Im Raum Kall wurden in den vergangenen Monaten Kälber und ein Stück Rotwild gerissen. Während die einen einen Wolf dafür verantwortlich machen, ist Wolfsberater Markus Wunsch anderer Meinung.
Kälber gerissenJäger gehen von Wolf in Kaller Wäldern aus – Wolfsberater sieht das anders
Ein Wolf ist seit Monaten rund um Kall unterwegs und hat auch schon mehrfach Tiere gerissen. Da sind sich Jäger Wilfried Esser, Harald Heinen vom Ordnungsamt der Gemeinde Kall und Landwirt Paul Dreßen aus Kall sicher. Markus Wunsch, Wolfsberater und Revierförster beim Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher Börde, hat da so seine Zweifel: „In der Jägerschaft gibt es große Vorbehalte gegen den Wolf, und das Feindbild trübt häufig die klare Sicht auf die Dinge.“ Bei einem von ihm untersuchten Kälberriss in Kall seien Hunde am Werk gewesen und kein Wolf.
„Im Frühjahr sind innerhalb von rund zwei Wochen zwei meiner Kälber gerissen worden“, berichtet Landwirt Dreßen, der auf verschiedenen Wiesen rund um Kall seine schottischen Hochlandrinder weiden lässt. „Selbst die Knochen der Tiere waren weg. Das würde kein Hund machen“, ist sich Dreßen sicher. Er habe dann das Veterinäramt des Kreises Euskirchen angerufen, und Wolfsberater Wunsch habe daraufhin eine DNA-Probe genommen.
„Später bekam ich ein Schreiben, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Proben mit Hundekot verunreinigt gewesen seien“, erzählt der Landwirt. Vor Ort habe er aber keinen Hundekot gesehen. „Die Aussage, dass Proben angeblich verunreinigt sind, hören wir immer wieder“, ärgert sich Heinen. „Dreßen bleibt damit auf seinem Schaden sitzen. Dabei handelt es sich eindeutig um einen Wolfsriss“, kritisiert Jagdpächter Esser aus Erftstadt.
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Nach Angaben von Heinen, stellvertretender Ordnungsamtsleiter und selbst auch Jäger, wurde auch schon mehrfach ein Wolf im Gemeindegebiet gesehen. Auch auf Bildern einer Fotofalle sei er zu erkennen, wenn auch nicht sehr deutlich. Heinen war auch bei dem von Wunsch untersuchten Fall vor Ort gewesen und ist sich sicher, dass ein Wolf das Kalb gerissen hat: „Weil es zuvor geschneit hatte, waren die Spuren gut zu erkennen.“
Markus Wunsch hatte nach dem Kälberriss eine Probe entnommen und kommt zu einem anderen Ergebnis: „Alle Fußspuren stammten von mittelgroßen Hunden. Ich glaube, dass das Tier eines natürlichen Todes gestorben ist und dann von Hunden angefressen wurde.“ Ein Wolf fresse nicht mehr als fünf Kilogramm: „Wenn dann über Nacht ein Tier mit mehr als 20 Kilogramm fast komplett verschwindet, kann das kein einzelnes Tier gewesen sein.“ Ein Rudel habe sich aber mit Sicherheit nicht in der Eifel niedergelassen.
Vor einigen Monaten wurde nach Angaben von Heinen ein Rind in Keldenich getötet: „Weil der Halter die Überreste des Tieres anschließend mit in den Stall genommen hat, wurde eine Beprobung wegen der Verunreinigungen durch den Transport abgelehnt.“ Deshalb rät der Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung allen Haltern, die Tiere am Fundort liegenzulassen, bis der Wolfsberater da war. Vor etwa 14 Tagen, so Heinen, habe ein Jäger einen Wolf in einem Steinbruch bei Sötenich beobachtet.
Vier Wölfe in der Eifel
Jagdpächter Esser berichtet von einem aktuellen Fall: „In diesen Tagen wurde rund 800 Meter entfernt von Anstois ein Stück Rotwild gerissen. Auch in dem Fall spricht wieder alles für einen Wolfsriss.“ Der Vorfall sei behördlich gemeldet und an den Wolfsbeauftragten weitergeleitet worden. Heinen hat in dem Fall Zweifel: „Ich bin mir bei dem Riss nicht so sicher, dass es wirklich ein Wolf war.“
„Insgesamt gibt es vier Wölfe, die durch die Eifel laufen, sich aber meistens in Belgien aufhalten“, erklärt Wunsch. Da sei es durchaus möglich, dass sich ein Tier auch mal kurz im Kaller Bereich aufhalte. Meist handele es sich bei den angeblichen Wolfssichtungen aber um Verwechslungen: „Zuletzt haben mich mehrere Jäger angerufen und berichtet, dass in Schöneseiffen ein Wolf herumlaufe. Am Ende war es ein großer Schäferhund.“ Klar sei ferner, dass für 80 Prozent der Schafsrisse Hunde verantwortlich seien.
Harald Heinen kann auch nicht nachvollziehen, dass er nicht über die Ergebnisse der Proben informiert wird. Untersucht würden die Proben vom Senckenberg Forschungsinstitut. „Als ich dort wegen der Ergebnisse angerufen habe, bekam ich keine Antwort“, berichtet der stellvertretende Ordnungsamtsleiter. Daraufhin habe er sich an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen gewandt: „Der Mitarbeiter hat mich erst einmal gefragt, warum ich die Ergebnisse wissen wolle. Als ich dann auf die Gefahrenabwehr verwies, meinte er nur: ,Vom Wolf geht keine Gefahr aus’.“ Dem stimmt auch Wunsch zu: „So lange sich kein Rudel bildet, geht von den Wölfen keine ernstzunehmende Gefahr aus.“
„Bevölkerung muss informiert werden“
„Ich denke schon, dass die Bevölkerung ein Recht hat, über die Wolfsexistenz informiert zu werden, zumal der Wald in der Umgebung von Kall stark von Erholungssuchenden und Wanderern frequentiert wird und erst in diesem Jahr ein Waldkindergarten in der Nähe eingerichtet wurde“, meint Wilfried Esser. Die Weide, auf der die Kälber von Dreßen gerissen worden seien, liege nur rund 400 Meter vom Ortsrand entfernt. „Die Menschen sollten darauf vorbereitet sein, falls es einmal zu einer Begegnung kommen sollte.“
„Seit dem Frühjahr stellen wir außerdem fest, dass sich das Wild anders verhält. Einige Bereiche des Reviers werden deutlich weniger angenommen oder sogar gemieden“, berichtet Esser. Dazu gehöre auch der Bereich, in dem die gerissenen Kälber gefunden worden seien. Der Wildbestand sei im Vergleich zu den Vorjahren auch deutlich zurückgegangen.
Wunsch hat dafür Erklärungen, die nicht mit dem Wolf zu tun haben: „In den trockenen Jahren sind zum Beispiel viele Frischlinge gestorben. Ich habe viele Tiere gefunden, die wie mumifiziert waren.“ Hinzu komme, dass in Zeiten von Corona viele Menschen in den Wald geströmt seien und das Wild gestört hätten. Zusätzlich würden Waldbesitzer zunehmend das Rotwild verscheuchen, um Schäden an den Bäumen zu verhindern: „Das sind alles Gründe, warum sich das Wild anders verhält wie früher.“
Der Wolf ist in Deutschland eine „streng geschützte“ Tierart und genießt damit den höchst möglichen Schutzstatus. Das Landeskabinett hat im März eine neue Wolfs-Verordnung für Nordrhein-Westfalen erlassen. Sie soll ein einheitliches Verwaltungshandeln im Umgang mit dem Wolf ermöglichen und Entscheidungen der Naturschutzbehörden erleichtern.
Danach sind trotz artenschutzrechtlicher Verbote Maßnahmen zur „Vergrämung“ zum Schutz der menschlichen Gesundheit und zum Schutz von Weidetieren, eine Ausstattung von Wölfen mit Sendern zu wissenschaftlichen Zwecken sowie eine Tötung verletzter Tiere möglich. Über das Vorliegen einer Gefahr für die menschliche Gesundheit oder drohende Schäden für die Weidetierhaltung entscheidet das Umweltministerium als oberste Naturschutzbehörde.
Seit 2017 fördert Nordrhein-Westfalen im Rahmen der „Förderrichtlinien Wolf“ wolfsabweisende Herdenschutzmaßnahmen auf rund einem Drittel der Landesfläche.