Berlin – SPD-Chef Lars Klingbeil findet sie „sehr überlegenswert“ - Ökonomen sind uneins: Die Debatte über die Einführung einer Steuer auf übermäßige Unternehmensgewinne in Kriegs- und Krisenzeiten gewinnt an Fahrt. Nach Informationen der „Welt“ will Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) schon am kommenden Freitag im Bundesrat im Rahmen einer Gesetzesinitiative über die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer abstimmen lassen. Auch von den Grünen kommt Zuspruch.
„Eine Steuer auf Kriegs- und Krisengewinne ist ein Instrument, das auf dem Tisch liegt und das ich sehr überlegenswert finde“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Wochenende. Eine solche Steuer werde in Großbritannien und Italien bereits eingesetzt, die Europäische Kommission sei ebenfalls dafür. „Damit müssen wir uns in Deutschland natürlich auseinandersetzen.“ Angesichts der milliardenschweren Entlastungspakete beschäftige er sich intensiv mit der Frage, „wie wir mit den Krisen- und Kriegsgewinnern umgehen, die von der derzeitigen Lage massiv profitieren“, führte Klingbeil aus. „Die müssen wir stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls heranziehen.“
Klingbeil: „Spekulation durch Mineralölkonzerne“
Die Steuer wird vor allem angesichts der hohen Spritpreise und der Gewinne für die Mineralölwirtschaft diskutiert. Diese Konzerne hätten „ihre Profite in den vergangenen Monaten massiv gesteigert“, sagte er. Es gebe derzeit keine Knappheit an Benzin und Diesel, aber „Spekulation durch die Mineralölkonzerne. Das lassen wir ihnen nicht durchgehen“, warnte Klingbeil. Auch Bremens Bürgermeister hält eine solche Steuer für nötig. „Die Mineralölkonzerne verdienen sich derzeit schlicht und ergreifend eine goldene Nase“, sagte er der „Welt“. Die hohen Spritpreise ließen sich „ganz sicher nicht“ mit der Entwicklung der Ölpreise erklären. „Es ist eine Frage der ökonomischen Vernunft und der Fairness, sich zumindest einen Teil dieser Sonderprofite zurückzuholen, um sie für die Finanzierung der notwendigen Entlastungspakete zu nutzen.“
Nach den Vorstellungen von Bovenschulte soll erst Ende des Jahres festgelegt werden, welche Firmen die Zusatzsteuer bezahlen sollen. Dann erst sei klar, wer profitiert habe. Er schließe auch nicht aus, dass andere Branchen den Ukraine-Krieg „nutzen, um Preiserhöhungen durchzusetzen und die eigenen Profite zu maximieren“.
Grüne sind für Übergewinnsteuer
Auch Grünen-Chef Omid Nouripour sprach sich für eine solche Steuer aus. „Es gibt momentan einzelne Unternehmen, die als Trittbrettfahrer der Inflation aus dem Krieg Kapital schlagen“, sagte Nouripour den Funke Zeitungen. „Daher wäre eine sogenannte Übergewinnsteuer eine gerechte Möglichkeit, mehr Geld einzunehmen und die Preise zu dämpfen - wenn sie umsetzbar ist.“
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) forderte ebenfalls, die Übergewinne von Ölkonzernen zu besteuern. Die Regierung müsse „genau hinschauen“, ob es durch den Tankrabatt wirklich eine Preissenkung gebe, sagte er der „Bild am Sonntag“. Ungerechtfertigte Extra-Gewinne müssten mit einer Steuer abgeschöpft werden.
Das könnte Sie auch interessieren:
Jens Südekum, Wirtschaftsprofessor an der Universität Düsseldorf, sagte dem „Spiegel“. zum Jahresende werde wegen steigender Preise wohl ein weiteres Entlastungspaket nötig werden. „Wer da eine Übergewinnsteuer kategorisch ablehnt, muss wenigstens einen anderen Vorschlag machen, wie er das finanzieren will.“ Südekum schlug vor, eine neue Steuer mit dem zu erwartenden Entlastungspaket zu verbinden. „Wenn es möglich ist, differenzierte Subventionen zu verteilen, sollte es doch auch möglich sein, differenziert zu besteuern“, sagte er. In anderen Ländern funktioniere das auch.
Der Experte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bremste die Erwartungen jedoch. „An die großen Umsätze und Gewinne der Erdölförderer kommt man nicht heran, weil diese im Ausland anfallen“, sagte er dem „Spiegel“. Zudem könnten höhere Steuern zu weniger Produktion führen. Nicht zuletzt gebe es juristische Bedenken. Für eine Sondersteuer für einzelne Branchen „müsste wohl das Grundgesetz geändert werden“. (afp)