Marvin Schwäbe kam im Sommer 2021 aus Kopenhagen als Nummer zwei und Herausforderer von Timo Horn zum 1. FC Köln. Inzwischen ist der 26-Jährige seit dem 4:1-Derbysieg gegen Boruussia Mönchengladbach am 27. November 2021 die unumstrittene Nummer eins im Tor der Geißböcke. Martin Sauerborn hat mit dem FC-Torwart gesprochen.
Herr Schwäbe, Freistil oder Griechisch-Römisch?
Freistil.
Sie stammen aus einer Ringer-Familie. Ihr Opa war Präsident beim ASV Dieburg, Ihr Onkel, Sie und Ihr Bruder Kevin haben gerungen.
Stimmt, ich bin mit dem Ringen aufgewachsen. Mein fünf Jahre älterer Bruder war sogar mehrfacher Deutscher Meister und wäre fast zu Olympia gefahren, wenn nicht eine Verletzung dazwischen gekommen wäre.
Warum sind Sie kein Ringer, sondern Fußball-Torwart geworden? Hat Ihnen beim Ringen etwas gefehlt?
Mir hat nichts gefehlt. Fußball hat mir einfach noch etwas mehr Spaß gemacht. Als 14-Jähriger habe ich dann den Sprung von Kickers Offenbach zu Eintracht Frankfurt geschafft. Da ging es um Zeitmanagement und die Entscheidung für eine Sportart.
Ihr Teamkollege Salih Özcan soll sich auch ganz gut mit Ringen auskennen. Haben Sie schon einen Kampf verabredet?
Das dürfte bei unseren unterschiedlichen Gewichtsklassen lustig werden. (lacht)
Konnten Sie aus dem Ringen etwas für Ihr Torwartspiel mitnehmen?
Die Beweglichkeit, die ein Ringer braucht, hilft mir schon oft in den Eins-gegen-Eins-Duellen. Und die Ruhe, die ein Ringer auf der Matte braucht. Auch als Torwart muss man oft abwarten und beobachten, was der Gegenüber macht, um richtig reagieren zu können.
Sind Sie deshalb ein Torwart, der lange stehen bleibt?
Es hilft, um den gegnerischen Spieler zum Überlegen zu bringen. Ich kann besser reagieren, wenn der Stürmer sich dann entschieden hat, und nicht direkt eine Ecke aufmache.
Sie sind 2013 dann als 18-Jähriger von Frankfurt nach Hoffenheim gegangen. Ihren Durchbruch als Profi hatten Sie aber als Leihspieler in der 3. Liga beim VfL Osnabrück. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Nur gute. Der VfL war meine erste Profistation. Wir haben sehr guten und erfolgreichen Fußball gespielt. Ich schaue sehr gerne auf diese Saison zurück.
Trotzdem sind Sie zu Dynamo Dresden gewechselt?
Ich habe für mich entscheiden, den nächsten Schritt in die 2. Liga zu machen. Es war sicher nicht die falsche Entscheidung.
Ihr Ehrgeiz hat die Entscheidung also getrieben. Wären Sie in Osnabrück geblieben, wenn der VfL aufgestiegen wäre?
Es hätte wenig dagegen gesprochen.
Ihr Torwarttrainer beim VfL war Rolf Meyer, der auch Manuel Riemann vom VfL Bochum und Daniel Heuer Fernandes vom Hamburger SV entwickelt hat. Was hat Meyers Arbeit ausgemacht?
Ach ja, der Rollo (schmunzelt). Er war nicht der modernste Torwarttrainer, aber er war mit seiner Art etwas Besonderes. Seine Stärke war das Zwischenmenschliche. Er hat aber auch als Trainer an den richtigen Stellschrauben gedreht, um mich weiterzubringen. Wenn er im Sommer als Torwarttrainer beim VfL aufhört, ist das eine gute Gelegenheit, um durchzurufen und Danke zu sagen.
Zu Marvin Schwäbe
Statistik
Marvin Schwäbe hat bislang 13 Bundesligaspiele und drei DFB-Pokalspiele absolviert alle für den 1. FC Köln. In der Bundesliga hat er 18 Gegentore einstecken müssen, 40 Torschüsse abgewehrt und sechs Siege gefeiert. Das 1:0 in Leverkusen war sein viertes Zu-Null-Spiel (3 in der Bundesliga, eines im Pokal) für den FC. 88 Prozent aller Pässe, die der FC-Keeper schlägt, kommen beim Mitspieler an. Bei den langen Pässen sind es immerhin noch 52 Prozent. Schwäbe ist damit noch vor Nationaltorwart Manuel Neuer vom FC Bayern München passsicherster Torhüter der Fußball-Bundesliga. (sam)
Zur Person
Marvin Schwäbe wurde am 25. April 1995 im hessischen Dieburg geboren. Über die Nachwuchsabteilungen von Kickers Offenbach, Eintracht Frankfurt und die TSG 1899 Hoffenheim, mit der deutscher U19-Meister wurde, kam er nach Leihstationen beim Drittligisten VfL Osnabrück und beim Zweitligisten Dynamo Dresden 2018 zu Bröndby Kopenhagen. Mit den Dänen feierte Schwäbe dann 2021 den Meistertitel und wechselte anschließend ablösefrei zum 1. FC Köln. Bei den Geißböcken läuft sein Vertrag noch bis 30. Juni 2024. Schwäbe ist mit seiner langjährigen Freundin Michelle verheiratet und seit 4. November 2021 Vater einer Tochter. (sam)
Von der Leihe in Dresden ging es für Sie 2018 zu Bröndby Kopenhagen. Warum Dänemark?
Grundsätzlich scheue ich keinen Zweikampf. Aber die realistische Situation in Hoffenheim sah so aus, dass Oliver Baumann gesetzt war. Ich wollte nach drei Jahren als Leihspieler wieder einen Schritt machen. Über die ehemaligen Hoffenheimer Alexander Zorniger und Matthias Jaissle gab es den Kontakt zu Bröndby. Auch wenn es Dänemark war, war es die erste Liga und wieder die richtige Entscheidung. Der Meistertitel am Ende war natürlich ein absolutes Highlight.
Wie ist für einen Hessen das Leben in Dänemark?
Der Standard ist hoch und Kopenhagen eine sehr schöne Stadt. In Dänemark wird ein bisschen lockerer gearbeitet. Die Dänen wollen auch gewinnen, aber wenn sie mal verlieren, ist es nicht gleich ein Weltuntergang. Die Einstellung habe ich mitgenommen. Genauso wie die gute Erfahrung als Deutscher wegen der Sprache nicht alles mitzubekommen, was medial gelaufen ist.
Sind Sie denn jemand, der sehr darauf achtet, was geschrieben wird?
In meiner Anfangszeit bei Osnabrück habe ich mich schon davon leiten lassen. Jetzt achte ich nicht mehr so sehr darauf, was geschrieben wird. Entscheidend ist für mich, was die Trainer sagen und welche Leistung ich auf den Platz bringe.
Sie haben in Kopenhagen etwas außerhalb gewohnt und leben auch jetzt bei Düren eher ländlich. Warum?
Ich bin nicht so der Stadtmensch. Mit meiner Frau, meiner im November geborenen Tochter Zoe und meinem Hund mag ich es, ein bisschen Grün um mich herum zu haben. Die Ruhe hilft mir und meiner Familie, um im stressigen Alltag und bei dem ganzen Leistungsdruck abschalten zu können und die freie Zeit zu genießen.
Zitate über Marvin Schwäbe
Steffen Baumgart (Cheftrainer 1. FC Köln)
„Marvin hat gegen Leverkusen in einigen Eins-gegen-Eins-Duelle riesig gehalten. Normalerweise gehen einer oder zwei davon rein.“
Thomas Kessler (Sportlicher Leiter FC)
„Marvin ist ein angenehmer Typ, der in der Mannschaft sehr gut ankommt. Er strahlt eine enorme Ruhe aus, was sich sehr positiv auswirkt.“
Sie haben bei Düren eine Immobilie erworben. Das sieht danach aus, als wollten sie länger bleiben und beim FC sesshaft werden wollen?
Ich hätte nichts dagegen. Wer meinen sportlichen Werdegang anschaut, könnte auf die Idee kommen, dass ich gerne mal wechsle. Ich würde aber gerne Wurzeln schlagen. Ich kann mich mit der Stadt Köln und mit dem FC identifizieren. Es hat vom ersten Tag an gepasst. Hier ist alles tipptopp für mich und meine Familie. Natürlich muss ich darauf schauen, wie es sportlich läuft.
Aktuell läuft es nicht so übel. Mit welcher Idee sind Sie im Sommer 2021 eigentlich zum FC gekommen?
Es war klar, dass ich als Nummer zwei und Herausforderer herkomme und die Chance kriege, auf mich aufmerksam zu machen, wenn ich gute Leistungen bringe. Im Pokal habe ich dann ja auch die Möglichkeit bekommen, mich zu zeigen.
Jetzt sind 26 Bundesliga-Spieltage absolviert und Sie haben die Hälfte dieser Spiele im FC-Tor gestanden. Haben Sie damit gerechnet?
Eher weniger.
Wie fühlt es sich an, so eine Art Shooting-Star des FC zu sein? Die FC-Fans haben am Sonntag in Leverkusen während des Spiels mehrfach ihren Namen skandiert, Sie für ihre Leistung im Derby gefeiert und zum Spieler des Spiels gewählt.
Shooting-Star würde ich nicht sagen. Da gibt es andere wie Tony Modeste. Es ist die ganze Mannschaft, die wie in Leverkusen ihre Leistung bringt. Aber es fühlt sich richtig gut an, schon 13 Spiele gemacht zu haben. Dass die Fans mich anfeuern, nehme ich dankend an. Ich weiß, dass auch mal der Tag kommt, an dem ich daneben greife. Ich hoffe, dass sie dann genauso hinter mir stehen.
Torhüter sagt man so, müssen ein bisschen verrückt sein. Sie wirken sehr ruhig und normal. Wie würden Sie sich als Torhüter beschreiben?
Ich dirigiere meine Abwehr schon lautstark. Es stimmt aber, ich bin nicht der Typ Lautsprecher in einer Mannschaft. Und verrückt? Das müssen Sie die Leute um mich herum fragen. Ich sehe mich als absoluten Normalo.
Dann werden wir mal Ihren Torwarttrainer beim FC Uwe Gospodarek fragen. Seit dieser Saison arbeiten Sie mit ihm zusammen. In welchen Bereichen hat er Sie besser gemacht?
Bislang hatte ich nur gute Torwarttrainer und jeder hat etwas mitgegeben, was mich weitergebracht hat. Gospo legt zum Beispiel viel Wert auf Sprungkraft und Dynamik. Das hat mir definitiv gefehlt und ich konnte durch das Training in diesen Bereichen eine Schippe drauflegen. Ich halte Bälle, bei denen ich vor ein, zwei Jahren noch gedacht hätte, da komme ich nicht ran. Es bestätigt die gute Arbeit, die beim FC im Torwartteam geleistet wird.
Statistisch zählen Sie zu den besten Fußballern unter den Bundesliga-Torhütern. Wer hat Ihnen beigebracht, die Bälle so gut mit dem Fuß spielen zu können?
Das ist viel Training. Schon die Spielphilosophie in Hoffenheim war darauf ausgelegt, dass der Torwart sich spielerisch hinten rauslösen kann. Auch in Dresden unter Trainer Uwe Neuhaus ging es darum, spielerische Lösungen zu finden. Das waren zwei sehr gute Jahre. Mit der Zeit ist man es dann einfach gewohnt, ins Spiel mit einbezogen zu werden.
Im System von FC-Trainer Steffen Baumgart geht es auch darum, den Ball von hinten herauszuspielen.
Das fällt mir nicht schwer. Und wir haben in der Innenverteidigung und auf der Sechs auch Jungs, die sich nicht verstecken und den Ball haben wollen. Das macht es noch etwas leichter.
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Der FC schaut auf eine lange Torwart-Tradition. Toni Schumacher, Bodo Illgner und Timo Horn haben sich aus dem Club heraus entwickelt. Können Sie die Tradition fortführen, auch wenn sie von außen dazugekommen sind?
Ich hoffe. Für mich gäbe es nichts Schöneres, wie Timo Horn über eine lange Zeit die Nummer eins in einem Club zu sein.
Diesen Timo Horn haben Sie als Nummer Eins im FC-Tor verdrängt. Wie bewerten Sie seine Situation. Wir würden Sie sich an seiner Stelle fühlen?
Das ist keine einfache Situation und die Enttäuschung bei Timo ist verständlich. Ich erlebe ihn als fairen Sportsmann, der sich im Training jeden Tag reinhaut, obwohl er sich das sicher anders vorgestellt hat. Die Entwicklung mit seiner Verletzung und dem krankheitsbedingten Ausfall war sehr ärgerlich. Trotzdem stellt er sich in den Dienst der Mannschaft und übt Druck auf mich aus. Ich kann mich nicht ausruhen.
Wie hat Trainer Baumgart aus Ihrer Sicht den Wechsel im Tor moderiert?
Wie man ihn kennt. Er war wie immer klar, es gab es wenig Raum für Diskussionen. Ich bin natürlich froh, dass die Entscheidung zu meinen Gunsten ausgefallen ist.
Unter Steffen Baumgart befindet sich der FC im totalen sportlichen Aufschwung. Wie erleben Sie ihn?
Er bringt das mit, was die Mannschaft nach den letzten ein, zwei Jahren gebraucht hat. Vom ersten Tag an war Feuer im Training. Jeder haut immer alles raus und muss das im Kampf um einen Stammplatz auch tun.
Von außen macht die Mannshaft einen sehr homogenen Eindruck. Wie würden sie die Teamchemie beschreiben?
Als absolut positiv. Man kann sich auf alle verlassen und jeder weiß, worum es geht. Wie in Leverkusen, als King und Dejo reinkommen und das Spiel auf unsere Seite ziehen. Das haben wir diese Saison schon oft erlebt.
Wo führt das noch hin?
Das Thema Abstieg haben wir abgehakt. Wenn wir den Schnitt halten können, werden wir noch ein paar Pünktchen holen.
In Kopenhagen hätten sie diese Saison schon Europapokal spielen können, sind dann aber gewechselt. Holen Sie das nächste Saison mit dem FC nach?
Das wäre schön.