Köln – Der SC Freiburg hat am 13. Oktober seine Abschlusszahlen für das Geschäftsjahr 2020/21 vorgelegt. Zahlen, die sich in Zeiten der Pandemie und vor dem Hintergrund einer Geisterspiel-Saison der Fußball-Bundesliga wie ein Märchen lesen. Unter dem Strich stand bei einem gestiegenen Gesamtumsatz von 110 Millionen Euro trotz reduzierter Sponsoring-Einnahmen sowie den komplett ausgefallenen Einnahmen aus dem Ticketing ein Jahresüberschuss in Höhe von 9,8 Millionen Euro. Die Freiburger, die mit ihren 26 500 Mitgliedern im Liga-Vergleich nicht zu den ganz großen Clubs zählen, konnten ihr Eigenkapital auf 93 Millionen Euro erhöhen – während Corona und trotz enormer Zusatzbelastungen durch einen Stadionneubau.
Investoren können nur mit Zustimmung der Mitglieder einsteigen
Der FC wird trotz seiner angespannten Finanzlage keine Investoren mit ins Boot holen, um die hohen Verluste auszugleichen. Eine solche externe Beschaffung war zu keinem Zeitpunkt ein Thema.Im Gegenteil: Auf der Mitgliederversammlung am Samstag in der Lanxess Arena stimmten die Mitglieder mit einer überwältigenden Mehrheit von 92,04 Prozent einem Antrag auf Satzungsänderung zu, der besagt, dass ein Anteilsverkauf an der Spielbetriebsgesellschaft 1. FC Köln ab dem ersten Prozent von der Mitgliederversammlung als höchstem Organ des FC genehmigt werden muss. Bislang hätte der Vorstand bis zu 24,9 Prozent ohne Genehmigung veräußern können.„Niemand außer den Mitgliedern hat das Recht, über Anteilsverkäufe beim 1. FC Köln zu entscheiden“, erklärte Präsident Dr. Werner Wolf (Foto). Vorstand und Mitgliederrat hatten den Antrag eingereicht. Die neue Regelung unterliegt jedoch einer Ausnahme. Sollte der FC nach Ansicht des Vorstands in eine finanzielle Notlage und Insolvenzgefahr geraten, könnte er in Abstimmung mit dem Mitgliederrat bis zu 12,5 Prozent der Anteile veräußern. Damit es dazu erst gar nicht kommen kann, arbeitet der FC-Vorstand daran, den FC „auf moderne Füße“ zu stellen. Wolf: „Jetzt ist die Zeit, um die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen und Strukturen zu schaffen, die den FC nachhaltig nach vorne bringen.“Enttäuscht war der Präsident dagegen von der historisch schwachen Beteiligung der Mitglieder an der hybriden Hauptversammlung. Durchschnittlich nur rund 2000 Mitglieder (davon etwa 500 vor Ort) lebten die Vereinsdemokratie. „Ich hätte mir mehr Teilnehmer gewünscht, vor allem weil die Wahl eines wichtigen Organs anstand“, kritisierte Wolf. Mit „wichtigem Organ“ meinte der Präsident den Mitgliederrat als höchstes Kontrollorgan des Clubs. Immerhin wählten die Mitglieder für die die nächsten drei Jahre 15 neue Räte und damit die maximale Stärke des Gremiums, das zwei Mitglieder im Gemeinsamen Ausschuss des FC stellt.Die meisten Stimmen der 23 Kandidaten vereinte Ex-FC-Spieler Harald Konopka auf sich, der neu in den Mitgliederrat einzog. Mit Walther Boecker, Fabian Schwab, Ho-Yeon Kim, Christian Hoheisel, Frank Leifer, Michael Trippel, Josef Derkum und Fritz Guckuck kamen alle acht Kandidaten wieder in den Rat, die bereits in den vergangenen drei Jahren vertreten waren. Neben Konopka und Susanne Metzler als einziger Frau wurden Frank Hauser, Johannes Hochstein, Robin Loew-Albrecht, Mario Valentino und Benjamin Vrijdaghs neu gewählt. (sam)
Der 114 000 Mitglieder starke 1. FC Köln muss bei solchen Zahlen vor Neid erblassen. Oder sich die Frage gefallen lassen, warum der im Vergleich kleinere SC Freiburg so viel besser wirtschaftet. Die Interpretation der Zahlen, die FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle am Samstag auf der Mitgliederversammlung präsentierte, gibt bei einem während der gesamten Pandemie auf 73 Millionen Euro angewachsenen Umsatzverlust jedenfalls Anlass zu größter Sorge. Der im Vergleich zum Vorjahr auf 140,6 Millionen Euro gestiegene Umsatz, der geringere Verlust von 3,9 Millionen Euro (2019/20: 23,8 Millionen) und die Steigerung des Eigenkapitals von 14,8 auf 16,9 Millionen Euro sehen zwar solide aus, sind tatsächlich aber ein Produkt aus einer Reihe von Finanzkniffen.
Prinzip „von der linken in die rechte Tasche“
Das Auffangen des Verlustes und die Steigerung des Eigenkapitals, das 2019 noch bei 38,6 Millionen Euro lag, ist allein auf die vom FC an drei Zeichner ausgegebenen Genussrechte in Höhe von sechs Millionen Euro zurückzuführen. Zudem verlagerte der FC die auf rund 20 Millionen Euro bewerteten Catering-Rechte im Rheinenergiestadion nach dem Prinzip „von der linken in die rechte Tasche“ in eine Tochterunternehmenschaft. Besonders riskant erscheint der dritte Kniff, bei dem der FC Einnahmen aus künftigen Sponsoring-Erlösen für die Spielzeiten 2021/22 und 2022/23 vorgezogen hat.
Geld, das also in diesem und dem nächsten Geschäftsjahr fehlen wird. Zusammengerechnet beträgt der Verlust für das zurückliegende Geschäftsjahr also rund 40 Millionen Euro. „Niemand präsentiert gerne solche Zahlen. Wir müssen den Gürtel weiter enger schnallen“, sagte Wehrle, der aber auch Hoffnung verbreitete: „Unsere finanzielle Situation ist stabil.“ Auch dank der überwältigenden Unterstützung von Sponsoren und Dauerkarteninhabern, die dem FC über die gesamte Corona-Phase hinweg mit sage und schreibe 8,6 Millionen Euro unter die Arme griffen. „Das ist ein starkes Signal und zeigt, dass Köln anders ist. Das macht uns in Deutschland, ja in ganz Europa so schnell keiner nach“, dankte Wehrle. Die Reduzierung der Stadionpacht half den klammen Geißböcken ebenfalls.
Tiefrote Zahlen nicht allein coronabedingt
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die tiefroten Zahlen nicht allein coronabedingt sind. Auch wenn dem FC allein durch die 17 Geister-Heimspiele in der Bundesliga-Saison 2020/21 pro Partie 1,8 Millionen Euro an Einnahmen durch die Lappen gegangen sind. Der Club bezahlt aber auch für seine unausgewogene Transferpolitik der vergangenen Jahre und die damit verbundenen vertraglichen Belastungen im Personalbereich. In den Zeiten, in denen es dem FC finanziell gut ging, hat er sein Geld nicht immer mit Bedacht ausgegeben. Die negativen Auswirkungen des aufgeblähten Kaders mit entsprechend hohen Personalkosten sind in der Pandemie sichtbar geworden. Dazu kommen Abfindungen für die Geschäftsführer Armin Veh und Horst Heldt sowie für die Trainer Markus Anfang, Achim Beierlorzer und Markus Gisdol.
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Jüngstes Beispiel ist der neue Vertrag für Noah Katterbach. Als nach dem extrem schmerzhaften Abgang des Nachwuchs-Juwels Florian Wirtz zu Bayer 04 Leverkusen beim FC die Angst umging, weitere Talente zu verlieren, erhielt der hochveranlagte Linksverteidiger einen Vertrag, der auch aus politischen Beweggründen in seiner Ausstaffierung weit über dem üblichen Konditionen liegt. In diesem Bereich kann und muss der 1. FC Köln nachhaltiger arbeiten und besser wirtschaften.
SC Freiburg als Vorbild
Die vom Vorstand vorgelegte Strategie „Matchplan“ ist genau darauf ausgelegt und kann sich dabei den SC Freiburg zum Vorbild nehmen: „Der SC Freiburg ist trotz der Corona-Pandemie und den Zusatzbelastungen durch den Stadionneubau gut und stabil durch das vergangene Jahr gekommen. Dass uns das als Verein gelungen ist, liegt an unserer konsequenten Transferpolitik und daran, dass der Verein sein Handeln weiterhin konsequent an einer Gesamtstrategie ausrichtet, in der sportliche und wirtschaftliche Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung finden“, erklärte Oliver Leki. Der 48-jährige Finanzvorstand des Sportclubs war vor seinem Wechsel nach Freiburg von 2006 bis Januar 2013 Geschäftsführer beim 1. FC Köln.
Im Breisgau haben in der Vergangenheit die hervorragende Nachwuchsarbeit in der vereinseigenen Akademie und die Transfererlöse die Ausfälle mehr als kompensiert. In Köln haben sie auf dem Weg einen ersten Schritt getan und im vergangenen Sommer bei insgesamt 25 Transferbewegungen unter der Führung von Interims-Sportchef Jörg Jakobs ein Plus erwirtschaftet. In puncto Nachwuchsarbeit allerdings fühlen sich die Kölner von ihrer eigenen Stadt ausgebremst, die den Pachtvertrag für die Gleueler Wiesen zurückhält.
Der Stillstand beim Ausbau des Geißbockheims veranlasste FC-Präsident Dr. Werner Wolf auf der Mitgliederversammlung zu einer scharfen Attacke. „Der FC ist ein fester Bestandteil dieser Stadt und will es auch bleiben. Die Frage ist: Will die Stadt das auch? Wir werden uns nicht vertreiben lassen, sondern kämpfen und unsere Stimme erheben.“ Womöglich mit Christian Keller als neuem Geschäftsführer Sport. Der aussichtsreiche Kandidat auf den Posten hat bei Zweitligist Jahn Regensburg bewiesen, wie man gut wirtschaften, sich sportlich entwickeln und die eigene Infrastruktur auf Vordermann bringen kann. Regensburg konnte als einer der wenigen deutschen Proficlubs während der Pandemie eine positive Bilanz vorlegen. Der SC Freiburg lässt grüßen.