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Szenen aus KölnDie meisten Kölner halten sich an die Ausgangssperre

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Ungewohntes Bild: Die Zülpicher Straße während der Ausgangssperre

Köln – Menschen hasten mit ihren Pizzakartons über den Eigelstein, vor einem Restaurant werden die Kunden ungeduldig und mahnen das Essen an. Ein Stück weiter am Hauptbahnhof laufen Fahrgäste um 20.50 Uhr eilig in das Gebäude, als ob die Bahnen ab 21 Uhr nicht mehr fahren würden. Es ist am Samstagabend offensichtlich: Die Ausgangssperre ist in den Köpfen der Kölner angekommen.

Die Straßen in der Innenstadt leerten sich am Samstagabendmehr und mehr. Straßenmusiker am Dom packen ein: „Geht nix mehr“, murmelt ein Mann und verschwindet in der beginnenden Dunkelheit. Auf dem Alter Markt, wo sonst in diesen Zeiten Menschen flanieren, essen oder trinken, ist kaum jemand zu sehen. Pizza-Boten auf ihren Rädern jagen über das Pflaster und beliefern ihre Kunden.

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Ein Kurier liefert Essen aus.

Dann plötzlich gehen auf dem Alter Markt die Fenster auf und die Menschen schauen verwundert raus: Laut ist das Karnevalslied „Wenn et Trömmelche jeht“ zu hören. Ist etwa eine Karnevalstruppe im Lockdown unterwegs? Nein. Es schallt laut aus einer Wohnung. Vermutlich Corona-Frust und Sehnsucht nach Karneval. Dann ist wieder Ruhe, und die ist in der Innenstadt ganz ungewohnt spürbar. Vermutlich schlafen die Mieter in der Altstadt an diesem Abend besser denn je. Von Partylärm kein Ton.

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Ein Schild weist auf die Ausgangssperre in Köln zwischen 21 und 5 Uhr hin.

Köln gleicht einer Geisterstadt. Bei einem Rundgang durch die Innenstadt entsteht der Eindruck: Es ist schon 3 Uhr morgens und die Stadt schläft. Aber es ist erst 21.30 Uhr. Ob auf dem Roncalliplatz, am Alter Markt, in der Schildergasse oder auf den Ringen – in der City ist es fast menschenleer. Besonders auffällig ist allerdings: Viele Obdachlose liegen in den Eingängen der Geschäfte, oft daneben Müllberge.

Kölner Polizei verzeichnet weitestgehend ruhige Nacht

Manche laufen durch die Einkaufsstraßen und betteln die wenigen Menschen verzweifelt an, die dort noch unterwegs sind. „Ich sehe hier immer mehr Obdachlose und Menschen, die in den Eingängen liegen und in den Mülleimer nach Essen suchten“, sagt der einzige Taxifahrer, der um 22 Uhr noch am Neumarkt steht. „Das ist mein Standpunkt seit Monaten. Jetzt rauche ich eine und dann fahre ich nach Hause. Nix los“, sagt der 62-Jährige.

Polizei und Stadt zeigen sich am Sonntag bei einer Bilanz auch erfreut, dass umgangssprachlich in der Nacht fast „nix los“ war. „Keine Probleme, alles ruhig“, sagt ein Kölner Polizeisprecher am Sonntagmorgen angesichts des sonstigen Einsatzgeschehens in einer Millionenstadt.

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Menschenleeres Köln

Wäre da nicht eine ausgeuferte illegale Techno-Party in einer Hütte in Westhoven gewesen, wäre die Bilanz ausgesprochen positiv ausgefallen. Abgelegen im Wald feierten zwischen 30 und 35 Personen. Dabei soll es sich um angehende Ärzte und Ärztinnen gehandelt haben, die dort ihre Examensparty ausschweifend feierten. Die Polizei überprüft, ob bei der Party auch Drogen konsumiert wurde. Als Ordnungskräfte vorfuhren, roch es intensiv nach Marihuana. Die Einsatzkräfte schlugen sich regelrecht durch Unterholz, um zu der Hütte zu kommen, in der gefeiert wurde. Als die Beamten die Tür zu der Party öffneten, flüchteten Männer und Frauen, versteckten sich auf dem Dach der Hütte oder versuchten, durch den Wald zu verschwinden.

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Viele Partygäste hätten sich sehr unkooperativ verhalten und wollten ihre Personalien zunächst nicht bekanntgeben, hieß es von der Stadt. Der Einsatzleiter des Ordnungsamtes zeigte sich gegenüber Journalisten „erschüttert“ darüber, dass ausgerechnet Mediziner in Corona-Zeiten eine Party schmeißen.

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Das Ordnungsamt Köln bei einer Patrouille

Ob die jungen Leute in Kliniken der Stadt Köln beschäftigt sind, soll nun schnell geprüft werden. Darüber hinaus sollen auch Lehrkräfte unter den Feiernden gewesen sein. Dem Veranstalter und den Teilnehmern drohen nun Bußgelder in Höhe von mehreren hundert Euro.

Randale am Kölner Barbarossaplatz

Gefordert war die Polizei auch am Barbarossaplatz. Eine Gruppe von überwiegend schwarz gekleideten Frauen und Männern aus der linksautonomen Szene randalierte dort am Samstagabend gegen 20 Uhr. Es wurden Rauchbomben auf Streifenwagen und Warnbaken auf Straßen und Schienen geworfen. Diese Gruppe habe nicht nur gegen die Ausgangsbeschränkungen, sondern für den Erhalt des Autonomen Zentrums in Köln demonstriert, sagte ein Polizeisprecher.

„Wir ermitteln gegen 30 Randalierer wegen Landfriedensbruchs“, ergänzte der Sprecher. Friedlich verlief dagegen eine Demonstration gegen die Ausgangssperren am Samstagabend auf dem Heumarkt. Etwa 250 Menschen demonstrierten unter dem Motto „Nein zu Ausgangssperren! Gesundheitsschutz statt Einschränkung unserer Grundrechte!“ Vor dem Beginn der Ausgangssperre um 21 Uhr war die Demo beendet.

Und dann wurde Köln zur Geisterstadt.