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Rundschau-Debatte des TagesCDU und SPD mit der Wagenknecht-Partei - geht da was?

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Ottstedt Am Berge: Ein Wahlplakat der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit dem Slogan „Zukunft statt Landflucht“ hängt an einem Pfahl

Ein Wahlplakat der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit dem Slogan „Zukunft statt Landflucht“ hängt an einem Pfahl

Thüringen gilt als schwer regierbar. Mit der Wagenknecht-Partei gibt es erstmals seit Jahren eine Chance auf eine Mehrheitsregierung. Doch das BSW stellt noch vor der Wahl Bedingungen.

Eine ungewöhnliche Liaison aus CDU, SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) scheint nach den Umfragen derzeit Thüringens einzige Hoffnung auf eine Regierungsmehrheit zu sein. Nach fast fünf Jahren Minderheitsregierung unter Führung der Linken ist politische Stabilität in dem Bundesland zum handfesten Wahlkampfthema geworden. Das stellt vor allem die Christdemokraten vor große Probleme – in Erfurt, aber auch in Berlin.

Schon knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl sondieren die möglichen Partner nun indirekt, was mit wem geht – und pendeln im Wahlkampf zwischen Angriff und Zuneigung, Gelassenheit und Panik. Das Problem ist: Rechnerisch dürfte nach Umfragen eine Mehrheit ohne Einbindung von AfD oder BSW im neuen Landtag nicht möglich sein. Da mit der vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD unter ihrem Chef Björn Höcke niemand koalieren will, richten sich nun alle Blicke auf die Wagenknecht-Partei.

BSW schlägt erste Pflöcke ein

Das Pendeln zwischen Attackieren und Umwerben war vergangene Woche gut in einer TV-Runde zu beobachten, an der auch die thüringische BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf teilnahm. „Ich kenne Frau Wolf schon lange, und da waren auch pragmatische Dinge heute dabei“, sagte ein sichtlich aufgebrachter Georg Maier in der Runde, Spitzenkandidat der Thüringer SPD. Aber wenn das BSW meine, Bedingungen zu stellen, die man in Thüringen gar nicht regeln könne, mache man „doch was kaputt für die Menschen“. „Lasst uns doch das, was geht, zusammen ausloten, mit den Demokraten!“

Wagenknecht hatte ihre Position zu Krieg und Frieden zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung der Partei gemacht. Maier sprach von Erpressung, und CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt verbittet sich seitdem Einmischungen von außen. Das Thema gilt als mögliche Sollbruchstelle, wenn es zu Koalitionsverhandlungen der drei Parteien kommen sollte. Trotzdem lassen die Bundesparteien von CDU und SPD ihren Landesverbänden in Sachsen und Thüringen freie Hand. Zuletzt bekräftigte SPD-Chefin Saskia Esken, die Landesverbände bräuchten den Rat der Bundesebene in der Frage nicht.

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sieht in den vom BSW aufgestellten Forderungen eher Signale der Partei an die eigene Wählerschaft und an noch Unentschlossene. „Ich glaube, das sind Bedingungen, die den Wählerinnen und Wählern noch einmal versichern sollen, dass die Partei hier fest ist in ihren Grundsätzen“, sagt er. Bei Koalitionsverhandlungen sei es auf Landesebene sicher möglich, Lösungen zu finden. „Es ist ein Pflock, den man einrammt, aber es ist keine Brandmauer.“

Abstimmungen mit der AfD

Gerade für die CDU könnte ein solches Bündnis ein waghalsiges Konstrukt sein – schließlich war Wagenknecht einst die Ikone der Kommunistischen Plattform der Linkspartei, in ihren frühen Jahren mit teils stalinistischen Ansichten. Und sie war sogar SED-Mitglied. Das betont auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gern. Für ihn ist es ein klarer Widerspruch, dass die CDU eine Koalition mit seiner taumelnden Linken nach wie vor kategorisch ausschließt, aber mit der Partei von Wagenknecht auf Landesebene nicht.

Auch im Bund dürfte ein Bündnis mit dem BSW nicht bei jedem Christdemokraten Jubel auslösen. Zuletzt sorgten Aussagen von Vertretern des Bündnisses zum Umgang mit der AfD für Aufregung. In der Thüringer TV-Debatte hatte Spitzenkandidatin Wolf nicht ausgeschlossen, im Landtag für AfD-Gesetzesvorschläge zu stimmen, wenn diese vernünftig seien. Das öffnet nach Einschätzung des Experten Brodocz aber nicht die Tür für eine Zusammenarbeit zwischen BSW und AfD. „Da hat das BSW die Grenzen deutlich markiert, dass das damit nicht gemeint ist.“ Zudem beinhalteten Koalitionsverträge üblicherweise Regeln, wonach nicht mit anderen Parteien gestimmt werde.

Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei

„Interessanter“ seien die Aussagen für den Fall einer formlosen Tolerierung einer Minderheitsregierung, findet Brodocz. Das Szenario wäre dann dies: Setzt etwa CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt nach der Landtagswahl auf eine Minderheitsregierung unter seiner Führung und lässt das BSW außen vor, dann könnte die Wagenknecht-Partei im Erfurter Parlament zusammen mit der AfD Gesetze beschließen – an der Regierung vorbei, denn zusammen hätten die Oppositionsparteien dann eine Mehrheit.

Das gleiche Prinzip musste Ramelows rot-rot-grüne Minderheitskoalition in den vergangenen Jahren erleben – als die CDU mehrfach mit AfD-Stimmen eigene Gesetze durch den Landtag boxte und sogar eine Steuer senkte. Laut Brodocz könnten die BSW-Aussagen zur AfD also ein Signal an die CDU sein, dass man „schon auf eine verbindliche Form der Zusammenarbeit dringt“. Die Botschaft wäre: Regiert lieber mit uns, sonst überstimmen wir euch im Parlament.

In den Umfragen liegt die CDU in Thüringen derzeit mit Werten zwischen 21 und 23 Prozent auf Platz zwei hinter der AfD. Das BSW kommt auf 19 bis 21 Prozent. Brodocz würde darum nicht ausschließen, dass Katja Wolf am Ende vor Mario Voigt ins Ziel einläuft. Ein Abstand von zwei Prozentpunkten liege innerhalb der Fehlertoleranz solcher Umfragen. „Das heißt: In der Realität könnte es bereits jetzt so sein.“ (dpa)