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Meisterfeier in LeverkusenHradecky und Alonso geben den Fans die Schale

Lesezeit 5 Minuten
Lukas Hradecky und Trainer Xabi Alonso Bayer 04 Leverkusen stehen mit der Meisterschhale in der Fankurve.

Lukas Hradecky und Trainer Xabi Alonso Bayer 04 Leverkusen stehen mit der Meisterschhale in der Fankurve.

Bayer 04 Leverkusen ist ungeschlagen deutscher Fußballmeister geworden und genoss diesen Triumph in vollen Zügen.

Der Tag, an dem Bayer Leverkusen sich erstmals zum Deutschen Fußballmeister krönte, war nicht nur ein Tag für die Geschichtsbücher. An diesem 18. Mai 2024 kamen auch die Geschichten der Menschen, die hinter dem epochalen Triumph an der Dhünn stecken, zum Vorschein. Der Fan etwa, der beim 2:1 (2:0) gegen den FC Augsburg Zeuge des letzten Schritts zur ersten, perfekten Saison der langen Bundesliga-Historie geworden war. Oberkörper frei, mit einer Baseball-Kappe bekleidet, stand er stellvertretend für die mit mehr als 50.000 Mitgliedern immer größer werdende Bayer-Gemeinde.

Der Mann hatte sich vor dem Spiel sicher nicht vorstellen können, dass er Stunden später, eng umschlungen, mit Xabi Alonso dessen Sturz vom Zaun der Nordkurve verhindern würde. Der sonst so seriöse Chefcoach hatte sich im Überschwang der Gefühle hinreißen lassen, den Zaun an der Nordkurve hochzuklettern und freihändig in fast drei Metern Höhe zu jubeln. Unter Absicherung des Fans konnte Alonso im Block dann mit Torwart Lukas Hradecky das glänzende Objekt der Begierde präsentieren und an die Anhänger weitergeben. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesliga.

„Ich konnte sehen, dass sie große Leidenschaft haben“, berichtete der Meistermacher von seinem Bad in der Menge, „es war ein Moment, den wir mit den Fans teilen wollten“, fuhr er fort. Ein Dankeschön für die Energie und die Emotionen, die von den Rängen auf ihn und seine Spieler übergegangen waren. Nicht nur am Samstag, sondern auch in den 51 Spielen ohne Niederlage zuvor.

Ich glaube, im Fußball sollte man auch mal den Moment genießen.
Granit Xhaka, Mittelfeldspieler von Bayer 04 Leverkusen

So wie er den Zaun als Kapitän noch vor Alonso erklommen hatte, setzte Hradecky auch in der Geschichte zur Meisterschaft an anderer Stelle an: „Ich weiß noch, was hier vor zwei Jahren los war“, erinnerte der 34-jährige Finne an Tabellenplatz 17 und die Abstiegsgefahr. „Die Fans hatten sich in einem Offenen Brief an uns gewendet, standen hinter uns und haben uns gepusht. Das ist nicht so lang her.“ Dann holten die Geschäftsführer Fernando Carro und Simon Rolfes im Herbst 2022 Heilsbringer Xabi Alonso.

Hradecky, 2018 Pokalsieger mit Eintracht Frankfurt, ordnete den Meistertitel mit der Werkself natürlich als „Karrierehöhepunkt“ ein. „Dass ich als Kapitän die Schale zuerst in Empfang nehmen konnte, war ein schöner Moment für meine Familie, meine Kumpels, die aus der Heimat hier waren. Dieser Tag berührt jeden, auf jeden Fall“, sprach die finnische Frohnatur und verabschiedete sich in den Partyabend.

Dass dieser für ihn länger ausfallen durfte, als für seine Kollegen, nickte sogar Granit Xhaka ab. Der Bayer-Taktgeber hatte dabei die Torwartrotation auf dem Schirm, die Hradecky als Bundesliga- und Matej Kovar als Pokal-Keeper vorsieht. Vier Tage vor dem Europa League-Finale gegen Atalanta Bergamo wünschte der Schweizer Leader seinem Kumpel Hradecky also viel Spaß und gab Einblick in seine Gefühlswelt. „Ich glaube, im Fußball sollte man den Moment genießen.“

Bayer-Dominanz vom ersten bis zum 34. Spieltag

Der Schweizer ließ es sich auch nicht nehmen, die in 61 Jahren Bundesliga noch nie dagewesen 28 Siege und sechs Unentschieden aus der eigenen Stärke und nicht etwa durch die Schwäche der Konkurrenz zustande gekommen sind. „Vom ersten bis zum 34. Spieltag war meiner Meinung nach fast jedes Spiel dominant“, sagte Xhaka, „da muss man schon auch Respekt an uns geben. Es ist nicht so, dass die Bayern eine schlechte Saison gespielt haben, sondern wir haben eine überragende Saison gespielt“.

Dass für den Königstransfer von Arsenal London zudem ein persönliches Trauma ad acta gelegt werden konnte, machte die Geschichte des 31-Jährigen noch spezieller. „Letztes Jahr war ich mit Arsenal auch kurz vor Schluss ganz vorne und habe dann den Titel verloren“, erinnerte der ehemalige Gunner, „deswegen habe ich den Jungs immer gesagt, dass wir zwar auf einem guten Weg sind, aber noch nichts gegessen ist“. Die Meisterschale erlöste Xhaka genauso wie Hradecky im sechsten Vertragsjahr und den Fan auf dem Zaun, der das Vizekusen-Drama in Unterhaching vor 24 Jahren miterleben musste. Vereint waren sie an diesem 18. Mai 2024 alle in der BayArena. In Momenten, die so besonders, aber auch flüchtig waren.

Ich glaube zwar, dass das alles passiert ist, aber ich brauche mehr Zeit.
Xabi Alonso, Trainer Bayer 04 Leverkusen

Um die erste deutsche Meisterschaft im 120 Jahren Vereinsgeschichte in Kombination mit der ersten Saison einer Bundesliga-Mannschaft ohne Niederlage angemessen zu würdigen, fehlten auch Xabi Alonso zunächst die Worte. Der 42-jährige Spanier, der später von seiner Familie umgeben war, versuchte es dann aber doch und traf mal wieder den richtigen Ton: „Ich glaube zwar, dass das alles passiert ist, aber ich brauche mehr Zeit“, hielt er nach seinem ersten Titel als Chefcoach fest, „wir haben eine exzeptionelle Saison gespielt. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Wir erinnern uns an die Invincibles in der Premier League oder auch Juventus Turin im Calcio. Jetzt verdienen wir auch Teil dieser Fußballgeschichte in Europa zu sein.“

Zumal Mittwoch und Samstag im Europa League-Finale in Dublin gegen Atalanta Bergamo und im Endspiel des DFB-Pokals in Berlin gegen Kaiserslautern zwei weitere Titel hinzukommen können.


Spieler der Saison

Florian Wirtz ist in der Bundesliga „Spieler der Saison“ 2023/24. Bei der von der Deutschen Fußball Liga (DFL) ausgerichteten Wahl setzte sich der Leverkusener gegen das Stuttgarter Duo Serhou Guirassy und Deniz Undav sowie seine beiden Team-Kollegen Victor Boniface und Alejandro Grimaldo durch. Nominiert wurden alle Gewinner eines „Spieler des Monats“-Votings, bei dem sich der 21 Jahre alte Spielmacher als einziger dreimal (Oktober/Dezember/Februar) durchgesetzt hatte. (dpa)