Nick Bailen soll die Kölner Haie mit zurück an die Spitze des deutschen Eishockeys führen. Obwohl der Starzugang aus Russland groß aufspielt, hapert es beim KEC noch. Vor dem Derby gegen die Düsseldorfer EG sprach Alexander Wolf mit dem ehemaligen KHL-Profi.
Haie-Star Nick Bailen„Wir müssen an der Konstanz arbeiten“
Herr Bailen, die Kölner Haie rangieren nach 34 Spielen mit 18 Siegen und 16 Niederlagen lediglich im Mittelfeld. Was fehlt für das anvisierte obere Tabellendrittel?
Eine Hockey-Saison ist immer lang. Wir haben noch Zeit, um nach oben zu kommen. Schließlich haben auch die Spitzenteams schon einige Spiele verloren. Wir müssen aber ein paar mehr Siege aneinanderreihen. Und wenn man ein Spiel verliert, darf man nicht das zweite Spiel auch noch verlieren, sonst fällst du in der Tabelle schnell wieder. Wir müssen vor allem an unserer Konstanz arbeiten. Es geht darum, längere Hochs und keine allzu großen Tiefs zu haben. Es geht nicht, dass wir drei, vier Spiele am Stück verlieren. Solche Rückschritte dürfen nicht mehr vorkommen.
Haben Sie eine Erklärung für die fehlende Konstanz?
Alles zum Thema Deutsche Eishockey Liga
- Deutsche Eishockey Liga Kölner Haie beißen sich die Zähne aus
- Deutsche Eishockey Liga Kölner Haie verlieren Nationalspieler
- Kölner Haie Jalonens Team spielt seriös und zielführend
- Deutsche Eishockey Liga Kölner Haie feiern knappen Heimsieg gegen Wolfsburg
- Deutsche Eishockey Liga Kölner Haie könnten Extrapunkt-Fluch nicht ablegen
- Deutsche Eishockey Liga Kölner Haie wollen die Sorgen der Düsseldorfer EG vergrößern
- Deutsche Eishockey Liga Den Kölner Haien liegt die Verlängerung nicht
Nicht wirklich. Es gab Spiele, die wir hätten gewinnen müssen, in denen wir aber ohne Punkte dastanden. Umgekehrt gab es aber auch Siege, bei denen die Leistung das nicht unbedingt hergab. Das ist eben Hockey und passiert auch in jedem anderen Sport der Welt. Da kann man dann schon von Glück und Pech reden. Unser Job als Team ist es aber, damit umzugehen und daraus zu lernen, uns zu verbessern und daran zu wachsen. Wir wollen ein größeres Bild zeichnen, anstatt uns immer nur auf das kleine Bild eines Spiels zu fokussieren.
Trotz des Interesses namhafter Konkurrenten haben Sie kürzlich Ihren Vertrag bei den Haien um gleich drei Spielzeiten bis 2026 verlängert. Wie kam es dazu?
Ich glaube an Loyalität und Vertrauen. Nachdem ich im vergangenen Sommer spät in Köln unterschrieben hatte, konnte ich meine Zeit hier genauso genießen wie meine Tochter und meine Frau. Es ist eine gute Situation für unsere Familie – und das ist das Wichtigste. Es war aber keine schnelle Entscheidung, es hat insgesamt etwa zwei Monate gedauert. Wir haben eine gemeinsame Grundlage gefunden, und jetzt sind alle glücklich.
Welche Rolle hat Ihre Frau Shelby bei der Entscheidung gespielt?
Bei uns zu Hause ist es so, dass jeder seine Meinung äußert. Wir treffen unsere Entscheidungen immer zusammen. Ganz gleich, ob es um das Abendessen, die Zubettgehzeiten unserer Tochter oder den Urlaub geht. Ich respektiere ihre Sicht auf die Dinge, sie hat schließlich selbst lange professionell Eishockey gespielt (bei den Buffalo Beauts und vor dem Karriereende 2017 in Schweden bei Brynäs IF, Anm. d. Red.). Deshalb hatten wir schon viele Diskussionen. Es geht aber eben nicht nur um mich als Spieler, sondern um die ganze Familie.
Sie kennen Ihren Mitspieler Jon Matsumoto schon seit mehr als einem Jahrzehnt. Wie ist Ihr Draht zu den anderen Teamkollegen?
Sehr gut. Es gibt viele tolle Jungs im Team, mit denen ich bereits Freundschaft geschlossen habe. Die Gemeinschaft und die Einheit in der Kabine sind sehr gut. Das hilft uns, möglichst viele Spiele zu gewinnen. Das beginnt ganz oben mit Moritz Müller, unserem Kapitän. Er ist einer der besten Menschen, die ich je getroffen habe. Eine tolle Person als Kapitän. Er behandelt alle richtig, arbeitet hart und ist ein sehr guter Leader.
Aktuell sind Sie punktbester Verteidiger der DEL. Wie beurteilen Sie Ihr erstes Halbjahr in Köln?
Ich bin ehrlich gesagt überhaupt nicht zufrieden. Ich ärgere mich immer über Kleinigkeiten in meinem Spiel – selbst wenn wir gewonnen und ich gepunktet habe. Ich glaube, dass sich mit Zufriedenheit auch Selbstgefälligkeit einschleicht. Das ist nicht gesund, wenn man ständig besser werden will. Es ist wichtig, dass man hungrig bleibt und von sich und auch vom Team immer bessere Leistungen erwartet.
Sie haben zur Eingewöhnung ein paar Spiele gebraucht. Haben Sie damit gerechnet?
Nach Vereinswechseln gibt es immer eine Lernkurve, von Liga zu Liga und von Team zu Team. Als Neuzugang muss man sich an den anderen Coaching- und Spielstil erstmal gewöhnen. Ich kenne das ja von meinen vier vorherigen Wechseln in den vergangenen zehn Jahren und habe das immer gut hinbekommen. Bei den Haien hat es auch fünf, zehn Spiele gedauert. Es ging aber schneller, als ich angenommen hatte.
Was ist der größte Unterschied zwischen der russischen KHL und der DEL?
Der Spielstil ist komplett unterschiedlich. Das russische Eis ist kleiner, deswegen gibt es weniger Zeit mit dem Puck und mehr Schusschancen. In Deutschland ist der nordamerikanische Einfluss spürbar. Das Spiel ist physischer, man braucht mehr Geduld. Das bringt alles die Größe der Eisfläche mit sich.
Welche Rolle spielte der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bei Ihrem Weggang aus der KHL?
Ich würde nicht sagen, dass ich nur wegen des russischen Angriffskrieges nach Deutschland gekommen bin. Meine Familie und ich fühlen uns hier in Köln sicher, aber wir haben uns auch in Russland sicher gefühlt. Die Situation hat sich aus dem Hockey heraus ergeben. Ich möchte jedenfalls nicht schlecht über die KHL und die dortigen Organisationen sprechen. Es wurde viel für mich und die Familie getan. Ich hatte in der KHL Erfolg und bin dort zu dem Spieler geworden, der ich jetzt bin.
Können Sie sich vorstellen, Ihre Karriere bei den Haien zu beenden?
Ja, vielleicht. Man weiß nie, welches Spiel das letzte sein wird. Ich kann jetzt natürlich noch nicht sagen, ob ich 2026 hier einen neuen Vertrag unterschreiben oder woanders hingehen werde. Aktuell fühle ich mich gut und gesund. Ich liebe es, auf das Eis zu gehen, zu punkten und dem Team beim Gewinnen zu helfen. Erst an dem Tag, an dem sich Eishockey wie ein Fulltime-Job und nicht mehr nach Spaß anfühlt, werde ich aufhören.
Die Haie warten seit 2002 auf den nächsten Titel. Glauben Sie daran, mit dem KEC Meister werden zu können?
Ich hoffe, dass die Meisterschaft schon Ende April Realität wird. Jeder Sportler spielt das Spiel, um zu gewinnen. Wenn man also nicht daran glaubt, ergibt es überhaupt keinen Sinn, zu spielen. Man muss sich immer die höchsten Ziele setzen, um voranzukommen und sich weiterzuentwickeln.
Zur Person Nick Bailen
255 Scorerpunkte in 412 KHL-Spielen: So lautete die Empfehlung von Nick Bailen, mit der sich der Offensivverteidiger nach acht Jahren in der russischen Topliga zur Saison 2022/23 den Kölner Haien anschloss. Der in Fredonia (Arizona) geborene 33-Jährige absolvierte seither alle 34 Hauptrundenpartien in der DEL. Mit einer durchschnittlichen Eiszeit von 22:08 Minuten kommt der Powerplay-Spezialist so viel wie kein anderer Kölner Feldspieler zum Einsatz. Zudem ist er mit 28 Zählern punktbester Verteidiger der DEL (11 Tore, 17 Vorlagen). Kürzlich verlängerte er seinen Vertrag um drei Jahre bis 2026.
2016 debütierte der Rechtsschütze für die weißrussische Nationalmannschaft. Er nahm unter anderem an zwei Weltmeisterschaften teil. Seit 2013 ist Bailen in Europa aktiv. In der KHL stand er drei Jahre bei Dinamo Minsk und zuletzt fünf Spielzeiten bei Traktor Chelyabinsk unter Vertrag, wo er zum besten Verteidiger der KHL avancierte. Weitere Europa-Stationen waren Finnland und Schweden. Nick Bailen ist verheiratet und hat ein Kind. Im Februar erwartet die Familie zum zweiten Mal Nachwuchs. (tca)