Köln – Es war irgendwann im Februar, Christian Keller weilte gerade in Kapstadt, als er spürte, bereit zu sein für etwas Neues. Der Abschied von seinem „Baby“, wie der einstige Geschäftsführer des SSV Jahn Regensburg den Fußball-Zweitligisten aus der Oberpfalz liebevoll nennt, lag zu diesem Zeitpunkt drei Monate zurück. „Da dachte ich mir: Naja, jetzt reicht’s mit Urlaubmachen“, beschrieb Keller am Montag den Prozess des innerlichen Loslassens. Dieser bildete den Hauptgrund für seine fünfmonatige Auszeit.
Keller war es wichtig, „Abstand“ zu gewinnen, eine „Pause“ einzulegen, vorher hätte er sich nirgendwo in ein neues Abenteuer gestürzt. „Ich war achteinhalb Jahre in Regensburg und glaube, dass erfolgreiches Clubmanagement im Fußball in der Führung mit Identifikation beginnt. Ich kann mir nicht heute auf die Brust klopfen und sagen: Ich bin Jahn Regensburg. Und morgen klopfe ich mir auf die Brust und sage: Ich bin der FC. Ich kann das nicht, zumindest nicht glaubwürdig“, erklärte Keller, der seit dem 1. April als neuer Sport-Geschäftsführer des 1. FC Köln fungiert.
Die Aufgabe beim Tabellenachten der Bundesliga geht er ausgeruht und voller Tatendrang an: „Ich bin jetzt bestens erholt und freue mich, dass ich anfangen darf zu arbeiten.“ Die Entemotionalisierung habe ebenfalls funktioniert. „Ich kann mit dem Brusthorn der vollen Überzeugung sagen, dass Jahn Regensburg immer ein Stück weit in meinem Herzen drin bleiben wird. Aber Jahn Regensburg ist jetzt nicht mehr so dominant. Hier ist jetzt nur noch der FC“, sagte Keller und zeigte mit dem Finger auf seinen Kopf.
Wunschlösung des FC-Vorstandes
Am Geißbockheim ist die Freude ebenfalls groß, folgt mit Christian Keller doch die Wunschlösung des FC-Vorstandes nach der Demission von Horst Heldt Ende Mai auf dem Posten des Sport-Geschäftsführers. Vizepräsident Eckhard Sauren lobt Keller als Manager, der über einen „sehr klaren Plan“ verfüge und beim einstigen Sanierungsfall Regensburg „Herausragendes“ geleistet habe.
Zur Person
8 Jahre lang war Christian Keller (43) bis zu seinem Ausscheiden Ende Oktober 2021 Geschäftsführer des SSV Jahn Regensburg. Bei den Oberpfälzern trug der Sport-Ökonom und A-Lizenz-Inhaber sowohl die sportliche als auch die kaufmännisch-administrative Verantwortung. Unter seiner Führung schaffte der SSV Jahn den Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga, wo sich der Club mittlerweile etabliert hat. Zuvor war der gebürtige Donaueschinger und frühere Mittelfeldspieler, der seine aktive Karriere bereits im Alter von 18 Jahren wegen einer schweren Knieverletzung beenden musste, unter anderem als Strategieberater für Profisportorganisationen sowie als Professor und Studiendekan für Sportmanagement an der SRH Hochschule Heidelberg tätig. (tca)
Bei den Verhandlungen zwischen der Clubspitze und dem neuen Sportchef sei auf Anhieb eine „große Übereinstimmung“ bei der Ausrichtung des FC festgestellt worden. „Christian Kellers sehr langfristiges Denken haben wir vom ersten Gespräch an als Gemeinsamkeit kennengelernt“, hob Sauren hervor. Angetan zeigte sich der für den Sport zuständige Vizepräsident zudem von der „herausragenden Kompetenz“, die der Sport-Ökonom und A-Lizenz-Inhaber sowohl im sportlichen als auch im kaufmännischen Bereich mitbringe. Diese „ganzheitliche Sicht“ stuft Sauren als besonders wertvoll ein. „Wir sind überzeugt, einen hervorragenden Kandidaten gefunden zu haben.“ Auch deshalb war der Vorstand bereit, Keller die erbetene Auszeit zu gewähren. „Seine Klarheit war so überragend, dass wir uns auf den 1. April einstellen und den Prozess sehr gut steuern konnten“, begründete Eckhard Sauren.
Christian Keller zeigte sich wiederum „positiv überrascht“, dass seine mehrmonatige Auszeit „kein Ausschlusskriterium“ für den FC-Vorstand darstellte. Der 43-Jährige geht seine Aufgabe am Geißbockheim mit der nötigen Demut an, er sieht in dem dreifachen Deutschen Meister einen „ganz, ganz großen Club“, der über eine „immense Strahlkraft“ verfüge. „Es gibt nicht viele Standorte in Deutschland dieser Art.“ Noch größeren Wert legte Keller bei seiner Entscheidung für Köln auf das „klare Bekenntnis“ des FC zur 50+1-Regelung. „Ich könnte mir nicht vorstellen, in einem anderen Umfeld zu agieren.“
Keller plant, mehrere Aufgabenfelder zugleich zu beackern. „Es gibt kein Ranking, ich habe alle Aufgaben auf dem Schirm.“ Bei der Kaderplanung für die kommende Saison gehe es darum, diese „mit hohem Tempo voranzutreiben. Es gilt, die Vorarbeit in Entscheidungen umzumünzen.“ Keller kennt zwar den „Schattenkader“, weiß aber auch: „Die Zeit drängt. April ist nicht der früheste Zeitpunkt.“
FC will Jörg Jakobs binden
Erschwerend kommt hinzu, dass der Corona-bedingte Umsatzverlust in Höhe von 85 Millionen Euro ein tiefes Loch in die Clubkassen gerissen hat; der FC zur Entschärfung der Krise auf zukünftige Einnahmen zurückgreifen musste. „Ein gutes Stück Zukunft ist verfrühstückt“, sagt Keller. Der Etat für die nächste Spielzeit müsse folglich um 20 Prozent reduziert werden. Daraus entstünden „gewisse Fesseln“. Gefragt seien „viele kreative Lösungen“.
Das könnte Sie auch interessieren:
Dass Christian Keller zu Dienstbeginn beim FC „eher bei einem Übergang, nicht bei einem Neuanfang“ (Eckhard Sauren) mitwirke, sei derweil ein Verdienst des zum Saisonende scheidenden Interims-Sportchefs Jörg Jakobs sowie den Leitern der Lizenzspielerabteilung, Thomas Kessler und Lukas Berg. Die Interimslösung habe „hervorragend funktioniert“, lobte Vizepräsident Sauren die Arbeit des Trios, das nach der Entlassung von Heldt einsprang. Deshalb soll Jakobs über den Sommer hinaus an den Club gebunden werden. „Jörg Jakobs wird auf jeden Fall in unserem sportlichen Kompetenzteam bleiben. Wir versuchen, eine Kontinuität reinzubekommen, damit er auch operativ an der einen oder anderen Stelle mit eingebunden ist“, erklärte FC-Präsident Dr. Werner Wolf. Dieses Vorhaben sei auch ganz im Sinne des neuen Sport-Geschäftsführers. „Christian Keller hat mir gesagt, dass es Wahnsinn wäre, so eine Intelligenz laufen zu lassen.“