliebten, als verschroben geltenden Klapper setzt, überrascht diesen selbst am meisten. Erst zögernd, dann immer schneller, nähern sich die beiden einander an.
Lob von prominenten Kollegen
Für kurze Zeit scheint es sogar, als könne Klapper mit Bärs Hilfe seinen Platz in der Schulgemeinschaft finden. Doch dann verändert eine Nacht alles. „Klapper“ ist das Romandebüt von Kurt Prödel, dessen Name klingt wie ein Pseudonym und den einige bereits aus der Late-Night-Show „Studio Schmitt“ oder als Schlagzeuger der Punkband „The Screenshots“ kennen könnten. Denen, die die aktuellen Trends auf dem Buchmarkt verfolgen, könnte die Grundidee vage bekannt vorkommen: Junger Protagonist – oder junge Protagonistin – in einer schwierigen Lebenssituation trifft auf vermeintlich „coolen“ Gegenpart, hinter dessen selbstbewusster Fassade aber ebenfalls dysfunktionale Verhältnisse lauern.
Damit gelang Caroline Wahl im vorletzten Jahr mit ihrem Debüt „22 Bahnen“ ein veritabler Bestseller. Passenderweise ist es auch Wahl, die dem Klappentext von „Klapper“ ein paar – überaus lobende – Worte hinzufügen durfte. Auch ein weiterer Kollege wird dort zitiert: der frisch dem „Club der Fünfziger“ beigetretene Benjamin von Stuckrad-Barre.
Zurück zur Pop-Literatur
Erinnern wir uns: In den ausgehenden Neunzigern war es von Stuckrad-Barre, der gemeinsam mit Alexa Hennig von Lange die Speerspitze einer neuen literarischen Bewegung bildete, die sich „Pop-Literatur“ nannte. Zweieinhalb Jahrzehnte später ist es vielleicht wieder einmal an der Zeit für einen literarischen Trend mit neuen, jungen Stimmen. Deshalb stellt sich gar nicht erst die Frage, ob und inwiefern Prödel von Wahls Grundidee inspiriert wurde.
Er hat mit „Klapper“ etwas völlig Eigenes geschaffen. Die Handlung siedelt er im Jahr 2011 an, in Rückblenden erzählt aus der Sicht des heutigen, 30-jährigen Klapper. Und trotz dieser engen zeitlichen Einordnung wirkt der Roman zeitlos. Alleine schon, wie er die Stimmung in dem Provinzstädtchen einfängt. Da fühlt sich jeder abgeholt, der seine Jugend abseits der großen Städte verbracht hat. Ganz gleich, ob diese Jugend in den frühen Zehner Jahren stattgefunden hat oder zwanzig, dreißig Jahre früher.
Kurt Prödel: Klapper, Roman, park x Ullstein, 240 S., 22 Euro