Leverkusen – Die Befreiung kam, als kaum jemand damit rechnete. Das Bayer 04 Leverkusen sich ausgerechnet in der Champions League gegen Gruppenfavorit Atlético Madrid am Donnerstagabend vor knapp 26.000 Zuschauern in der BayArena aus seiner veritablen sportlichen Krise schüttelte, machte deutlich wie unerwartet der Absturz auf Platz 17 der Bundesliga gekommen ist und welches Potenzial eigentlich in dieser hochbegabten Mannschaft steckt. Der hochverdiente 2:0 (0:0)-Erfolg war das Ergebnis einer konzentrierten, taktisch klugen und am Ende endlich auch einmal konsequenten Vorstellung der Werkself.
Erste Halbzeit vorhersehbar und nicht gefährlich
Die Aufstellungen beider Trainer ließen vermuten, was sich dann in den ersten 45 Minuten auch genau so abspielte. Bayer-Coach Gerardo Seoane ließ in der Viererkette Tempo-Rechtsverteidiger Jeremie Frimpong als Offensivwaffe auf der Bank und ersetzte den Niederländer durch Innenverteidiger Odilon Kossounou. In Patrik Schick bot Leverkusen zudem nur eine Spitze auf. Diego Simeone hielt für Atlético mit einer Fünferkette dagegen, die mit konsequentem Defensivgeist und Erfahrung (Durchschnittsalter 29) durchsetzt war.
In der ersten Minuten pressten die Madrilenen ein paar Mal in Bayers Hälfte, ließen es dann aber bis zum Pausenpfiff komplett sein und empfingen die tief in ihrem Territorium. In diesen Räumen fehlten der Werkself aber Konsequenz und Mut, um gefährlich werden zu können. Nur als Linksverteidiger Piero Hincapie sich einmal über seine Seite nach vorne wagte und der Ball über Moussa Diaby zu Robert Andrich gelangte, duften die Chronisten eine Torchance notieren. Der Bayer-Sechser jagte das Spielgerät aus zwölf Metern allerdings recht deutlich über das Tor (7.). Ansonsten neutralisierten sich beide Teams. Es ging um Sicherheit, defensive Stabilität und Fehlervermeidung.
Spiel löst die Handbremse
Bei Atletico blitzte zwar immer mal wieder die Genialität des portugiesischen Wunderknaben Joao Felix auf, die einzige Möglichkeit hatte aber der robuste brasilianische Abwehrchef Felipe (33.). Bayers Offensive litt unter den unsauberen Aktionen von Kerem Demirbay im Zentrum, Schicks falschen Laufweg-Entscheidungen und der Abwesenheit eines Flügelspiels. Selten passte ein 0:0 nach 45 Minuten besser als zu dieser in taktischen Fesseln gefangenen Begegnung.
Leverkusen befreite sich zuerst und agierte mutiger. Die zweite Hälfte war noch keine fünf Minuten alt, als Diaby nach einem Felipe-Fehler Tempo aufnahm und Schick in den Strafraum schickte. Das Unglück, das den Tschechen in dieser Saison nicht loslassen will, ließ den knackigen Abschluss aus elf Metern aber an der Unterkante der Latte enden. Als wäre das nicht genug, köpfte Adam Hlozek den Abpraller unbedrängt an den linken Pfosten (49.). Der Bundesliga-Vorletzte blieb am Drücker, wartete aber vergeblich auf einen weiteren Fehler der Colchoneros. Die Spanier ihrerseits griffen wieder höher an und setzten nach der Einwechslung von Antoine Griezmann und Yannick Carrasco (63.) auch offensive Akzente. Bayer-Keeper Lukas Hradecky war bei einem tückischen Schlenzer von Rodrigo De Paul aber auf seinem Posten (68.). Leverkusen schlug zurück und verzeichnete durch Schick, der im letzten Moment von Felipe gestoppt wurde (70.), und Kossounou (72.) die nächsten Möglichkeiten. Das Spiel hatte seine Handbremse gelöst.
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Und trotzdem brauchte es Ruhe und Geduld für die Werkself, die sich die Führung längst verdient hatte und nicht spielte wie eine Mannschaft, die ein Problem mit ihrem Trainer hat. Als ob Gerardo Seoane dies spürte, stellte er mit der Einwechslung von Frimpong perfekt um. Callum Hudson-Odoi rückte auf die Zehn, Frimpong besetzte den rechten Flügel und bereitete dort beide Tore vor. Erst schüttelte er den klammernden und haltenden Mario Hermoso ab, und bediente Andrich für dessen gezielten Rechtsschuss zum 1:0 (84.), dann schickte er nach einem Hudson-Odoi-Pass den Ball quer durch den Atlético-Strafraum zum dem von links heranstürmenden Diaby. Un der Franzose vollendete zum 2:0 (87.), als hätte es nie eine Krise unterm Bayer-Kreuz gegeben.