Köln – Horst Heldt hat sein Büro im Geißbockheim geräumt. Danach stellte sich der entlassene Sport-Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln noch einem Abschieds-Interview.
Herr Heldt, Sie haben trotz schwieriger Bedingungen zweimal in Folge mit dem FC den Klassenerhalt geschafft. Dennoch wurden Sie von Ihren Aufgaben entbunden. Haben Sie Verständnis für die Entscheidung?
Es ist das Recht des Vorstandes, so eine Entscheidung zu treffen.
Wie ist am Sonntag das Trennungsgespräch mit dem Vorstand verlaufen?
Wir waren bei manchen Themen verschiedener Meinung, haben uns aber nicht gestritten. Ich habe eine zweistündige Analyse der abgelaufenen Saison vorgetragen und versucht, das eine oder andere erklärbar zu machen. Danach wurde mir die Entscheidung mitgeteilt.
Eine Entscheidung, die – wie der Vorstand bestätigt hat – bereits vor dem Gespräch mit Ihnen gefallen war. Wie haben Sie darauf reagiert?
Natürlich war ich extrem enttäuscht, weil man mir die Trennung dann auch direkt hätte mitteilen können. Das tat weh. Deshalb habe ich in dem Moment auch keinen Wert auf eine gemeinsame Presseerklärung gelegt. Mit ein paar Tagen Abstand ist es, wie es ist, ich habe meinen Frieden damit gefunden.
Ihre Entlassung erfolgte keine 24 Stunden nach dem durch einen fulminanten Sieg im Relegations-Rückspiel bei Holstein Kiel errungenen Klassenerhalt. Wie empfanden Sie den Zeitpunkt?
Ich kann mich nicht darüber beschweren, weil ich darum gebeten hatte, schnell Klarheit zu bekommen. Das war mir wichtig, um zur Ruhe kommen und loslassen zu können. Das respektiere und akzeptiere ich.
Als Sportchef habe ich ja auch das Recht, mich von Trainern zu trennen. Dennoch habe ich Markus Gisdol (Ex-Coach des FC, d. Red.) immer auf dem Laufenden gehalten, als ich in sportlich schwierigen Phasen mit anderen Trainern gesprochen habe.
Wie bewerten Sie denn den Zeitpunkt der Trennung aus Kommunikationssicht?
Für den Club, seine Anhänger und die Euphorie war das überraschend. Am Tag des Sieges in Kiel, der uns auf eine ganz tolle Art und Weise gelungen ist, war Aufbruchstimmung zu spüren. Es war ein Tag der Gemeinschaft.
Jeder hat Glückseligkeit empfunden, nachdem wir alle uns permanent Gedanken gemacht hatten. 250 Fans waren extra mit nach Kiel gereist, obwohl sie keine Chance hatten, ins Stadion zu kommen. Alexander Wehrle (Finanz-Geschäftsführer des FC, d. Red.) und ich hatten sogar noch die Möglichkeit, mit dem einen oder anderen Anhänger persönlich zu reden.
Wie fällt Ihr Rückblick auf die Zeit in Köln aus?
Als ich den FC im November 2019 übernommen habe, stand der Club mit nur elf Punkten da. Es war ein Gefühl des Aufgebens zu spüren gewesen. Ein Gefühl, als ob wir bereits abgestiegen wären. Ich wollte die Aufgabe aber unbedingt angehen. Sportlich ging es für uns ausschließlich darum, in der Liga zu bleiben. Das war das klar definierte Ziel für beide Spielzeiten. Und das haben wir geschafft.
Wie stark hat die im Frühjahr 2020 ausgebrochene Corona-Pandemie Ihre Tätigkeit beim FC geprägt?
Wir befanden uns zu dem Zeitpunkt sportlich ohnehin schon in einer schwierigen Situation. Und dann entwickelte sich auch noch eine Pandemie, von der niemand wusste, welche Auswirkungen sie auch für den Fußball hat.
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Als dann der Spielbetrieb ausgesetzt wurde, entwickelte sich unser permanenter Krisenmodus zu einem Megakrisenmodus. Zum Glück hatten wir schon vor Beginn der Pandemie die Basis für den Klassenerhalt gelegt.
Welche wirtschaftlichen Folgen haben Sie als Sportchef zu spüren bekommen?
Wenn uns von jetzt auf gleich Umsätze wegbrechen und wir dadurch Schwierigkeiten bekommen, den Spielbetrieb zu finanzieren, dann hat das nicht nur Auswirkungen auf Zukunfts-Projekte des Clubs, sondern auch kurzfristig auf meinen Wirkungsbereich als Sportchef. Es ging schlichtweg um das nackte Überleben des FC.
Was war die Problematik des Transfer-Sommers 2020?
Wir konnten den Kader erst sehr spät zusammenstellen. Das hing damit zusammen, dass wir Einnahmen auf einem Transfermarkt generieren mussten, der komplett zusammengebrochen war und sich zeitlich verschoben hatte.
Es war aber klar, dass wir einen großen Transfer brauchten. Und dafür kam nur ein Spieler in Frage – Torjäger Jhon Cordoba. Natürlich haben wir uns mit seinem Verkauf sportlich geschwächt. Aber wirtschaftlich hatten wir keine andere Wahl.
Warum hatte Cordobas Verkauf bis eine Woche vor dem Start der Bundesliga-Saison gedauert?
Hertha BSC Berlin ist erst sehr spät auf uns zugekommen. Innerhalb des Geißbockheims war es zwar kein Geheimnis gewesen, dass Jhon den Verein verlassen wollte.
Diesen Wunsch hatte er im Halbjahrestakt bei uns hinterlegt. Wir standen zudem dauerhaft im Austausch mit Jhons Berater Christian Wein, der seine Fühler nach England und Spanien ausgestreckt hatte. Aber es gab kein anderes Angebot für Jhon.
Daraufhin brach eine Sturm-Problematik aus, die dem FC fast den Klassenerhalt gekostet hätte. Cordobas Nachfolger Sebastian Andersson fiel nahezu die gesamte Saison verletzt aus, Anthony Modeste war außer Form, Simon Terodde weg. Warum hat auch Winter-Leihe Emmanuel Dennis nicht funktioniert?
Er ist kein einfacher Typ. Wir wussten um diese Problematik, sind aber zu sehr ins Risiko gegangen. Wir haben das falsch eingeschätzt. Dennis hat für Unruhe gesorgt, weil seine Verhaltensweisen nicht so waren, wie es in der Gemeinschaft nötig ist.
Er ist nicht an seinen sportlichen Qualitäten gescheitert, sondern an seiner charakterlichen Eigenschaft im Sinne des Teamgedankens. Wir haben ihn dann fallen lassen, weil unsere Priorität auf der Gruppe lag. Das war ein schlechter Transfer, der in meiner Verantwortung liegt.
Warum hat es der junge Stürmer Tolu Arokodare ebenfalls nicht gepackt?
Auch er ist letztlich daran gescheitert, dass die Mannschaft ihn nicht akzeptiert hat. Sportlich ist er natürlich noch nicht so weit. Wenn man diesen Transfer tätigt, hätte man ihn für zwei Jahre ausleihen müssen. Das war ein Fehler von mir.
Tolu muss sich verändern, professioneller werden und mehr an sich arbeiten. Seine Voraussetzungen sind brillant. Er ist groß und schnell. Wenn er an sich arbeitet, kann er explodieren.
Sie wurden dafür kritisiert, den Vertrag mit Markus Gisdol vorzeitig bis 2023 verlängert zu haben. Zu Recht?
Markus hat bis Sommer 2020 einen super Job gemacht. Ich halte Loyalität für extrem wichtig. Er hatte es verdient, dass wir versuchen, gemeinsam etwas aufzubauen. Hinzu kommt, dass sich der Club Kontinuität auf den Schlüsselpositionen auf die Fahnen geschrieben hat.
Es ging darum, bewusst einen Kreislauf zu durchbrechen. Das ist nicht einfach in diesem Club. Und es ging auch darum, Markus den Rücken zu stärken. Er hatte nur noch ein Jahr Restlaufzeit und es von Beginn an nicht leicht. Er wurde wie ich nicht mit offenen Armen empfangen.
Gehen Sie wehmütig?Wir hatten keine Zuschauer, keinen Karneval, das öffentliche Leben lag streckenweise still. Das habe ich mir natürlich alles anders vorgestellt.
Wie geht es für Sie weiter?Ich ziehe zurück zu meiner Familie nach München. Danach geht es in den Urlaub nach Österreich. Ich habe jetzt die Möglichkeit, runterzukommen und abzuschalten.
Zur Person
Horst Heldt, geboren am 9. Dezember 1969 in Königswinter, war von November 2019 bis Mai 2021 als Geschäftsführer des 1. FC Köln tätig. In dieser Zeit gelang ihm zweimal der Klassenerhalt in der Bundesliga.
Zuvor trug er die sportliche Verantwortung bei Hannover 96, beim FC Schalke 04 sowie beim VfB Stuttgart, mit dem er 2007 Deutscher Meister wurde.
Zu aktiven Zeiten absolvierte der einstige Mittelfeldakteur unter anderem 151 Pflichtspiele für die Geißböcke. Zudem brachte er es auf zwei Einsätze im Nationalteam. (tca)