Berlin – Die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht ist mit Beginn der vierten Welle in vollem Gange. Doch den Gedanken gibt es nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. Bereits vor mehreren hundert Jahren mussten Menschen sich gegen bestimmte Krankheiten impfen lassen. Die erste Schutzimpfung gegen eine Infektionskrankheit war die Pockenimpfung: Der englische Arzt Edward Jenner entdeckte 1796, dass für den Menschen ungefährliche Kuhpocken gegen Menschenpocken immun machen.
Bei der Pockenimpfung war die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, gering
Auch in Deutschland sollte die neue Erfindung dabei helfen, die Bevölkerung zu immunisieren. Die Bereitschaft der Bürger war jedoch gering. Als es 1871 zu einer Pocken-Epidemie mit Hunderttausenden Todesopfern in Deutschland kam, zog das Kaiserreich Konsequenzen: 1874 wurde das Reichsimpfgesetz im Reichstag angenommen. Das Gesetz sah vor, dass Kinder im ersten Lebensjahr und erneut im zwölften Lebensjahr gegen Pocken geimpft werden müssen.
Das Gesetz aus dem Kaiserreich hatte gut 100 Jahre Bestand: Erst 1976 wurde die Pflicht zur Erstimpfung in Westdeutschland aufgehoben. 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pocken als ausgerottet. In Bezug auf Vergleiche mit einer allgemeinen Pflicht zur Corona-Schutzimpfung verwies der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn darauf, dass nicht die gesamte Bevölkerung zur Pockenimpfung verpflichtet wurde. „Im Kern war es eine Impfpflicht für Kinder“, sagte er in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“.
DDR: Pflicht auch zur Impfung gegen viele weitere Krankheiten
In der DDR war nicht nur die Pockenimpfung Pflicht: Auch gegen Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus, Keuchhusten und Tuberkulose mussten die Menschen sich impfen lassen. Wie der MDR berichtet, wurden DDR-Bürger bis zum 18. Lebensjahr bis zu 20-mal geimpft. Wer sich nicht impfen ließ, musste mit Sanktionen rechnen.
Heute sieht das Infektionsschutzgesetz vor, dass die Einführung einer Impfpflicht in Deutschland grundsätzlich möglich ist. So wurde im November 2019 eine bundesweite Impfpflicht gegen Masern vom Bundestag verabschiedet – jedoch nur für bestimmte Personengruppen. Seit dem 1. März 2020 muss für Kinder in der Schule, in Kindertagesstätten und bei Tagesmüttern die Masernimpfung nachgewiesen werden können. Das Masernschutzgesetz sieht auch vor, dass Personen die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, und Personal medizinischer Einrichtungen sich impfen lassen müssen. Um eine allgemeine Impfpflicht für alle handelt es sich entsprechend nicht. (Mit dpa)