Wasserstoff wird als Rohstoff für die Industrie immer wichtiger.
Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten – besonders die Entwicklungen für den Verkehr werden wichtiger.
Köln und das Rheinland sind in einigen Aspekten Vorreiter. Eine große Übersicht der Unternehmen, Fragen und Antworten.
Köln – Die RVK will über ein von der EU gefördertes und vom Land kofinanziertes Programm zunächst insgesamt 30 Brennstoffzellen-Busse in Köln und der Region einsetzen. Die Auslieferung hat gerade begonnen. Ein Bus kostet etwa 600.000 Euro, ein vergleichbares Dieselfahrzeug 250.000 Euro. Hergestellt werden sie vom belgischen Familienunternehmen Van Hool, das unweit von Antwerpen seinen Sitz hat.
„Die Busse haben sich als sehr zuverlässig erwiesen und mit einer Reichweite von 300 Kilometern eignen sie sich gut für den Linienbetrieb. Aufgetankt sind sie in acht Minuten. „In Hürth gibt es das Ziel, irgendwann den gesamten Busverkehr mit Wasserstoff-Bussen zu bestreiten“, berichtet Albrecht Möllmann, Vorsitzender von HyCologne. Die RVK will in den nächsten Jahren 100 weitere Wasserstoffbusse anschaffen.
Wie sieht es bei Pkw mit Wasserstofftechnik aus?
Die Zahl der Wasserstoff-Autos ist noch sehr überschaubar, obwohl Toyota, die ihr Deutschland-Geschäft von Köln aus betreiben, mit dem Mirai ein solches Auto im Angebot haben. Knapp ein halbes Dutzend solcher Fahrzeuge sind aktuell auf den Straßen rund um Köln unterwegs. Das liegt auch an Anschaffungskosten um die 60 000 Euro. „Das wird sich dann schnell ändern, wenn solche Autos im großen Stil produziert werden. Toyota hat ja gerade die Verzehnfachung der Produktion des Mirai angekündigt. Wir haben bei den Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos ein Produkt, das durchaus massentauglich ist, das aber noch nicht in Massen produziert wird“, sagt Möllmann. Demnächst testet auch die Kölner Stadtspitze die neue Technologie. Einer von drei neuen Dienstwagen, ein Mercedes GLV F-Cell, nutzt den Wasserstoffantrieb. Zwei sind mit Plug-in-Hybrid unterwegs.
Lange litten Brennstoffzellen-Pkw unter einem dünnen Tankstellennetz für Wasserstoff. Jetzt gibt es immerhin nicht nur eine H2-Tankstelle am Kölner Flughafen, wo auch der Wasserstoffbus aus Bergisch Gladbach tankt, sondern auch eine in Köln-Marsdorf. Weitere sind geplant, etwa auch in Leverkusen. Insgesamt gibt es rund 70 solcher Tankstellen in Deutschland, 2023 sollen es 400 sein.
Durch die hohen Umwandlungskosten werde ein Einsatz von Wasserstoff im Pkw-Bereich derzeit als nicht effizient angesehen, sagte Sarah Maier, Wasserstoffexpertin beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Untersucht werde Wasserstoff hier parallel zur E-Mobilität aus Gründen der Technologieoffenheit. Potenzial sieht sie aber beim Schwerlastverkehr. „Am aussichtsreichsten lässt sich Wasserstoff in der Industrie einsetzen, etwa bei der Stahlerzeugung, in der Chemieindustrie und bei Raffinerien“, sagt Maier. Beispiele gibt es auch in der Region.
Wo steht die Region derzeit bei der Wasserstoff-Technik?
Ein Hotspot ist die Shell Rheinland Raffinerie in Wesseling, wo im Juni der Bau der weltgrößten Anlage für Wasserstoff-Elektrolyse begann. Hier wird demnächst Wasser mithilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. 16 Millionen Euro werden in das von der EU geförderte Projekt investiert. Der Wasserstoff, den die Zehn-Megawatt-Anlage produzieren soll, deckt nur einen Bruchteil des Bedarfs der Raffinerie. Dort benötigt man im Jahr 180 000 Tonnen Wasserstoff, um Benzin und Diesel zu entschwefeln.Produziert wird Wasserstoff auch im Chempark in Dormagen – allerdings auf herkömmlichem Weg.
Dort hat Air Liquide für 100 Millionen Euro einen sogenannten Steamreformer errichtet, der aus Erdgas und Dampf durch Erhitzen Wasserstoff und Kohlenmonoxid produziert. Abnehmer der Jahresproduktion von 22 000 Tonnen Wasserstoff sind Firmen im Chempark, auch das Kohlenmonoxid wird als Chemierohstoff verwendet. Dieser „graue“ Wasserstoff (siehe Kasten) ist deutlich günstiger in der Herstellung. Wasserstoff durch Elektrolyse unter Einsatz von erneuerbaren Energien ist laut Maier derzeit nicht wirtschaftlich einsetzbar.
„Der Zielpreis für ein Kilogramm Wasserstoff liegt bei ein bis zwei Euro, derzeit kostet die Herstellung des „grünen“ Wasserstoffs bei optimalen Bedingungen etwa fünf Euro“, sagt Maier. Wann die Lücke zwischen dem Zielpreis und dem derzeitigen Herstellungspreis in Deutschland geschlossen werde, lasse sich nur schwer vorhersagen.
Wie soll es im Rheinland weitergehen?
Im Verein der Wasserstoff-Region Rheinland wollen unter anderem die Städte Brühl, Hürth und Köln, die Stadtwerke Hürth und Brühl, der RVK, der Flughafen Köln/Bonn, die Fachhochschule Köln, das Forschungszentrum Jülich, die IHK Köln sowie Unternehmen wie Linde die neue Technologie voranbringen.
Dazu soll auch ein vom Land NRW ausgerufener Wettbewerb für Wasserstoff-Mobilität dienen. „Städte aus dem Großraum Köln haben sich gemeinsam als Modellregion beworben. Dazu gehören Köln, Brühl, Hürth, Wesseling sowie der Rhein-Sieg-Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis. Partner sind unter anderem Toyota, Deutz, Shell und der Flughafen Köln/Bonn. Mit dem abgegebenen Grobkonzept konnte man schon die Jury überzeugen.
Nun gehört man „zusammen mit Düsseldorf und Steinfurt zu den drei ausgewählten Regionen, die in der zweiten Stufe des Wettbewerbs bis Mai ein Feinkonzept mit einer kompletten Wertschöpfungskette erstellen dürfen“, erläutert Frank Benzel, Projektmanager bei HyCologne. Schub sollte auch ein neues Kompetenzzentrum am Forschungszentrum Jülich bringen.
Professor Peter Wasserscheid entwickelte eine Technik, mit der Wasserstoff an ein Trägermaterial gebunden wird und leichter transportiert werden kann. Diese Technik soll in Jülich mit Partnern aus der Industrie großflächig demonstriert und im Alltag getestet werden. (raz)
Autos, Flugzeuge und die Industrie
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Wasserstoff als den „vielleicht aussichtsreichsten Energieträger“ bezeichnet. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier spricht von einem „Schlüsselrohstoff, der unverzichtbar für eine erfolgreiche Dekarbonisierung“ sei. Auch die NRW-Regierung setzt auf die „Schlüsseltechnologie für die Energiewende“. Die Nutzung von treibhausgasarmem Wasserstoff hat für sie das Potenzial für bis zu 130 000 neue Jobs in NRW.
Bis zum Jahresende will die Bundesregierung eine große Strategie für den Wasserstoff vorlegen und schreibt diesem im Klimaschutzpaket „eine zentrale Rolle für den Umbau der Wirtschaft“ zu. Zwar ist die Gewinnung energieintensiv und teuer. Würde aber beispielsweise überschüssiger Wind- oder Solarstrom verwendet werden, der derzeit billigst ins Ausland abgegeben wird, könnte Wasserstoff als ideales Speichermedium dienen.
Strom aus Wasserstoff-Brennstoffzellen kann Fahrzeuge antreiben und hier den Verbrennungsmotor ersetzen. Neben Pkw und Bussen können das auch Lkw sein, wie gerade etwa in der Schweiz getestet wird. Wasserstoff- Gabelstapler kurven bereits durch das Leipziger BMW-Werk. Sogar mit Wasserstoff angetriebene Flugzeuge wurden bereits entwickelt und getestet.Hier hofft man in den kommenden zehn Jahren auf emissionsfreie Flüge im Passagierbereich mit einer Reichweite von bis zu 800 Kilometern.
Zwischen Buxtehude und Cuxhaven pendelt seit dem vergangenen Jahr ein Nahverkehrszug des Herstellers Alstom mit einem Wasserstoff-Antrieb. Und die Reederei Aida Cruises will mit der „Aidanova“ im Jahr 2021 das erste mit Wasserstoff angetriebene Kreuzfahrtschiff auslaufen lassen. Ein mit Wasserstoff betriebenes U-Boot gibt es bereits seit Jahren.
Brennstoffzellen versorgen auch Eigenheime mit Strom und warmem Wasser. In der Chemieindustrie dient er als wichtiger Rohstoff. In Raffinerien wird Wasserstoff unter anderem zur Entschwefelung der Vorprodukte von Benzin und Diesel eingesetzt. Bei der Stahlherstellung reduziert H2 die CO2-Emissionen. (step)