In Sachsen überholt die AfD die CDU – und die Wähler zweifeln an der Brandmauer der Union. Droht Deutschland im Jahr 2024 ein großer Rechtsruck?
AfD im Umfrage-HochLandtagswahlen könnten „mehr umstürzen als bisher angenommen“
Die AfD liegt in Sachsen laut einer Wahlumfrage vor der CDU. Bei der Befragung des Meinungsforschungsinstitutes Civey und der „Sächsischen Zeitung“ (Dienstag) kam die AfD auf 37 Prozent, die CDU auf 33 Prozent. Vor einem Monat lagen die beiden Parteien in der gleichen Umfrage noch gleichauf.
Die SPD liegt demnach aktuell bei drei Prozent und muss um den Einzug in den Landtag bangen, die FDP kommt auf ein Prozent. Auch die Grünen mit sieben Prozent und die Linke mit acht Prozent liegen weit abgeschlagen hinter AfD und CDU. Die nächste Landtagswahl in Sachsen ist am 1. September 2024 geplant.
Sachsen: AfD überholt CDU in Umfragewerten
Die Meinungsforscher stellten 3004 Menschen die Sonntagsfrage: „Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl in Sachsen wäre?“. Die Befragung wurde zwischen 18. Dezember und 1. Januar online durchgeführt. Die Ergebnisse sind den Angaben zufolge repräsentativ unter Berücksichtigung der Fehlertoleranz (2,9 Prozentpunkte).
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Bei der Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Insa hatte die AfD Anfang September mit 35 Prozent den höchsten Zustimmungswert erhalten, die CDU landete mit 29 Prozent auf Platz zwei. Dahinter rangierten die Linke (9 Prozent), SPD (7), Grüne (6) und FDP (5).
Deutsche rechnen mit AfD-Ministerpräsidenten im Jahr 2024
Einer weiteren Umfrage zufolge rechnet die Mehrheit der Deutschen damit, dass die AfD bei mindestens einer der drei Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr die absolute Mehrheit erreicht und damit auch den Ministerpräsidenten stellen kann. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur halten 53 Prozent ein solches Szenario für wahrscheinlich und nur 32 Prozent für unwahrscheinlich.
Im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. In allen drei Ländern liegt die AfD in Umfragen vorne. In Brandenburg stellt derzeit mit Dietmar Woidke die SPD den Ministerpräsidenten einer Koalition mit CDU und Grünen. In Sachsen ist mit Michael Kretschmer ein CDU-Politiker Regierungschef, der mit Grünen und SPD zusammen regiert. In Thüringen führt Bodo Ramelow von der Linken eine Koalition mit SPD und Grünen.
Geringer Glaube an die „Brandmauer“ von Friedrich Merz
Eine Koalition mit der AfD schließen alle anderen in den drei Landtagen vertretenen Parteien derzeit aus. Die AfD könnte daher nach jetzigem Stand nur den Regierungschef stellen, wenn sie die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament erhält.
Allerdings glauben 42 Prozent der Befragten nicht, dass die CDU/CSU ihr Versprechen halten wird, auf Landes- und Bundesebene nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Nur 36 Prozent sind der Meinung, dass diese sogenannte „Brandmauer“ halten werde.
Zulauf für rechtsextreme Partei: AfD-Mitgliederzahlen stark gestiegen
Die AfD erhält unterdessen nicht nur bei den Umfragen immer mehr Zuspruch, auch die Mitgliederzahl der Partei ist stark gestiegen, teilte die AfD am Dienstag mit. Mit 40.131 Mitgliedern liege die Zahl rund 37 Prozent höher als noch Ende 2022.
SPD-Chefin Saskia Esken reagierte derweil auf den Höhenflug der AfD und erklärte, ein Verbotsverfahren gegen die Partei bleibe eine Option. „Ein solches Parteienverbot unterliegt zu Recht hohen Hürden. Aber ich bin überzeugt, dass wir das immer wieder prüfen sollten“, sagte Esken. „Es ist wichtig, dass über ein AfD-Verbot gesprochen wird und so auch Wählerinnen und Wähler aufgerüttelt werden.“
SPD-Chefin Esken: AfD-Verbot bleibt eine Option
Zur Begründung sagte Esken, die AfD sei Teil eines rechtsextremen Netzwerks, führe Listen unliebsamer kritischer Journalistinnen und Journalisten und richte Meldeportale für Lehrkräfte ein, die sich AfD-kritisch äußerten. „Sie nutzt jedes Thema, um Menschen aufzustacheln. Das ist für mich ganz klar demokratiefeindlich“, betonte Esken.
„Esken fällt außer einem AfD-Verbot sonst nix zu dem Thema ein“, erwiderte CDU-Politiker Dennis Radtke der SPD-Chefin. „Selbstkritik? Fehlanzeige“, fügte der Europa-Abgeordnete an. Radtke nahm auch seine eigene Partei angesichts der Umfragen in die Pflicht. „Wenn 42 Prozent glauben, die CDU würde die Brandmauer über Bord werfen“, zeige das, dass die Partei „noch Arbeit zu tun“ habe, so Radtke.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Landesverbände der Partei in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt wurden bereits als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
„Die überwältigende Mehrheit ist gegen Höcke. Sie muss aber auch wählen gehen“
Politprofis und Politologen wiesen unterdessen darauf hin, dass das „Rennen bei den Landtagswahlen im Osten vollkommen offen“ sei. Das sagte der Politikberater Johannes Hillje dem ZDF. Dass in Thüringen der AfD-Kandidat Björn Höcke Ministerpräsident werde, sei zwar nicht ausgeschlossen, aber wenig realistisch, erklärte derweil der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel.
„Wäre Thüringen ein eigenes souveränes Land, so wäre dies vorstellbar – als Teil der Bundesrepublik gegenwärtig nicht“, so Schroeder. Die Stimmung scheine derzeit zwar gefestigt, sei aber nicht „zementiert“, führte er aus. „Die überwältigende Mehrheit ist gegen Höcke. Sie muss aber auch wählen gehen.“
Sorgt die Wagenknecht-Partei für eine Schwächung der AfD?
Auch wenn Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Partei bei den Ost-Wahlen antrete, könne das die AfD empfindlich schwächen, erklärte unterdessen Hillje. „Sollte Wagenknechts Partei antreten, werden die Karten neu gemischt“, erklärte er im ZDF.
Der Kölner Politologe Thomas Jäger warnte unterdessen angesichts der aktuellen Werte aus Sachsen. „Falls die neue Umfrage für Sachsen die Wahlpräferenzen richtig abbildet, werden die Landtagswahlen mehr umstürzen als bisher angenommen“, schrieb Jäger bei X (vormals Twitter).
Alice Weidel: „2024 wird das Jahr der AfD“
AfD-Chefin Alice Weidel reagierte bisher nicht auf die jüngsten Umfrageergebnisse. Zu Silvester hatte Weidel auf ihrem X-Kanal angekündigt: „2024 wird das Jahr der AfD“. Die „unseriöse Ampel-Politik“ solle enden und „das Land vom Kopf auf die Füße“ gestellt werden, führte Weidel aus.
Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. (mit dpa)