Bergheim – „Eine hochwertige und zügige Flächenentwicklung ist entscheidend für den Strukturwandel im Rheinischen Revier“, sagt Lars Kulik, Vorstandsmitglied von RWE Power. Tempo machen soll dabei jetzt die gemeinsam mit dem Land NRW auf Schloss Paffendorf gegründete Gesellschaft „Perspektive. Struktur.Wandel GmbH“. Dort, wo der Energiekonzern ein Informations- und Veranstaltungszentrum betreibt, hat auch sie ihren Sitz.
An der Gesellschaft hält RWE 49,9 Prozent, das Land NRW 50,1 Prozent. „Insbesondere wird die Klärung von Entwicklungspotenzialen von ausgewählten, nicht mehr für den Betrieb erforderlicher Standorten der RWE Power AG im Vordergrund stehen“, sagt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU).
Kritik der Grünen
Kritik an der neuen Gesellschaft äußerten die Grünen. Die Landesregierung stärke die Macht des RWE-Konzerns, sagte die Landtagsabgeordnete Antje Grothus: „Da ausgerechnet diejenigen Flächen, auf denen am sinnvollsten und schnellsten Arbeitsplätze zu schaffen sind (Weisweiler und Frimmersdorf) in den PSW-Planungen fehlen, entsteht der Eindruck, dass hier kurz vor der Landtagswahl werbewirksam Konzerninteressen bedient werden sollen.
„Bei der neuen Unternehmung herrscht Beton-Mentalität“, kritisierte Peter Hirseler, Fraktionschef der Grünen im Rat von Bergheim. Anstatt bestehende Kraftwerksflächen zu nutzen, würden zusätzliche Freifläche zerstört. Besonders deutlich werde das bei der Fläche des des einst geplanten BoA-Plus-Kraftwerks. „Hier hat noch nie ein Kraftwerk gestanden, jetzt soll sie als angebliche Nachnutzung von Kraftwerken zubetoniert werden“, so Hirseler. (raz)
Die GmbH soll mit den betroffenen Kommunen zusammenarbeiten, aber auch mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) und den Zweckverbänden Landfolge Garzweiler oder Indeland. Die Aufgabe sei groß, da brauche es viele, die sich darum kümmern, hieß es. Kleiner geworden ist sie nicht dadurch, dass der Ausstieg aus der Braunkohle nach dem Willen der Bundesregierung „idealerweise“ bereits 2030 erfolgen soll und damit acht Jahre früher als zuvor geplant.
Attraktive Nachnutzungen müssen her, neue Arbeitsplätze als Ersatz für die wegfallenden in der Braunkohle. Nachhaltig sollen sie sein, vielleicht können einmal Elektroautos da gebaut werden, wo heute noch Kraftwerke Kohle verheizen.
RWE benötigt diese Standorte nicht mehr und kann verkaufen
Zunächst geht es um insgesamt 200 Hektar, fast 300 Fußballfelder, auf dem Neurather Kraftwerksgelände, um die frühere Baustellen-Einrichtungsfläche am Kraftwerk Niederaußem, wo nie ein geplantes BoA-Kraftwerk gebaut wurde, und um die sogenannten Tagesanlagen des Tagebaus Hambach mit ihren Verwaltungs-, Sozial- und Werkstattgebäuden sowie Lagerflächen etwa für Kohle.
Den Standorten gemeinsam ist, dass RWE sie nicht mehr benötigt und verkaufen kann. An den eigentlichen Kraftwerksstandorten untersucht der Konzern laut Kulik dagegen, ob dort neue Gaskraftwerke gebaut werden können. Die würden aber vergleichsweise wenig Platz beanspruchen. Außerdem will RWE Ökostromanlagen mit 500 Megawatt Leistung im Rheinischen Revier errichten.
Für Investoren seien die Standorte interessant, so Kulik, weil sie hervorragend angebunden seien. Es gibt Bahngleise und gut ausgebaute Straßen oder Autobahnen. Ein weiterer Vorteil: Planungs- und Genehmigungsverfahren lassen sich schnell durchführen, weil es sich um genehmigte Industrieflächen handelt.
Eine Ansiedlung von Industrie sei aber nicht nur einfacher. Das verhindere auch eine weitere großflächige Flächenversiegelung in der Region. „Das ist gelebte Nachhaltigkeit im Umgang mit dem knappen Gut Fläche“, sagt Erik Schöddert, RWE-Flächenmanager und einer der Geschäftsführer der neuen Gesellschaft. RWE wolle an erfolgreiche Aktivitäten anknüpfen, mit denen der Konzern in den letzten 20 Jahren mit den Kommunen rund 300 Hektar Gewerbeflächen entwickelt habe – Raum für fast 8000 Arbeitsplätze in der Region, so Kulik.
Das Land NRW hat die landeseigene Entwicklungsgesellschaft NRW.URBAN mit der Geschäftsbesorgung beauftragt. Sie besitzt bereits Erfahrung bei der Konversion von Flächen im Ruhrgebiet. Allerdings sollen im Revier die Kommunen besser eingebunden werden.
Neben einer potenziellen gewerblichen Nachnutzung der Flächen seien weitere Nutzungen denkbar, die einen qualitätsvollen Beitrag zur Gestaltung des Strukturwandels leisteten, so Henk Brockmeyer, der zweite Geschäftsführer. Jedenfalls erforderten die Flächen besondere Entscheidungswege, eine umfangreiche Bestandsaufnahme, Qualifizierung durch Gutachten und Beteiligungsverfahren. Viel Abstimmung sei nötig.
Politiker aus der Region verlangten ein Gesamtkonzept. Im Kern begrüßten sie aber die neue Gesellschaft. Anders als im Ruhrgebiet gebe es im Rheinischen Revier auch viele kleine Kommunen mit vielen kleinen Verwaltungen. Die könnten Unterstützung durch das Land gut gebrauchen, meinte Bauministerin Scharrenbach.