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Haie-Kapitän Moritz Müller„Die Kölner tragen die Haie im Herzen"

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Moritz Müller

Köln – Hinter dem deutschen Eishockey liegt das wohl schwierigste Dreivierteljahr seiner Geschichte. Mit dem Eröffnungsspiel zwischen den Kölner Haien und der Düsseldorfer EG nimmt die Deutsche Eishockey Liga (DEL) am 17. Dezember ihren Betrieb wieder auf. Über den Neustart sprach Tobias Carspecken mit KEC-Kapitän Moritz Müller.

Herr Müller, gab es seit dem Abbruch der DEL-Saison 2019/20 im März einen Moment, an dem Sie befürchtet haben, dass der Fortbestand der Sportart hierzulande in ernsthafter Gefahr schwebt?

Moritz Müller: Ich habe mir Sorgen gemacht, dass das deutsche Eishockey nachhaltig Schaden nehmen und Dinge kaputt gehen könnten, die über Jahre hinweg aufgebaut worden sind. Es wäre unverantwortlich gewesen, wenn nicht an einem Lösungsprozess gearbeitet worden wäre, um den Spielbetrieb der DEL wieder aufzunehmen. Eishockey ist nichts, was man einfach so herunterfahren und dann wieder hochfahren kann.

Was hat das Wechselbad der Gefühle mit Ihnen persönlich gemacht?

Es war kein Sommer wie jeder andere. Normalerweise gibt es einen verlässlichen Starttermin für die Saison, auf den man als Spieler hinarbeitet kann. Es gab in den vergangenen Monaten verschiedene Starttermine, die aber allesamt verschoben wurden. Das waren immer neue Nackenschläge. Die Ungewissheit war groß. Ich habe mich weniger um meine Person gesorgt, weil ich mich bereits im Herbst meiner Karriere befinde. Sorgen habe ich mir vor allem um meinen Club, die Kölner Haie, und das deutsche Eishockey allgemein gemacht.

Die Haie standen vor dem Aus, konnten sich durch Millionen-Hilfen von Anhängern und Sponsoren aber über Wasser halten. Hat Sie die riesige Welle der Solidarität überrascht?

Die Haie haben ihre Retteraktion sehr gut kommuniziert. Ich hätte mir gewünscht, dass auch andere Vereine so transparent damit umgegangen wären, in welch schwieriger Situation sie sich befinden. Die Leute in Köln tragen die Haie im Herzen. Von diesem außergewöhnlichen Zusammenhalt ist die Aktion getragen worden. Das wäre so nicht überall möglich gewesen.

Auch die Haie-Spieler trugen zur Rettung des Vereins bei, indem sie auf bis zu 60 Prozent ihres Gehalts verzichtet haben. Verspüren Sie Stolz?

Der Verein hat uns Spielern offen erläutert, wie es um ihn steht und welche Zugeständnisse nötig sind, damit die Haie trotz des Zuschauerverbots an der kommenden DEL-Saison teilnehmen können. Wenn wir nicht gespielt hätten, hätten wir alle einen noch größeren Schaden erlitten. Es gab also keine Alternative. Weil das Vereinsumfeld aber so stark geholfen hat, war es klar, dass auch wir Spieler mithelfen.

FC-Idol Lukas Podolski hat sich bei der Retteraktion in besonderer Weise eingebracht – und wird nun, mehr oder weniger ernst, offiziell als Eishockey-Profi lizensiert.

Wir sind Lukas für die Hilfe total dankbar. Er ist schon oft bei unseren Heimspielen gewesen, wir stehen regelmäßig im Austausch miteinander. Schauen wir mal, wie wir ihn charmant eingebunden bekommen.

Zur Person

Moritz Müller (34) spielt seit 2002 für die Kölner Haie. Damit ist der Kapitän der dienstälteste Akteur des aktuellen Teams. Müller stand in bislang 864 DEL-Spielen für den KEC auf dem Eis und wurde mit dem Club dreimal Vizemeister. Während der Corona-Krise, die die Deutsche Eishockey Liga (DEL) zu einer neunmonatigen Unterbrechung zwang, gründete er die „Spielervereinigung Eishockey“ (SVE) und ließ sich für Spielpraxis an den Zweitligisten Kassel Huskies verleihen.

Seit der WM 2019 führt der Verteidiger auch die A-Nationalmannschaft an, für die er in bislang mehr als 150 Partien im Einsatz war. Seine internationale Karriere krönte der gebürtige Frankfurter mit der Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang, bei denen die deutsche Auswahl die Silbermedaille gewann. Müllers Vertrag bei den Haien läuft bis 2022. (cto)

Der Notetat des KEC gab nur drei gestandene Zugänge her. Wie sehr müssen die sportlichen Erwartungen heruntergeschraubt werden?

Natürlich ist dieser sehr junge Kader der Haie gewissermaßen aus der Not heraus entstanden. Für die jungen Spieler ist es aber eine tolle Chance, DEL-Luft zu schnuppern. Wir werden in jedem Spiel unser Bestes geben. Wenn man spielt, möchte man auch gewinnen.

Wo wir dann am Ende stehen, werden wir sehen. Man darf nicht vergessen, dass es Vereine in der DEL gibt, die von Großinvestoren getragen werden und die bereits seit Monaten trainieren können. Bei uns ist das nicht so.

Welche Wünsche haben Sie für die kommende Saison?

Am wichtigsten ist für mich, dass wir ohne schwere Infektionsverläufe durch die Saison kommen und die Spielzeit vernünftig bestreiten können. Dazu gehört, dass die Zahl der Spielverlegungen möglichst gering gehalten wird.

Sie haben beim Deutschland Cup sowie durch Ihr Leihgeschäft in die DEL2 erste Erfahrungen mit Geisterspielen gemacht. Wie schwer ist Ihnen die Umstellung gefallen?

Es war ein seltsames Gefühl, als beim Deutschland Cup die Nationalhymne eingespielt wurde und wir vor leeren Rängen standen. Vielleicht ist es eine Sache der Gewöhnung.

Zalewski vor Comeback-Debüt im Testspiel

Ihr zweites und zugleich schon letztes Testspiel vor dem Start der neuen DEL-Saison bestreiten die Kölner Haie am Freitag (19 Uhr) beim Ligakonkurrenten Iserlohn Roosters. Center Mike Zalewski, dessen Unterschrift beim KEC noch vor dem Wochenende erfolgen soll, könnte bereits sein Comeback geben. Hannibal Weitzmann und Kevin Gagné werden derweil geschont, für Lucas Dumont kommt die Partie nach einer Quarantäne-Maßnahme wohl zu früh. Sebastian Uvira fällt noch länger aus. Den ersten Test gegen die Sauerländer hatte das Team von Trainer Uwe Krupp mit 5:4 für sich entschieden. (cto)

Ist es für Sie bereits greifbar, vermutlich eine gesamte Saison lang in der leeren Lanxess Arena spielen zu müssen?

Ich stelle mir das gespenstisch vor. Umso mehr hoffe ich, dass wir im Verlauf der Saison vielleicht doch noch Zuschauer in den Hallen haben dürfen. Schließlich macht es vor allem dann Spaß, wenn auch Fans dabei sind.

Ist ohne Publikum noch mehr Eigenmotivation notwendig?

Die Motivation, das Beste zu geben, sollte bei Sportlern immer vorhanden sein. Was ohne Zuschauer fehlt, ist der Schub, der von den Rängen kommt. Da braucht es dann eines noch stärkeren Rucks, der durch die eigene Mannschaft geht.

Mit der Gründung der Spielervereinigung SVE haben Sie den DEL-Profis in der Corona-Krise eine gemeinsame Stimme gegeben. Wie glücklich sind Sie, diesen Schritt gegangen zu sein?

Ich bin sehr stolz darauf, an der Gründung federführend beteiligt gewesen zu sein. Die SVE ist losgelöst von Corona eine gute Sache für das deutsche Eishockey. Es ist wichtig, dass die DEL-Profis nun eine gemeinsame Stimme haben und ihre Interessen gebündelt vertreten werden.

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Stimmt Sie der bisherige Verlauf zufrieden?

Das bisherige Feedback der Spieler ist gut. Wir waren sehr damit beschäftigt, es gemeinsam mit der Liga zu ermöglichen, wieder in einen Spielbetrieb zu kommen. Nun gilt es für die SVE, die Hausaufgaben zu erledigen und ein Netzwerk aufzubauen. Wir wollen keine Corona-Interessengemeinschaft sein. Es gibt schließlich so viele Themen, die für Spieler während ihrer Karriere wichtig sind.

Noch ist die Krise des deutschen Eishockeys nicht überwunden. Der Nachwuchs darf derzeit nicht trainieren und spielen. Welche Folgen befürchten Sie?

Es ist leider ein verlorenes Jahr und eine Katastrophe für den Nachwuchs. Es muss überlegt werden, wie die Jungs nach einer so langen Phase ohne Training und Spiel wieder an ihr vorheriges Niveau herangeführt werden können.