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„Alltag eine Qual“Zwei Kölner „Long Covid“-Betroffene erzählen

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In der Reha: Heike Skroce (vorne) und Gunda Moritz wollen wieder so fit sein wie vor der Infektion.

Köln – Das hohe Fieber, Atemnot, Muskelschmerzen, das alles hatte Heike Skroce (46) keine ernsthaften Sorgen bereitet. Selbst als Geschmacks- und Geruchssinn verschwanden, war das nach ihrer Corona-Infektion kein Grund zur Panik, schließlich deckten sich die Symptome mit all dem, was sie bislang über das Virus gehört hatte. „Anfangs war ich sogar froh, weil ich beruflich viel mit Kindern zu tun habe und dann erstmal immun sein würde“, erzählt die Theaterpädagogin und Schauspielerin (46). Das sieht sie nun anders.

Fünf Monate sind seit der Infektion vergangen, derzeit kämpft sie sich in einer ambulanten Reha für Herz, Lunge und Gefäße an ihre alte Form zurück. Heike Skroce trägt Joggingschuhe und Sporthose, so wie früher, als sie jeden Tag fünf Kilometer walken ging und mindestens fünfmal wöchentlich 90 Minuten klassisches Ballett trainierte. Zwei Monate hat sie im Bett gelegen, ihr erster Ausflug war der Weg zur Haustür und wieder hoch in die vierte Etage. „Ich habe keine Vorerkrankung, bin sportlich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es mich derart trifft“, sagt sie. Nun ist sie Long-Covid-Patientin.

50 Schritten mit Sauerstoffmaske

Auch Gunda Moritz (60) bewegt sich viel, wandert, fährt Fahrrad. Die Leiterin einer Kölner Kita gehörte Anfang Januar zu den ersten Corona-Erkrankten, die sich mit der Variante B.1.1.7 infiziert hatten, der aggressiven britischen Mutante. Als die Sauerstoffsättigung unter Raumluft immer schlechter wurde, folgte am zehnten Tag ihrer Infektion die Einlieferung in die Klinik. Zehn Tage lang lag sie auf der Intensivstation, ihre Kinder sorgten sich um ihr Leben. Mit 50 Schritten und Sauerstoffmaske hat sie in der Klinik wieder zu gehen begonnen, nun zeigt ihr Schrittzähler abends wieder 13 000 Schritte an. „Aber ich kann immer noch keine sieben Treppenstufen steigen. Es ist belastend und kurios, was Covid-19 mit einem macht“, resümiert sie.

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"Es herrschte zu Beginn eine gewisse Ratlosigkeit, weil viele Werte der Patienten normal waren." Dr. Justus de Zeeuw, Lungenfacharzt

Irgendwann saßen beide Frauen in der Praxis des Lungenfacharztes Dr. Justus de Zeeuw in einem urigen Vierkanthof in Poll. Nachdem sich das Corona-Virus über den Erdball zu verbreiten begann, dauerte es einige Monate, bis Menschen mit Langzeitfolgen bei Ärzten auftauchten. „Es herrschte zunächst eine gewisse Ratlosigkeit, weil bei manchen Patienten Lungenfunktion, Blutdruck und Sauerstoffwerte normal waren. Anfangs galt die Erschöpfung als psychische Reaktion, heute wissen wir, es ist klassisch“, erzählt Justus de Zeeuw. Seine Praxis liegt im ersten Stock. Er hat sich daran gewöhnt, dass viele seiner Patienten etwas länger für den Weg hinauf zu ihm benötigen.

Alltag nach Corona-Infektion eine Qual

Weil die Pandemie die Kulturszene lahm gelegt hat, kann Heike Skroce derzeit nicht arbeiten. Zwischendurch befallen sie immer wieder Zweifel, ob sie jemals wieder auf der Bühne in ihrem kleinen „Mi-Ma-Mut-Mach-Theater“ in Essen stehen wird. Das Stück „Rotkönig und Froschkäppchen“ hat sie in den vergangenen 15 Jahren zigmal gespielt. „Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob ich den Text noch hinbekomme. Meine Merkfähigkeit ist weg“, fürchtet sie. Denn die Infektion habe von Beginn an zu Konzentrationsschwierigkeiten geführt. „Am Anfang habe ich 20 Stunden am Tag geschlafen“, erzählt sie. Ärzte sprechen in solchen Fällen vom Fatigue-Syndrom.

Auch für Gunda Moritz war der Alltag nach der Corona-Infektion eine Qual. „Nichts ging mehr. Weder kochen noch duschen“, sagt sie. Auch ihr spielt das Gedächtnis öfters mal einen Streich. Neulich habe sie ihren Einkaufszettel vergessen und sei durch die Gänge des Supermarkts geschlendert, in der Hoffnung, dass ihr auf diese Weise wieder der ein oder andere Artikel von ihrer Liste einfällt. „Ich habe am Ende nichts gekauft, weil ich mich an nichts erinnern konnte“, verdeutlicht sie das Phänomen.

Das Phänomen Long Covid

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Professorin Clara Lehmann

958 Personen wurden für eine Studie der Uniklinik Köln nach ihrer Corona-Infektion für sieben Monate beobachtet. Das ursprüngliche Ziel war es, die Dauer der Immunität zu erforschen. „Wir wollten die Veränderungen im Immunsystem untersuchen, doch im Sommer tauchten dann Patienten auf, die auch Monate nach der Infektion noch Beschwerden hatten“, sagt Professorin Clara Lehmann, Infektiologin und Leiterin des Infektionsschutzzentrums. Mediziner nennen dieses Phänomen „Long Covid“.

Die beiden Frauen sind sich sicher, dass viel mehr Corona-Infizierte unter Langzeitfolgen leiden, als bekannt. Deshalb haben sie sich entschlossen, ihre Leidensgeschichte öffentlich zu machen. „Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Generell werden sportliche Menschen den Leistungsabfall eher bemerken und ihn dann auch mit der Covid-Infektion in Verbindung bringen“, vermutet Heike Skroce. Untersuchungen im Rahmen einer „Long Covid Studie“ (siehe Kasten) an der Kölner Uniklinik bestätigen den Verdacht.

Heike Jeß leitet das Training der ambulanten Rehabilitation „AmKaRe“. Stärkung der Atemmuskulatur, richtiges Atmen bei körperlicher Anstrengung – all das versuchen sie und ihr Team zu vermitteln. „Wir haben uns bisher um 20 Covid-Patienten in der Reha gekümmert, inzwischen bekommen wir täglich neue Anfragen“, erzählt sie. Drei oder vier Wochen dauert die Reha, für manche gibt es ein Anschlussprogramm.

Noch haben Mediziner offenbar kein Indiz gefunden, das Spätfolgen verlässlich anzeigt. Selbst Schichtaufnahmen der Lunge bei einer Computertomographie helfen nicht zuverlässig. „Hier lassen sich Veränderungen zwar auch sechs bis neun Monate später noch feststellen. Sie sagen absurderweise aber nichts über die Beschwerden der einzelnen Menschen aus“, verdeutlicht Dr. Justus de Zeeuw das Problem.

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„Stell Dich nicht so an“. „Das ist nur eine kleine Grippe“. „Irgendwann muss man sich auch mal zusammenreißen“ – Heike Skroce kann all diese Sprüche nicht mehr hören. Das Lungenfunktionsgerät hatte anfangs bei ihr nur 52 Prozent Leistung angezeigt, jetzt ist sie bei 68 Prozent. „Aber 80 sollten es schon sein“, weiß die Schauspielerin. Nach einer Anstrengung habe ihre Lunge mitunter gerasselt wie bei einem notorischen Kettenraucher. „Aber ich habe noch nie geraucht“, stellt sie klar.

Zwei Wochen noch, dann möchte Gunda Moritz wieder arbeiten gehen. Zurück in die Kita. „Das ist ein schöner Gedanke, aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe“, hegt sie leichte Zweifel. Sie fährt aus Nippes mit dem Rad zur Reha. Vorige Woche hatte sie 35 Minuten gebraucht, dann waren es wieder 45 Minuten. „Das ist dann frustrierend, aber damit muss ich klar kommen“, meint sie kämpferisch.Sie beide wollen Corona besiegen. Auch wenn es dauert.