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Interview mit Mike Krüger zur Autobiographie„Nicht verzweifeln, wenn Plan A floppt“

Lesezeit 7 Minuten

Der Entertainer Mike Krüger erzählt in seiner neuen Autobiografie "Mein Gott, Walther" von seiner bewegten Karriere.

Herr Krüger, ist bei Ihnen soweit alles in Obi?

Alles in "Obi" ist natürlich falsch. Weil: Obi ist der Hauptkonkurrent von Hagebau. Von daher geht Ihre Einstiegsfrage völlig in die Hose.

Wobei Hornbach auch sehr lustige Werbung macht, oder?

Ha-ge-bau! Man kann es nicht oft genug sagen.

Sie sind gelernter Betonbauer. Hat Sie das prädestiniert als prominenter Werbeträger für eine Baumarktkette?

Ja, das war mit ein Grund. Begonnen hat es damit, dass ich bei der Moderation einer Hagebau-Gala spaßeshalber meinen Gesellenbrief in die Kamera gehalten habe. Danach fragte mich der Geschäftsführer, ob ich Lust hätte, nach meiner Werbung für Krüger-Cappuccino auch etwas für die Baumärkte zu machen.

Ihr Vater war Geschäftsführer einer Wohnungsbaugesellschaft. Sind Sie deshalb Betonbauer und später auch Architekt geworden?

Mein Vater hatte oft mit dem erfolgreichen Architekten Richard Neutra zu tun, der innovative Einfamilienhäuser mit Flachdächern gebaut hat. Er war häufiger bei uns zu Hause und hat mir als kleinem Jungen auf seinem Notizblock in Sekundenschnelle die tollsten Entwürfe gezeichnet. Das fand ich cool.

Anlass Ihrer Autobiografie sind "40 Jahre Bühne". Kommt das Buch nicht zehn Jahre zu früh?

Wer weiß, ob ich noch zehn Jahre schaffe. Ich finde den Zeitpunkt gut. Rente mit 63 Jahren gibt es schließlich auch.

Und dann haben Sie sich einfach hingesetzt und Ihr Leben aufgeschrieben?

Ich habe mir dafür ein komplettes Jahr freigenommen. Auch das muss geplant werden: keine Termine in diesem Jahr. 40 Jahre Showgeschäft, das war der ideale Moment.

In Autobiografien wird gerne weit ausgeholt und viel Vergangenheit verklärt. Sie dagegen beginnen recht offenherzig, beschreiben das schwierige Verhältnis zum Vater und die Torturen im Internat. Musste da was raus?

Ich habe meiner Frau und meiner Tochter erklärt, was ich vorhabe. Nichts ist schlimmer, als die eigene Familie mit merkwürdigen alten Geschichten zu überraschen. Zumal es um Dinge geht, die ich bislang noch niemandem erzählt habe.

Was hat die Familie geraten?

Meine Frau Birgit riet mir zu diesem Buch. Die Leser sollten erfahren, dass Mike Krüger nicht nur schöne Zeiten erlebt hat und Comedy nicht vom Himmel fällt. Und meine Frau ist meine wichtigste Beraterin.

Hat Sie das Verhältnis zum Vater, der den kleinen Mike ins Internat gesteckt hatte, ein Leben lang beschäftigt?

Schon. Meine Mutter starb, als ich drei Jahre alt war, in einem Pariser Hotelzimmer. So stand es in ihrem Totenschein, den ich erst später in den Unterlagen meines Vaters fand, als dieser verstorben war. Mit ihm konnte ich darüber nie reden, er hat immer extrem abgeblockt.

Mit Anfang 20 haben Sie sich in den Zug gesetzt und sind nach Bad Godesberg gefahren. Was genau war der Plan?

Ich wollte, statt zur Bundeswehr zu gehen, lieber Entwicklungshilfe leisten und habe bei der zuständigen Bundesstelle in Bad Godesberg vorgesprochen. Bei diesem Gespräch hat man mir merkwürdige Fragen gestellt, zum Beispiel: "Was würden Sie tun, wenn Sie irgendwo in Afrika Entwicklungshilfe leisten wollten, die einheimische Bevölkerung sich aber verweigern würde?"

Was haben Sie geantwortet?

Ich habe gesagt: "Also, ich würde mich mit meiner Gitarre auf den Marktplatz stellen und lustige Lieder singen, dann würden die schon von alleine kommen." So. Man fragte mich: "Meinen Sie das ernst?" - Ich sagte: "Ja!". Und damit war das Gespräch beendet.

Sie sind dann doch zur Bundeswehr. War das Plan B?

Genau.

Danach spielten Sie gelegentlich im Hamburger Musikclub Danny"s Pan. Sie wurden von Ossi Drechsler, dem Chef der Plattenfirma Phonogram, entdeckt. Was war das: Plan C oder D?

Das kommt hin. Hamburg war seinerzeit die neue Szenehochburg in Deutschland. Mit Udo Lindenberg, Otto, Leinemann, Frumpy - und mit mir. Eines Abends saß Ossi Drechsler im Publikum und bot mir die Produktion einer Live-LP an. Langspielplatten waren das Größte überhaupt, die Beatles und die Stones machten LPs, aber ich als Architekturstudent bis dahin eben nicht. Und dann erschien "Mein Gott, Walther".

Die Platte ging von Null auf Platz eins und hielt sich dort 32 Wochen. Trotzdem erweckt Ihr Buch den Eindruck, dass Ihnen stets auch eine gewisse Distanz zum Showgeschäft wichtig war.

Diese Distanz hat tatsächlich existiert. Stars kannte man aus dem Fernsehen und aus der Zeitung. Und in diesem Showgeschäft war urplötzlich ich die Nummer eins der Charts. Vor Udo Jürgens, Peter Alexander und wie sie alle hießen.

Wie fühlte sich das an?

Wie eine Mischung aus Verwunderung, Lottogewinn und trotzdem Distanz. Ich lebte aber schon damals mit meiner heutigen Frau zusammen, sie hat immer noch diese gewisse Distanz zum Showgeschäft. Das ist gut so - bis heute für uns beide.

Trotzdem pflegten Sie enge Kontakte mit Berliner Liedermachern und hatten auch keine Berührungsängste mit dem Deutschen Schlager.Wie kommt's?

Das ist heute noch so, ich komme mit Helene Fischer genauso gut klar wie mit The Boss Hoss. Menschlich sehe ich da keine Unterschiede. Ich bewundere Menschen, die große Erfolge hinbekommen, unabhängig von meinem Geschmack. Und diese Art, wie ich auf Menschen zugehe, kommt entsprechend an.

Sie sind seit Ewigkeiten verheiratet. Andererseits gibt es gerade im Showgeschäft der Versuchungen gar viele, oder?

Wenn man der Typ ist, der solchen Versuchungen schnell erliegt oder sogar welche sucht, dann hätte man sie bestimmt haben können. Nur bin ich nicht dieser Typ. Und bei Komikern ist es nicht ganz so heftig wie bei Schlagersängern oder internationalen Stars, die von Mädels regelrecht belagert werden.

Sie wurden also nie belagert?

Ich brauchte weder Bodyguards, noch musste ich vor Hotels jemanden abwehren.

Weil Sie das nicht wollten - oder wegen der Nase.

Nein, nein. Dieses Argument zählt nicht, weil Frauen bekanntlich auf Nasen stehen.

Wenigstens sind Sie mal mit den Rolling Stones schön versackt, wie Sie schreiben. Was genau ist damals passiert?

Die Stones spielten 1982 in Köln zwei ausverkaufte Konzerte im Müngersdorfer Stadion - mit BAP als Vorgruppe. BAP war bei der EMI, ich auch. Die Plattenfirma lud danach ein zu einer Feier in der Kölner Skybar, und nach Mitternacht torkelte ein angeheiterter Ron Wood an die Bar. Es wurde ihm schnell langweilig und er lud uns ein, mit in die Hoteletage der Stones zu kommen, dort sei eine bessere Party.

Da sagt man nicht nein, oder?

Die Stones hatten gleich zwei Etagen in ihrem Hotel. Und es war, wie man sich das vorstellt: In der Präsidentensuite sitzt Keith Richards mit Zigarette im Mundwinkel am Flügel und spielt einen Blues. Und ein gut aussehendes, leichtbekleidetes Wesen himmelt ihn an.

Neidisch?

Wie könnte man auf die Stones neidisch sein!

Taugt Plan B als Tipp fürs ganze Leben?

Ich denke schon. Man sollte nicht gleich verzweifeln, wenn Plan A nicht funktioniert. Ich habe die Erfahrung gemacht: Gerade wenn man nicht damit rechnet, kommt aus irgendeiner Ecke eine andere Möglichkeit.

Zum Beispiel das Angebot, mit Thomas Gottschalk die "Supernasen" zu drehen?

Ja, das wurde ein echter Kassenschlager.

Und 15 Jahre später die RTL-Show "7 Tage, 7 Köpfe"?

Das war allenfalls Plan C, wenn überhaupt. Ich wollte nämlich nicht an der Show teilnehmen, weil mich das anfängliche Konzept nicht überzeugt hat. Dann wurde Rudi Carrell der Produzent, er rief mich an, ich sagte erneut ab. Aber er sprach mit meiner Frau - und sie sagte zu! Eine der besten Entscheidungen von ihr.

Ist dies etwa das Geheimnis von Plan B: Steht das B für Birgit?

Eine schöne Interpretation. Würde ich als Schlusswort sofort gelten lassen.

Mike Krüger: Mein Gott, Walther, 288 Seiten, 19,99 Euro