Berlin – Einen Moment lang wurde es im Hexenkessel An der Alten Försterei einsam um Jonas Hector herum. Dem Entsetzen über seinen Aussetzer hatte der Kapitän des 1. FC Köln einen gegen sich selbst gerichteten Fluch folgen lassen, dann senkte er den Kopf und trottete Richtung Mittellinie. Als er sich wieder aufrichtete, war er allein. Kein Mitspieler, der ihn in diesem Moment trösten oder aufrichten konnte.
Auch sein Blick in Richtung Teamkollegen fand keine Erwiderung. Hectors Fehler in der 49. Minute war ein Fakt und er konnte am Ende sein ganzes negatives Ausmaß entfalten, weil er die 0:1-Niederlage der Geißböcke im Bundesligaspiel beim 1. FC Union Berlin besiegelt hatte. „Wir haben den Fehler gemacht und damit müssen wir leben“, brachte FC-Trainer Steffen Baumgart die Dinge auf den Punkt und machte kein Hehl aus seiner Enttäuschung.
Hector als tragische Figur
Hector hatte den Ball auf der linken Abwehrseite bekommen und wollte ihn zu seinem Torwart Marvin Schwäbe zurückspielen. Seinem Pass fehlte die Präzision und dann übersah er auch noch den lauernden Taiwo Awoniyi, der 14 Meter vor dem Tor nicht besser in Position hätte gebracht werden können. Der Union-Torjäger zog auch schnell genug ab, denn nur Bruchteile von Sekunden später wäre der herausstürzende Schwäbe wohl in der Position gewesen, um den Schuss vollständig und nicht nur mit der Hüfte neben den rechten Pfosten seines Tores ablenken zu können.
Hectors Fauxpas war einer von der Sorte, die im Fußball immer wieder mal passieren können, bei der Klasse des 31-jährigen Ex-Nationalspielers aber eben auch eine absolute Ausnahme sind. „Jonas ärgert sich, weil wir uns alle ärgern. So etwas passiert einmal im Jahr, und damit ist es gut“, handelte Baumgart das Thema ab.
„Das gehört zum Fußball dazu“
Natürlich gab es auch von den Teamkollegen hinterher keine Vorwürfe: „So etwas kann jedem mal passieren. Jonas ist lange genug Profi, um zu wissen, wie er damit umgehen muss. Das gehört zum Fußball dazu“, erklärte Luca Kilian. Der FC-Innenverteidiger hätte übrigens Hectors Rolle genauso einnehmen können, wenn nach seinem unbeholfenen Ausrutscher Awonyi gleich in der 1. Minute nicht der Ball vom Fuß gesprungen wäre.
Das Missgeschick zu Beginn der zweiten Halbzeit bekam seine entscheidende Wirkung aber vor allem durch die fehlende Aussicht es kompensieren zu können. Immerhin waren zum Zeitpunkt des Gegentores noch mehr als 40 Minuten zu spielen, und der FC hat sich in dieser Saison den Ruf erarbeitet, niemals aufzugeben und bis zum Schlusspfiff alles möglich zu machen.
Offensive Hilflosigkeit des FC
Davon war an diesem eiskalten Freitagabend vor den Augen des neuen FC-Sportchefs Christian Keller allerdings wenig zu sehen. Ohne seinen mit Fieber in Köln gebliebenen Torjäger Anthony Modeste brachte der FC in der zweiten Hälfte keinen einzigen Torabschluss zustande. „Jonas hat uns in so vielen Spielen geholfen. Leider haben wir es als Mannschaft nicht geschafft den Fehler aufzufangen“, räumte Kilian ein.
Die offensive Hilflosigkeit des FC in diesem eigentliche klassischen, weil extrem chancenarmen 0:0-Spiel lag zum einen an Union, das mit seiner Art Fußball zu arbeiten den Kölnern überall auf dem Platz das Leben schwer machte. Die harmlosen Versuche der Baumgart-Elf verfestigten aber auch einen Trend, der sich seit Wochen zeigt und seinen Ursprung im Erfolg der Geißböcke findet. Die Gegner in der Bundesliga haben sich auf das Spiel der Kölner eingestellt, stehen tiefer und überlassen dem FC mehr den Ball.
Die Kehrseite der guten Entwicklung
Das ist natürlich als Kompliment zu verstehen, reduziert aber eben auch die Möglichkeiten vorne anzulaufen. Dadurch wird der Weg zum gegnerischen Tor für die nicht mit Konterspielern gesegneten Kölner weiter. In den jüngsten acht Ligaspielen ist dem FC trotz der guten Punkteausbeute auch deshalb nie mehr als ein Treffer gelungen. „Wir sind jetzt in der Phase, in der wir lernen müssen, gegen einen tiefstehenden, gut verteidigenden Gegner Lösungen zu finden“, benannte Baumgart den nächsten Schritt seiner Arbeit. Ob ein Mitwirken von Modeste an den Feststellungen des Union-Spiels etwas geändert hätte, sei einmal dahingestellt. Zur Wahrheit gehört, dass der 33-jährige Franzose bei seinen jüngsten vier Auftritten nicht mehr getroffen hat.
Das könnte Sie auch interessieren:
Auch wenn die Niederlage gegen einen direkten Mitkonkurrenten und am ersten Arbeitstag von Geschäftsführer Keller empfindlich schmerzte, ist im Kampf um Platz sieben nichts verloren. Schon am nächsten Samstag (15.30 Uhr) im Heimspiel vor ausverkauftem Haus gegen den 1. FSV Mainz 05 kann die Welt der Kölner nach einem Sieg schon wieder anders aussehen.
Wie auch die von Unglücksrabe Jonas Hector, der am Freitagabend nach dem Abpfiff in die Knie sank und sich das Trikot über den Kopf zog, um für einen Moment lang ganz allein mit seinem fatalen Fehlpass zu hadern. „Jonas ist ein Vollprofi und der wichtigste Spieler im Verein seit langem. Natürlich ist er niedergeschlagen, aber sein Blick wird sich schnell auf das nächste Spiel richten. Ihm passieren Fehler, wie jedem anderen auch. Das haben ihm die Jungs auch alle direkt gesagt“, sagte der Sportliche Leiter Thomas Kessler. Es darf also davon ausgegangen werden, dass die fünfte Niederlage im sechsten Bundesliga-Duell mit den Eisernen weder Kapitän Hector noch den FC wird umwerfen können.