Karlsruhe – Käufer eines vom Dieselskandal betroffenen Gebrauchtwagens, die mit ihrer Schadenersatz-Klage gegen VW zu lange gewartet haben, gehen endgültig leer aus. Für sogenannten Restschadenersatz, den es in bestimmten Fällen bei Verjährung noch geben kann, lägen hier nicht die Voraussetzungen vor, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag. Bei Neuwagen ist die Frage noch offen.
Was schon entschieden wurde
Laut dem ersten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Dieselskandal haben betroffene Kläger Anspruch auf Schadenersatz von VW. Sie können ihr Auto zurückgeben und bekommen ihr Geld wieder. Diese Spezialfragen sind bereits entschieden:
Später Kauf: Wer sein Auto erst nach Auffliegen des Abgasskandals im September 2015 gekauft hat, geht leer aus. Eine Arglosigkeit, die VW hätte ausnutzen können, ist nicht mehr gegeben.
Software-Update: Das verpflichtende Update, mit dem die Betrugssoftware deaktiviert wurde, ist keine neue unzulässige Abschalteinrichtung. Allein deswegen gibt es keinen Schadenersatz.
Vielfahrer: Wenn jemand die geschätzte Laufleistung seines Autos voll ausgeschöpft hat, bleibt vom Schadenersatz nichts übrig.
Keine Deliktzinsen: Erfolgreichen Klägern muss Volkswagen den Kaufpreis nicht noch rückwirkend verzinsen. Die Kunden hätten für ihr Geld ein voll nutzbares Auto bekommen, so der Bundesgerichtshof.
Ratenkauf: Zum Schadenersatz gehören auch Extra-Kosten für eine Ratenfinanzierung wie Darlehenszinsen. VW muss getäuschte Kunden grundsätzlich so stellen, als ob sie das Auto nie gekauft hätten.
„Kleiner Schadenersatz“: Wer sein Auto behalten will, hat Anspruch auf Ausgleich des Minderwerts.
Weiterverkauf: Wenn jemand sein Auto weiterverkauft hat, ist der Schadenersatz-Anspruch nicht entfallen. Der Erlös wird mit den gefahrenen Kilometern vom Kaufpreis abgezogen.
Verjährung: Die Schadenersatz-Ansprüche verjähren nach drei Jahren. Wer unzweifelhaft 2015 vom Dieselskandal wusste und erst 2019 oder später geklagt hat, geht leer aus.
Konzernmarken: Hier braucht es Anhaltspunkte für eine Beteiligung an dem Abgasbetrug. Bei schlüssiger Begründung unterlag Audi im Einzelfall aber auch schon.
Leasing: Wer sein geleastes Auto uneingeschränkt nutzen konnte, bekommt nicht die geleisteten Raten zurück. (dpa)
Die obersten Zivilrichter entschieden auch, ab wann es grob fahrlässig war, nicht zu prüfen, ob das eigene Auto vom Skandal betroffen ist. Das ist für die Frage wichtig, wann Ansprüche gegen VW verjähren.
Ein höchstrichterliches Urteil zum Restschadenersatz war mit Spannung erwartet worden, denn das Thema steht inzwischen im Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung um den VW-Skandalmotor EA189. Am BGH dreht sich ein Großteil der derzeit eingehenden Diesel-Revisionen vor allem darum. Laut Volkswagen betrifft das Thema insgesamt knapp 10000 laufende Verfahren, in mehr als 70 Prozent der Fälle geht es um gebraucht gekaufte Autos – hier ist jetzt der Ausgang vorgezeichnet. Auch bei den Neuwagen dürfte es bald eine Entscheidung geben. Dazu verhandelt ein anderer BGH-Senat am 21. Februar.
Restschadensersatz greift nicht
Geregelt ist der Restschadenersatz in Paragraf 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Danach kann es auch nach Eintritt der Verjährung noch Ansprüche geben, wenn „der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt“ hat.
Bei einem gebraucht gekauften Diesel mit dem VW-Skandalmotor EA189 greift die Regelung aber nicht, wie die BGH-Richter jetzt entschieden. VW habe „einen etwaigen Vorteil bereits mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen realisiert“. Beim Weiterverkauf dagegen partizipiere der Wolfsburger Autobauer weder unmittelbar noch mittelbar am Gewinn. Man könne auch nicht argumentieren, dass der Schaden quasi weitergereicht werde, so der Vorsitzende Richter Rüdiger Pamp.
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Schadenersatz-Ansprüche müssen binnen drei Jahren geltend gemacht werden, sonst verfallen sie. Der Dieselskandal war im Herbst 2015 aufgeflogen. Bis Ende 2018 waren Klagen also in jedem Fall möglich. Viele zogen aber erst 2019 oder noch später vor Gericht. Diese Kläger können sich nur darauf berufen, dass sie erst mal nichts mitbekommen hätten oder ihnen erst später klar wurde, dass auch ihr Auto betroffen ist. Denn laut Gesetz beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem „der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste“. Im zweiten Teil ihrer Entscheidung stellten die BGH-Richter nun erstmals klar, dass grobe Fahrlässigkeit ab Ende 2016 anzunehmen ist. Damit endet die Verjährungsfrist in diesen Fällen Ende 2019. (dpa)