Björn Heuser wollte in der Interview-Reihe „Das andere Gespräch“ mal seiner zweiten Leidenschaft neben dem Singen frönen: dem Philosophieren.
Björn Heuser im Interview„Ich war immer so ein Außerirdischer“
Wenn der kölsche Barde Björn Heuser zur Gitarre greift, singen alle mit – ob im Brauhaus oder im Stadion. Die Bühne ist sein Habitat. Immer? Ingo Schmitz sprach mit dem 41-Jährigen über seine andere Seite, die ruhige und nachdenkliche.
Et iss wie et ess. Et kütt, wie es kütt. Ist das nicht genug der Philosophie?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Paragrafen des „Kölschen Grundgesetzes“ ein Rezept sein können für ein recht glückliches und zufriedenes Leben. Das klingt vielleicht trivial: Et kütt, wie et kütt. Aber es weiß doch wirklich niemand, was kommt im Leben. Da braucht es unbedingt Zuversicht: Et hätt noch immer jot jejange.
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Als sie sagten, im „anderen Gespräch“ würden Sie gerne übers Philosophieren reden, war ich schon erstaunt. Ich kenne Sie als jemanden, der Brauhäuser und sogar Stadien zum Mitsingen bringt. Da gehts eher um Bierseligkeit als um Tiefgründigkeit. Sind Sie der Clown mit einem lachenden und einem weinenden Auge?
Diesen Clown gibt es definitiv in mir. Vielleicht allerdings eher mit einem beobachtenden als einem weinenden Auge. Im Grunde hat aber alles, was ich mache, ob die Brauhauskonzerte oder das Nachdenken im stillen Kämmerchen ein und den selben Kern: Es geht immer ums Gefühl. Darum schließt für mich das eine das andere nicht aus. Ich freue mich sehr, dass ich die Menschen zum Lachen und Singen bringen kann. Das macht mir großen Spaß. Dabei bekomme ich sehr viel zurück. Trotzdem schaue ich kritisch auf das, was um mich herum passiert. Ich singe zum Beispiel bei jedem Auftritt das Lied von den Bläck Fööss „Du bess die Stadt, op die mer all he stonn.“ Manchmal frage ich mich, ob ich da noch so hinterstehen kann.
Warum?
Naja, wenn man zum Beispiel sieht, dass die Gewalt hier schon sehr zugenommen hat. So sehr, dass selbst ich als erwachsener Mann – der sich wehren kann, wenn es sein muss – mit einem beklommenen Gefühl nachts durch die Stadt gehe, weil ich Sorge habe, es könnte mich einer mit einem Messer bedrohen.
Wie sehen Sie sich selbst: Mehr Küchenphilosoph oder doch kölscher Kant?
Ich habe früher mal Philosophie studiert, auf Lehramt – aber nicht fertig. Das wurde mir irgendwann zu theoretisch und abgedreht. Ich finde das Leben einfach total kostbar und ich versuche jeden Tag so zu leben, dass ich abends beim Zubettgehen sagen kann, wenn das jetzt der letzte Tag war, war es doch cool. Darum bin ich irgendwann aktiv geworden, habe nicht mehr Aristoteles oder Heidegger gelesen, sondern habe die ganzen Gedanken, die ich mir gemacht habe, in meine Songs oder meinen Blog gepackt.
Das klingt, als seien Sie ein sehr feinfühliger Mensch. War das immer so?
Ich war schon als Kind sehr sensibel. Ich war immer so ein Außerirdischer. Heute werden Kinder schon mal als hochsensibel diagnostiziert. Als ich Kind war – 1982 – da wurde so etwas nicht so ernst genommen. So wurde ich einfach ein Außerirdischer. Beim Fußballspiel, war ich immer der Letzte, der gewählt wurde.
Der Außerirdische, der Außenseiter – und dann der Sprung auf die Bühne. Das muss doch eine enorme Überwindung gewesen sein?
Ja, verrückt. Ich mache Musik, seit ist 13,14 bin. Anfangs noch mit meinem Vater zusammen. Das Selbstbewusstsein, dass ich mir im normalen Leben hart erkämpfen musste, das war auf der Bühne nie eine Frage. Das war einfach da. Ich habe mich einfach dahin gestellt. Bis hin zum Rheinenergiestadion: Allein mit der Klampfe vor der Südkurve vor 15 000 Leuten. Wenn ich da heute drüber nachdenke, das war schon ein Wagnis, das hätte auch völlig in die Hose gehen können. Es gibt halt den privaten Björn, den nachdenklichen und den Bühnen-Björn, der Stimmung macht. Beides ist authentisch, beides ist ein Teil von mir.
Ziehen Sie sich zum Nachdenken richtig zurück?
Auf jeden Fall. Zeit für Kreativität wird immer weniger. Erst recht seit ich Vater geworden bin. Wenn ich wirklich nachdenken möchte über Texte für meine Sogs oder Kolumnen, dann muss ich mich wirklich ein paar Tage verkrümeln. Das mache ich auch regelmäßig.
Denkerstübchen?
Nee, ich liebe das Meer. Mein Großvater war Seemann. Der hat alle Weltmeere besegelt. Ich war ein Opa-Kind, habe ihn sehr geliebt, und da hat sicherlich etwas abgefärbt. Am allerliebsten bin ich am Wasser. Und mittlerweile kann ich auf Knopfdruck kreativ werden. Wenn ich weiß, ich fahre nach Italien und nehme zehn leere Blätter mit, dann weiß ich auch, wenn ich wieder komme, sind die voll. Die Zeit nehme ich mir total gerne, weil ich das wirklich liebe.
Welches Thema treibt Sie im Moment um?
Ein Thema, dass mich sehr bewegt, ist „Dankbarkeit“. Das klingt vielleicht etwas abgedroschen: Ich bin sehr glücklich, dass ich meinen Lebensunterhalt mit dem verdienen kann, was ich liebe. Es war immer mein Traum und Wunsch, meine Kreativität ausleben zu können. Dass genügend Leute das interessiert, dafür bin ich wirklich dankbar.
Dankbarkeit braucht ein Gegenüber. Wem sind sie dankbar?
Dem Leben und auch ein bisschen mir selbst, dass ich mich das traue. Als Kreativer muss man jeden Tag mit sich selbst kämpfen: Was ist cool, welcher Song könnte die Leute interessieren ..? Auch meiner Frau bin ich dankbar, dass sie es mit einem kreativen Chaoten aushält. Ich bin dankbar, dass wir einen gesunden tollen Sohn haben. Ich versuche sehr achtsam mit meinem Leben umzugehen.
Das war nicht immer so. Sie hatten mal einen Zusammenbruch.
Ja, ich war eine Zeit lang auf der Überholspur unterwegs. Bis ich einen Burnout hatte. Ich wollte immer mehr, immer weiter, immer größer. Ein Trend, der sehr gefährlich ist.
Dankbarkeit ist nicht gerade ein Begriff, der auf der Agenda einer Leistungsgesellschaft ganz oben steht. Fordern Sie das ein?
Ja, Dankbarkeit vermisse ich schon in unserer Gesellschaft. Was da auch mit reinspielt: Respekt. Vor allem älteren Menschen gegenüber. Wir haben hier in Köln schon ein sehr schönes Fleckchen zum Leben. Das haben wir denen zu verdanken, die diese Stadt nach dem Krieg wieder aufgebaut haben. Dass einige von ihnen an ihrem Lebensabend sehr wenig Geld haben, macht mich traurig und wütend. Oder Kinder im Alter meines Sohnes, die ohne Frühstück in die Schule gehen, weil es den Eltern scheißegal ist – so etwas bricht mir das Herz.
Was dagegen tun?
Wir brauchen mehr Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. Ich versuche meinen Teil dazu beizutragen. Wo immer es geht, etwas mehr Nächstenliebe zu leben. Ich erlebe eine junge Generation, der Achtsamkeit mit der Umwelt und unserem Planten sehr wichtig ist. Ich gehöre nicht mehr zu dieser Generation, aber sie macht mir Hoffnung, dass wir am Anfang einer Zeitenwende stehen – eine Wende hin zum Besseren.
Sie sind nun 41 Jahre alt. Der Beginn einer Altersweisheit?
Weisheit würde ich bei mir pauschal nie diagnostizieren (lacht). Vielleicht ändert sich langsam aber sicher mein Blick aufs Leben. Ich habe innerhalb von zwei Jahren meine Eltern verloren. Ein einschneidendes Erlebnis. Mit Anfang 20 ist das Leben voller „Hallos“. Nun kommen so langsam die „Goodbye’s“.
Machen wir einen Sprung, in ihr 75. Lebensjahr. Wann würden Sie sagen: Ich hatte ein erfülltes Leben?
Wenn ich mit 75 durch meine Stadt gehe, an einem genauso schönen Sommertag wie heute, mir nichts weh tut, ich immer noch einen wunderbaren Sohn habe, der ebenfalls zufrieden ist, meine Frau, die etwas älter ist als ich, ist immer noch dabei – ja, so würde ich mir das wünschen.
Die Reihe „Das andere Gespräch“
Auch in diesem Sommer sprechen wir im „anderen Gespräch“ jede Woche mit einem Prominenten – der das Thema wählen darf. Den Auftakt machte vergangene Woche CDU-Politikerin Serap Güler. Auch die Kölner Erfolgsautorin Melanie Raabe und Andre Haack sind dabei. Der Wirtschaftsdezernent der Stadt Köln spricht über das Schwimmen. Zugesagt haben weiter Sängerin Nici Kempermann (Kempes Feinest), Moderatore Thore Schöler- mann, FC-Coach Steffen Baumgart sowie die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer.